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EuGH: Die Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar

24.10.2016, 09:01 Uhr | Lesezeit: 3 min
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von Anna-Lena Baur
EuGH: Die Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar

Nachdem der EuGH bereits das deutsche Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln gekippt hat (EugH, Urteil v. 11.12.2003, Deutscher Apothekerverband, Rechtssache C-322/01), wackelt jetzt auch die Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente.

Der Europäische Gerichtshof kommt in einem Vorabentscheidungsverfahren zu dem Ergebnis, dass das die gesetzliche Vorschrift, einen einheitlichen Apothekenabgabepreis festzusetzen, den freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union in unzulässiger Weise einschränkt und damit unionsrechtswidrig ist (EuGH, Urteil v. 19.10.2016, Deutsche Parkinson Vereinigung e.V./ Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., Rechtssache C-148/15).

Hintergrund: Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente nach AMG

§ 78 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vor, dass für verschreibungspflichtige Human- und Tiermedikamente ein einheitlicher Apothekenabgabepreis festzuschreiben ist. In Deutschland ist es Apotheken demnach gesetzlich verboten, verschreibungspflichtige Medikamente zu einem anderen als den festgesetzten Preis an Endverbraucher abzugeben, auch wenn ein Preisunterschied durch Preisnachlässe, Boni oder Werbeabgaben verursacht wird.

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Der EuGH hatte in der Sache „Deutsche Parkinson Vereinigung e.V.“ zu klären, ob § 78 Abs. 2 AMG bezüglich Humanmedikamenten für nicht in Deutschland ansässige Apotheken wie eine Einfuhrbeschränkung wirkt und damit eine Einschränkung des freien Warenverkehrs innerhalb der EU darstellt. Die Einschränkung einer der vier Grundfreiheiten ist europarechtlich nur dann zulässig, wenn eine besondere Rechtfertigung vorliegt.

Preisbindung stellt ungerechtfertigte Einschränkung des freien Warenverkehrs dar

Gemäß Artikel 34 AEUV ist es Mitgliedstaaten der Europäischen Union verboten die Einfuhr von Waren aus dem europäischen Binnenmarkt mengenmäßig zu beschränken oder sonstige Maßnahmen mit gleicher Wirkung zu ergreifen. Maßnahmen gleicher Wirkung sind solche, die unmittelbar, mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Binnenhandel einschränken oder einschränken können.

Der EuGH stellte fest, dass die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente, Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten als Deutschland härter treffen, als die auf deutschem Hoheitsgebiet ansässigen Apotheken. Während Apotheken mit Filialen vor Ort einen direkten Zugang zum Konsumenten hätten und zusätzlichen Service anbieten könnten, könnten Online-Apotheken ausschließlich über den Preis auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig bleiben – so der EuGH. Wird den ausländischen Versandapotheken dieser Wettbewerbsvorteil genommen, stellt dies zumindest eine potentielle Einschränkung des Binnenmarktes da, da davon auszugehen ist, dass weniger verschreibungspflichtige Medikamente von ausländischen Online-Apotheken in Deutschland verkauft werden können.

Darüber hinaus sieht der EuGH in einem verstärkten Preiswettbewerb eine Möglichkeit, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu fördern: Für lokale Apotheken könnte es sich lohnen, sich in schlecht versorgten Regionen anzusiedeln, da dort höhere Preis verlangen könnten. Die in § 78 Abs. 2 AMG festgestellte Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit kann demnach nicht mit dem Argument, die Versorgung mit Arzneimitteln in abgelegenen Regionen durch Verhinderung eines Preiskampfes sichern zu müssen, gerechtfertigt werden und ist unionsrechtswidrig.

Bedeutung der EuGH-Entscheidung für Versandapotheken

Grundsätzlich genießt Europarecht – hier Art. 34 AEUV - Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Für deutsches Recht, das mit europäischem Recht nicht vereinbar ist bedeutet das, dass es zwar grundsätzlich in Kraft bleibt, sofern es Unionsrechtswidrig ist aber nicht angewendet werden darf (sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts).

Die Preisbindung aus dem Arzneimittelgesetzt verstößt nur insofern gegen Unionsrecht, als dadurch Apotheken aus dem europäischen Ausland gegenüber deutschen Apotheken benachteiligt werden. Unmittelbar relevant ist das Urteil des EuGHs demnach zunächst für ausländische Versandapotheken und inländische Händler, die mit diesen kooperieren und so an deren Teilnahme am Freien Warenverkehr partizipieren. Für deutsche Apotheken bleibt die Preisbindung zunächst in vollem Umfang anwendbar.

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