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Ja, aber...: Twitter und die urheberrechtlichen Grenzen

22.08.2022, 10:58 Uhr | Lesezeit: 9 min
Ja, aber...: Twitter und die urheberrechtlichen Grenzen

Bilder verbreiten sich im Internet in Überschallgeschwindigkeit – v.a. auf den Plattformen der sozialen Medien. Diese Verbreitung ist so gewollt. Das heißt aber nicht, dass die Rechte des Urhebers hier auf der Strecke bleiben dürfen. In einem aktuellen Urteil des LG München (20.06.2022 - Az.: 32 S 231/21) wurde diesbzgl. nochmal klargestellt, dass das Teilen von Bildern auf Twitter nicht dazu führt, dass jedermann ungefragt dieses Bildmaterial überall nutzen darf. Was beim Posten, Teilen oder Liken von Inhalten in den sozialen Medien alles erlaubt ist zeigt dieser Beitrag…

Posten, teilen, liken - und was das Urheberrecht damit zu tun hat

Beim Posten, Teilen und Liken geht es ja meist um irgendwelche Beiträge - sprich: Texte oder v.a. Bilder sind hier betroffen. Und hier kommt das Urheberrecht ins Spiel: Zentraler Begriff im Urheberrecht ist das sog. „Werk“.

Nach §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG gehören zu den nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützten Werken solche der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Eine nicht abschließende Aufzählung solcher Werke findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 UrhG. Dazu zählen etwa Sprachwerke (Schriftwerke, Reden und Computerprogramme) nach Nr.1, Lichtbildwerke – und damit einfach gesprochen Texte und Bilder.

Doch nicht jede Schöpfung ist per se ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Es kommt maßgebend darauf an, dass eine „persönliche geistige Schöpfung“ im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG vorliegt. Man spricht auch von einer „Schöpfungshöhe“, die zwingend erreicht werden muss. Die Schöpfungshöhe ist erreicht, wenn sich das Werk durch seine Individualität von der Masse des Alltäglichen, Handwerksmäßigen, Banalen abhebt. Dabei werden nicht allzu hohe Anforderungen gestellt, sodass auch Werke geringer Gestaltungshöhe zu schützen sind. Ob die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls.

Gerade wenn es um Texte geht. Und um den Bogen zurück zum Thema Twitter zu spannen, so haben sich bereits Gerichte mit der Urheberrechtsfähigkeit diesbzgl. beschäftigt:
Ein Twitter-Feed, der nicht diese erforderliche Schöpfungshöhe vorweisen kann (und das dürfte wegen der Kürze der Tweets oftmals der Fall sein), ist konsequenterweise nicht urheberrechtlich geschützt (so etwa LG Bielefeld, Beschl. v. 03.01.2017 - Az.: 4 O 144/16; OLG Köln, Urt. v. 08.04.2016 - Az.: 6 U 120/15).

Bei Bildern hingegen schaut es schon anders aus: Hier ist jegliches Bildmaterial urheberrechtlich schutzfähig. Da also bereits einfachste „Knipsbilder“ als Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG gelten, sind auch unprofessionelle Schnappschüsse urheberrechtlich geschützt. – das gilt natürlich auf für getweetete Bilder.

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Was ist verboten?

Das Posten, Teilen, oder Liken sind typische Verwertungshandlungen im Internet. Dem Urheber (und ggf. Lizenznehmer) stehen einige ausschließliche Rechte nach dem UrhG zu. Im Rahmen der Urheberpersönlichkeitsrechte tritt insbesondere § 13 UrhG immer wieder in Erscheinung. Danach kann der Urheber bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.

Die wichtigsten Rechte, die durch Teilen, Verlinken, Liken & Co. berührt werden, sind jedoch die sog. Verwertungsrechte. Die für das Internet wichtigsten Verwertungsrechte sind das Vervielfältigungsrecht (§ 16), das Verbreitungsrecht (§ 17) und insbesondere das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a). Der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Es ist Dritten also ohne Erlaubnis verboten, das Werk des Urhebers zu vervielfältigen (z.B. Kopieren), zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen (z.B. Hochladen).

LG München: Keine Nutzungsberechtigung außerhalb der Plattform

Und nun zurück zu unserem eingangs erwähnten Twitter-Fall des LG München:

Bei dieser gerichtlichen Auseinandersetzung ging es im Kern u.a. um die unerlaubte Online-Nutzung eines Lichtbildes, das auf Twitter geteilt wurde – wobei damit nicht das „Retweeten“ (=teilen) im Streit stand, sondern eine Nutzung außerhalb der Twitter-Plattform. Die Sache lag bereits beim Amtsgericht und wurde nun in der Berufungsinstanz vor dem LG München entschieden.

Der beklagte Bildnutzer argumentierte, dass durch das Teilen des Bildes auf Twitter durch den Kläger die Richtlinien der Online-Plattform Twitter akzeptiert worden seien – und damit eine ungenehmigte Fremdnutzung zulässig sei.
Sowohl das Amts- als auch das Landgericht folgten dieser Argumentation nicht – die Tatsache, dass ein Bild geteilt wird, bedeutet eben nicht, dass auf die urheberrechtlichen Ansprüche verzichtet wird. Das Landgericht stellt dies in den Urteilsgründen wie folgt dar:

"Selbst wenn der Kläger das streitgegenständliche Lichtbild auf Twitter „geteilt“ haben sollte, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Denn damit hat er keineswegs auf seine urheberrechtlichen Ansprüche verzichtet, und insbesondere nicht in jegliche Weiterverbreitung eingewilligt.
Mit einem „Teilen“ des Lichtbildes auf Twitter ist keine Generaleinwilligung zum Zwecke der Weiterverbreitung verbunden. Es kann dahinstehen, ob die Beklage das vom Kläger bei Twitter geteilte Lichtbild hätte „retweeten“ können, denn dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Beklagte hat die streitgegenständliche Fotografie nicht über die „Teilen-Funktion“ weiterverbreitet, sondern von einer anderen Seite, nämlich der F.-Seite des Künstlers „bird berlin“ herunter- und im neuen Kontext auf ihrer eigenen F.-Seite wieder hochgeladen. Das von der Beklagten in ihrer Anlage 1 beschriebene „Teilen“ ist somit irrelevant, denn es beschreibt das weitere Teilen eines bereits bestehenden Inhalts innerhalb eines sozialen Netzwerks, und nicht das Herunter- und Hochladen einer ursprünglich getwitterten Aufnahme bei F.."

Dem Argument, dass die Nutzung durch die Twitter-Richtlinie genehmigt sei, erteilten die Richter schon wegen der fehlenden Anwendbarkeit US-amerikanischen Rechts, auf das diese Richtlinie Bezug eine Abfuhr:

"Die vorgelegte „Richtlinie zur angemessenen Nutzung“ der Internetplattform Twitter (Anlage 2 der Beklagten), nach der für bestimmte Nutzungen keine Genehmigung des Rechteinhabers einzuholen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Richtlinie nimmt Bezug auf das US-amerikanische Recht, indem sie ausführt: „In den USA wird dies als Fair Use (angemessene Nutzung) bezeichnet.“ Vorliegender Sachverhalt spielt sich bereits nicht in den USA ab, sondern in der Bundesrepublik, und ist nach dem Schutzlandprinzip nach deutschem und nicht nach US-amerikanischen Urheberrecht zu beurteilen. Weiterhin stellt die Richtlinie klar, dass gerichtlich entschieden wird, ob es sich bei einer Nutzung um eine „angemessene Nutzung“ handelt und Kriterien wie bspw. kommerzielle Nutzung oder Menge und Anteil des kopierten Werkes nur Argumente sind, welche das Gericht u.a. bei der Prüfung der Angemessenheit der Nutzung berücksichtigen wird. Die Richtlinie ist damit bewusst vage und wenig konkret gehalten, um nur Anhaltspunkte, jedoch keine festen Nutzungskorridore zu definieren."

Posten, teilen, liken - geht oder geht nicht?

Oben haben wir gesehen, welche Form der Nutzung von Bildern schon mal nicht geht. Aber was geht eigentlich im Zusammenhang mit Posten, teilen oder liken? Die Frage ist also, welche dieser Handlungen die (Urheber-/Nutzungs-) Rechte Dritter verletzen könnte.

1. Posten

Wer selbst im Internet eigene Inhalte hochlädt, handelt im Sinne des Urheberrechts möglicherweise im Rahmen einer „öffentlichen Zugänglichmachung“ (§ 19a). Ein solches öffentliches Zugänglichmachen liegt vor, wenn der Inhalt für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet (hier: höchlädt), oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Bloßes öffentliches Zugänglichmachen eigener Inhalte ist also unbedenklich und reicht natürlich für einen Urheberrechtsverstoß selbstverständlich nicht aus.

Aber: Da die Verwertungsform des öffentlichen Zugänglichmachens nur den im Sinne des Urheberrechtsgesetzes Berechtigten zusteht, sollte vom Posten fremder Inhalte abgesehen werden. Die Faustregel gilt hier: Ist der Inhalt, den Sie veröffentlichen möchten, nicht von Ihnen selbst produziert (Foto, Musik oder Video) oder geschrieben (Text), lassen Sie besser die Finger von einer Verbreitung im Internet!

2. Teilen

Das Teilen von Inhalten im Internet und insbesondere in den sozialen Netzwerken ist wie beschrieben eine viel und gern genutzte Funktion. Nur kurz zur Klarstellung hierbei: Während bei Facebook oder Instagram „geteilt“ wird, wird auf Twitter beispielsweise „retweeted“. Bedeutet: Die Benutzer von sozialen Medien können damit ihren Kontakten einen Beitrag empfehlen.

Das ist grds. zulässig, wenn es sich um eigene Inhalte handelt und sofern der Urheber auf seiner eigenen Website eine sog. „Share-Funktion“ vorhält. Denn damit wird ein Einverständnis hergeleitet.

In Sachen Einverständnis gehen die Gerichte (etwa AG Köln, Urt. v. 22.04.2021 - Az.: 111 C 569/19) sogar teilweise noch weiter und fingieren ein solches. Durch die Benutzung von Twitter werde derartigen Nutzungshandlungen stillschweigend zugestimmt. Das Gericht ging hier in einem ähnlichen Fall des Retweetens eines Twitter-Profilbildes ohne Zustimmung des Account-Inhabers von einer zulässigen Nutzung aus, die keine Urheberrechtsverletzung darstellt.
Die Richter aus Köln argumentierten, dass es schon an der notwendigen urheberrechtlichen Verbreitung fehle - denn das Foto sei ja bereits auf der Twitter-Plattform veröffentlicht worden.

Wer also auf Nummer sicher gehen will: Nur teilen (retweeten), wenn der Urheber auf seiner Website eine Möglichkeit zum Teilen seiner Beiträge gibt.

Hier können wir nochmal an die oben erwähnte Entscheidung des LG München anknüpfen: Das klassische Retweeten im Sinne einer Weiterverbreitung auf Twitter stand hier gerade nicht im Streit – sondern eben die Nutzung außerhalb, auf dritten Internet-Präsenzen. Dies dürfte unstreitig unzulässig sein.

3. Liken

Auch der sog. Like-Button ist in den sozialen Medien allgegenwärtig. Den Nutzern wird somit je nach Ausgestaltung die Möglichkeit gegeben, eine positive Stimme abzugeben oder eine befürwortende bzw. ablehnende Haltung zu kommunizieren. Urheberrechtliche Probleme dürften hier weniger auftauchen. Aber wettbewerbsrechtliche Fragestellungen kann das Liken hervorrufen: So hat etwa das LG Hamburg (Urt. v. 10.01.2013, Az. 327 O 438/11) in Sachen Irreführung entschieden, dass mit der Betätigung des „Gefällt mir”-Button bei Facebook nach dem Verkehrsverständnis lediglich eine unverbindliche Gefallensäußerung zum Ausdruck komme, mit der das Netzwerk des betroffenen Nutzers keine weiteren Erwartungen oder Gütevorstellungen verbinde.

Welche Folgen kann eine Urheberrechtsverletzung haben?

Wie immer: Es geht um Abmahnungen. Eine Urheberrechtsverletzung kann gravierende Folgen haben. Womit wir beim klassischen Bilderklau wären:
Der Urheber, dessen Rechte verletzt wurden, kann unter anderem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Durchsetzung dieser Ansprüche beginnt zumeist mit der Einleitung eines Abmahnverfahrens. Zu den etwaigen Schadensersatzansprüchen kommen die Abmahnkosten hinzu, die der Verletzer bei Berechtigung der Abmahnung zu tragen hat, sodass die finanziellen Folgen meist wehtun. Sollte das Abmahnverfahren nicht ordnungsgemäß durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Begleichung der geltend gemachten Forderungen durchlaufen werden, wird der Rechteinhaber wohl den Klageweg beschreiten, welcher mit neuen Kosten zu Buche schlagen kann.

Fazit: Posten, teilen, liken - aber mit Verstand

Wer digitale Inhalte im Internet und insbesondere in den sozialen Medien kopflos weiterverbreitet, setzt sich mitunter großen v.a. urheberrechtlichen Risiken aus. Während das bloße Teilen innerhalb der Funktionalitäten der jeweiligen Plattform bei nichtkommerzieller Nutzung der Plattform in der Regel kein Problem darstellt, sieht es bei einer ungefragten Nutzung außerhalb der Plattformen schon anders aus. Das zeigt die Entscheidung des LG München. Nutzer sollten hier auf Nummer sicher gehen und nur Inhalte selbst einstellen, von denen sie genau wissen, dass diese ohne Einschränkung weiterverbreitet werden dürfen.

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