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UWG - Schwarze Klausel Nr. 15 - Räumungsverkauf wegen Schließung - Wenn alles eine große Lüge ist

07.08.2009, 12:59 Uhr | Lesezeit: 8 min
UWG - Schwarze Klausel Nr. 15 - Räumungsverkauf wegen Schließung - Wenn alles eine große Lüge ist

Viele Kunden werden von Räumungsverkäufen geradezu magisch angezogen: es herrscht das Ambiente eines orientalischen Bazars, es gibt Schnäppchen ohne Ende und die Kunden ergattern letzte Einzelstücke, die es so bald (zumindest dort) nicht mehr zu kaufen gibt. Irgendwie blöd ist jedoch, wenn ein Geschäft alle drei Monate „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ macht – und damit einfach nicht aufhört. Das verstößt zudem gegen Klausel Nr. 15 des UWG. Lesen Sie dazu jetzt den sechzehnten Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei.

Die Klausel

„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind…
Nr. 15:    …die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen;“

Warum ist dies ein Fall für das UWG?

Auf den ersten Blick scheint es nur schwer verständlich, warum das UWG die Falschaussage eines Unternehmers sanktionieren will, er werde bald sein Geschäft aufgeben. Denn immerhin gehen mit der Ankündigung eines „Räumungsverkaufs“ regelmäßig große Preisnachlässe einher. Und gerade dies ist für Verbraucher positiv. Ob das Geschäft danach tatsächlich geschlossen wird oder nicht, kann dem Verbraucher egal sein, solange er seine Schnäppchen bekommt – oder doch nicht?

Zwar ist es unanständig, wenn ein Verkäufer falsche Angaben macht oder gar bewusst lügt, allerdings ist dies allein in aller Regel noch kein Grund, dem Verkäufer wettbewerbswidriges Verhalten zu unterstellen. Bei falschen Angaben über eine angeblich bevorstehende Geschäftsaufgabe kann dies jedoch anders sein. Zwar werden bei Räumungsverkäufen – wie bereits angesprochen – in der Regel große Rabatte gewährt, allerdings kann ein Verkäufer dies auch bloß vortäuschen – der Kunde kann das oftmals gar nicht überprüfen. Noch verwerflicher ist zudem, dass der Verkäufer die Verbraucher unter Druck setzt, die Produkte sofort zu kaufen, ohne noch einmal – wie sonst vielleicht üblich – gründlich darüber nachzudenken. Denn dadurch, dass der Verbraucher weiß, dass es sich um einen Räumungsverkauf handelt, ist ihm ebenso bewusst, dass die Ware in der Regel nicht mehr lange vorrätig sein wird bzw. nicht nachbestellbar ist. Ein Verkäufer kann somit „Ladenhüter“ schneller loswerden und nach der Verkaufsaktion seinen Geschäftsbetrieb mit neuem Sortiment fortführen. Dieses Zusammenspiel aus Täuschung und Irrtum will das UWG verhindern.

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Die Lüge

Die Schwarze Klausel Nr. 15 scheint ihrem Wortlaut nach klar und eindeutig gefasst. Wie Stammleser der Artikel-Serie bereits wissen, bedeutet der Ausdruck „unwahre Angabe“, dass die Angabe/Information explizit, d.h. ausdrücklich, erfolgen muss. Es genügen somit keine Andeutungen, sondern es muss ausdrücklich davon die Rede sein, dass der Geschäftsbetrieb aufgegeben oder die Geschäftsräume verlegt werden. Das ist bei Hinweisen wie „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ etc. regelmäßig der Fall, nicht aber bei Formulierungen wie bloß „Räumungsverkauf“, ohne dass zusätzlich auf die Geschäftsaufgabe/-verlegung hingewiesen wird. Denn damit könnte auch gemeint sein, dass ein Verkäufer lediglich sein Lager räumen will. Dass manche Kunden dabei dem Irrtum erliegen könnten, der Verkäufer mache einen Räumungsverkauf, weil er das Geschäft aufgeben möchte, reicht nicht aus, damit Klausel Nr. 15 anwendbar ist.

Worin liegt das Problem?

Zwar ist der Wortlaut der Klausel eindeutig, allerdings nicht vollständig. Denn etwas Wichtiges, das man beachten muss, fehlt. In der einschlägigen EG-Richtlinie, die für die Schwarzen Klauseln verbindliche Vorgaben macht, hat die Klausel einen anderen Wortlaut als das deutsche UWG. In der Richtlinie heißt es nämlich: „Unzulässige geschäftliche Handlungen sind die Behauptung, der Gewerbetreibende werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen, obwohl er dies keineswegs beabsichtigt.“

Worin liegt nun der inhaltliche Unterschied?

Nach dem exakten Wortlaut der deutschen Fassung der Klausel verhält sich ein Verkäufer auch dann wettbewerbswidrig, wenn er einen Räumungsverkauf durchführt, weil er sein Geschäft aufgrund finanzieller Probleme schließen will, danach aber das Geschäft wider Erwarten doch weiterführt, weil er vollkommen unerwartet doch noch den erhofften Kredit seiner Bank erhält. Denn dann ist die Angabe „Räumungsverkauf wegen Schließung“ von Anfang an objektiv unrichtig gewesen, da es nie zu einer tatsächlichen Schließung gekommen ist. Klar ist jedoch, dass jeder vernünftige Mensch dem Verkäufer dies nicht vorwerfen würde – niemand kann vom Verkäufer ernsthaft fordern, dass er den (für ihn lebensnotwendigen) Kredit ablehnt, nur damit er sich nicht wettbewerbswidrig verhält. Vielmehr wird man sagen, dass ein solcher Fall nicht von der Schwarzen Klausel erfasst sein soll.

Genau hier kann die Fassung der EG-Richtlinie ins Spiel gebracht werden. Diese spricht  davon, dass der Verkäufer sich nur dann wettbewerbswidrig verhält, wenn er die Geschäftsaufgabe/-verlegung behauptet, diese aber in Wirklichkeit gar nicht beabsichtigt. Nach dieser Formulierung wäre das Verhalten des Verkäufers im aufgezeigten Beispiel gar nicht wettbewerbswidrig, denn zum Zeitpunkt der (objektiv) unwahren Behauptung („Räumungsverkauf wegen Schließung“) hatte der Verkäufer ja noch die Absicht, das Geschäft zu schließen. Dass sich dies aufgrund des gewährten Kredits ändern würde, hat der Verkäufer zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen können.

Was gilt nun – deutsches Gesetz oder EG-Richtlinie?

Nun stellt sich die Frage: was gilt nun?

Grundsätzlich gilt das deutsche Gesetz, da nur dieses im vorliegenden Fall unmittelbar gegenüber dem Bürger wirkt. Allerdings darf das deutsches Gesetz nicht gegen die zwingenden Vorgaben des EG-Rechts, hier also der EG-Richtlinie, verstoßen. Das wäre jedoch der Fall, wenn man beide Fassungen wortwörtlich nehmen würde. Um diesen Widerspruch zu lösen, muss die deutsche Fassung richtlinienkonform ausgelegt werden, d.h. konkret: man muss die deutsche Fassung der Klausel Nr. 15 so auslegen, dass sie mit der Fassung der EG-Richtlinie inhaltlich übereinstimmt. Dies bedeutet, dass letztlich auch nach deutschem Recht eine Täuschungsabsicht vorliegen muss, damit ein wettbewerbswidriges Verhalten des Verkäufers angenommen werden kann. Mit anderen Worten: auch nach deutschem Recht muss der Verkäufer bereits zum Zeitpunkt seiner unrichtigen Angabe eine Täuschungsabsicht haben. Er muss somit bereits dann wissen, dass er sein Geschäft tatsächlich gar nicht schließen oder verlegen wird – nur dann ist sein Verhalten gemäß der Schwarzen Klausel Nr. 15 wettbewerbswidrig!

Die Beweislage ist undurchsichtig

Doch die Medaille hat bekanntlich zwei Seiten: ein anständiger Verkäufer wird wettbewerbsrechtlich nicht dafür bestraft, dass er sein Geschäft aufgrund geänderter Rahmenbedingungen wider Erwarten fortführen kann. Demgegenüber werden jedoch einem unanständigen Verkäufer Tür und Tor geöffnet, sich nach einem durchgeführten Räumungsverkauf herauszureden. Denn grundsätzlich kann jeder Verkäufer zunächst einmal behaupten, er habe tatsächlich vorgehabt, sein Geschäft zu schließen, aber habe es sich nach dem Räumungsverkauf dann doch anders überlegt (hat evnetuell neuen Kredit bekommen oder die anderen Zukunftspläne wieder verworfen oder der geplante Standort für das neue Geschäft ist wider Erwarten ungeeignet etc.).

Die Crux daran ist, dass regelmäßig nicht der Verkäufer nachweisen muss, dass bzw. warum er es sich anders überlegt hat. Vielmehr muss der jeweilige Anspruchsteller dem Verkäufer die Täuschungsabsicht nachweisen, d.h. der Anspruchsteller muss nachweisen, dass der Verkäufer zum Zeitpunkt der unrichtigen Angabe nicht die Absicht hatte, sein Geschäft tatsächlich zu schließen oder zu verlegen. Denn dies ist – wie gesehen – nach richtlinienkonformer Auslegung des deutschen Gesetzes eine Tatbestandsvoraussetzung von Klausel Nr. 15 – und Tatbestandsvoraussetzungen müssen stets von den Anspruchstellern nachgewiesen werden. Da dies nur selten gelingen wird, wird die Klausel aller Voraussicht nach in der Praxis wenig Anwendung zu finden.

Beispiel

Zur Veranschaulichung ein Beispiel:

Manni betreibt in Berlin Kreuzberg einen Motorradladen, in dem er allerlei Zubehör für Motorradlieber verkauft. Nachdem er über einen langen Zeitraum hinweg zu vielen Kunden „Freundschaftsrabatte“ gewährt hat, gerät er in Zahlungsschwierigkeiten. Da seine Bank ihm  keinen weiteren Kredit einräumen will, entschließt sich Manni, einen Ausverkauf zu starten und den Laden zu schließen. Daher hängt er große Schilder mit der Aufschrift „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ an seine Schaufenster und fängt an, seine Waren mit einem „Ausverkaufsrabatt“ von 30-50% zu verkaufen. Nach zwei Wochen kommt Hans, ein langjähriger Stammkunde und Freund von Manni, in den Laden und ist bestürzt darüber, dass sein „Stammlokal“ bald zumachen muss. Da Hans aufgrund einer Erbschaft vor einigen Jahren über ausreichend Geldmittel verfügt, erklärt er sich spontan bereit, dem Manni ein zinsloses Darlehen zu gewähren. Manni reißt sofort die Schilder von der Wand und ist froh über seine vorerst gesicherte Existenz.

Im Beispielsfall verhält sich Manni nicht wettbewerbswidrig. Zum Zeitpunkt des Räumungsverkaufs ging er selbst davon aus, dass er den Laden schließen wird. Erst als Hans auf den Plan tritt, ändert sich die Lage.

Anders sähe es jedoch aus, wenn Manni sich bereits vor dem Aufhängen der Schilder mit der Aufschrift „Räumungsverkauf“ daran erinnert hätte, dass Hans ihm für Notzeiten Unterstützung finanzieller Art zugesagt hat und er deshalb fest davon ausging, dass er auf dessen Hilfe zählen konnte. Wenn er dann den „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ durchgeführt hätte – etwa um das Lager von den Ladenhütern zu befreien und Platz für neue Verkaufsschlager zu schaffen – so wäre Mannis Verhalten wettbewerbswidrig gewesen.

Fazit

Die Klausel soll Verbraucher u.a. davor bewahren, dass sie sich von angeblichen, einmaligen Schnäppchen verleiten lassen und vorschnell zugreifen. Verkäufer sollen nicht davon profitieren dürfen, dass Kunden allein durch Formulierungen wie „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ o.ä. magisch angezogen werden. Auch die Konkurrenten des Verkäufers sollen geschützt werden, denn sie haben das Nachsehen, wenn der Verkäufer von seinen unlauteren Geschäftspraktiken profitiert. Daher darf der Verkäufer seine Geschäftsaufgabe nicht ankündigen, ohne dass dies zu dem Zeitpunkt der Wahrheit entspricht.
Allerdings wird es regelmäßig kaum zu beweisen sein, dass ein Verkäufer mit Täuschungsabsicht gehandelt hat. Deshalb wird die Klausel in der Praxis kaum Anwendung finden.

In der nächsten Woche erfahren Sie mehr über Klausel Nr. 16!

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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2 Kommentare

G
Georg Schiffer 09.08.2009, 19:33 Uhr
Wer lügt, verdient!
Diese "schwarze" Klausel erscheint völlig sinnlos, da natürlich NIE ein Händler zugeben würde, dass er den Räumungsverkauf nur zur Umsatzsteigerung erfunden und niemals geplant habe, sein Geschäft wirklich zu schließen. Diese Trickserei dürfte sich auch nicht nachweisen lassen, so dass die Klausel faktisch nie zur Anwendung kommen wird. Falls es jedoch einen Anwendungsfall gibt, würde der mich sehr interessieren. Über einen Hinweis Ihrerseits würde ich mich sehr freuen.
H
Hobby-Einkäufer 09.08.2009, 15:41 Uhr
Räumungsverkauf
Wie verhält es sich eigentlich mit Preisnachlässen wegen "Totalumbau", "Geschäftsjubiläum", "1000.Laden in Deutschland" etc.? Meines Wissens dürfen Geschäfte solche Werbeaktionen - unabhängig davon, ob der angegebene Grund der Rabattierung stimmt oder nicht - nur wenige Male pro Jahr benutzen. Darin wäre doch auch eine Parallele zum Räumungsverkauf wegen Schließung zu sehen, da Sinn und Zweck schließlich ist, den Kunden anzulocken und ihm das Gefühl zu geben, er müsse schnell handeln, damit ihm ein "einmaliges" Angebot nicht durch die Lappen geht.

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