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What you see is what you get: Pflicht zur Verwendung von Produktbildern im Online-Shop?

11.07.2017, 17:43 Uhr | Lesezeit: 6 min
What you see is what you get: Pflicht zur Verwendung von Produktbildern im Online-Shop?

Im Online-Handel, wo der Verbraucher die angebotene Ware nicht ausgestellt sieht, sind detailreiche Produktbilder meist das für die Kaufentscheidung ausschlaggebende Element. Sie ermöglichen eine genaue Beurteilung der Beschaffenheit und der gestalterischen Eigenschaften der Ware und nehmen so in höherem Maße als textliche Beschreibungen Einfluss auf die Verbraucheraffektion. Doch müssen Produktbilder von Gesetzes wegen überhaupt zwingend bereitgestellt werden, um das Angebot zu kontrastieren? Der nachfolgende Artikel gibt Antwort.

I. Die Bedeutung des Produktbildes im Online-Handel

Weil Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr anders als im stationären Handel keine Möglichkeit haben, angebotene Produkte auf ihre Beschaffenheit, ihr Design und ihre Eignung für den verfolgten Zweck zu überprüfen, sind realitätsgetreue Produktbilder ein, wenn nicht sogar das wesentliche Kriterium jeder Kaufentscheidung. Sie versetzen den Käufer in die Lage, maßgebliche Produkteigenschaften bereits vor dem Kauf visuell zu beurteilen und so das Für oder Wider eines Erwerbs an das subjektive Gefallen anzulehnen.

Zwar ist die Abbildung einer Ware faktisch Bestandteil der Produktbeschreibung. Allerdings löst die Wahrnehmung grafischer Inhalte anders als das Lesen eines umschreibenden Textes eine instinktive und unmittelbare Reaktion aus, welche an die Affektion des Betrachters appelliert und prompt ein endgültiges Zu- oder Abneigungsempfinden hervorruft. Aufgrund ihrer subjektiven Wirkungsweise gehen Produktbilder in ihrem Informationsgehalt und ihrer Aussagekraft für die Attraktivität eines Angebots deutlich über das hinaus, was ein informativer, eigenschaftsbeschreibender Begleittext zu leisten vermag.

Nicht zuletzt deswegen messen deutsche Gerichte Warenabbildungen im Internet eine maßgebliche Stellung bei. So urteilte beispielsweise das OLG Hamm, dass „gerade bei der Betrachtung von Internetseiten visuelle Eindrücke für die Erfassung des jeweiligen Inhaltes von entscheidender Bedeutung [sind]“ und dass „das allgemeine Publikum eine Produktabbildung in einer Internetwerbung daher als maßgeblichen Teil der Produktbeschreibung auf[fasst]" (Urteil vom 04.08.2015 – Az. I-4 U 66/15).

Dieses Verbraucherverständnis, das Produktabbildungen als besondere Komponente der allgemeinen Produktbeschreibung einordnet, bedingt gleichsam die Verbindlichkeit der Darstellung für den später vertraglich vorausgesetzten Umfang des Angebots.

Insofern werden Produktbilder von der Rechtsprechung nämlich regelmäßig als konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne des §434 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Folge qualifiziert, dass der Verkäufer grundsätzlich alles schuldet, was am Blickfang des Produktfotos teilhat. Materielle Abweichungen zwischen abgebildetem und tatsächlich geliefertem Produkt sowie ein gegenüber der Abbildung verminderter Lieferumfang lösen demnach im Allgemeinen mängelbedingte Gewährleistungsansprüche des Käufers aus (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2011 – Az. VIII ZR 346/09).

Stellt der Händler das Produkt in einer Abbildung mit zusätzlicher Ausstattung oder weiteren Bestandteilen dar, die seiner Intention nach nicht am konkreten Angebot teilhaben sollen, besteht zudem die Gefahr von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen aufgrund einer Irreführung über den Angebotsumfang und etwaiges Zubehör im Sinne des §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.

Einer rechtlichen Inanspruchnahme im Falle von Abweichungen zwischen Produktabbildung und Lieferumfang kann nur durch eindeutige und hervorgehobene Hinweise darauf vorgebeugt werden, dass bestimmte Bestandteile der Abbildung nicht auch solche des Angebots sind und mithin nicht Vertragsgegenstand werden.

Für die rechtliche Wirksamkeit derartiger Umfangsbeschränkungen ist allerdings zu beachten, dass diese ebenso wie die Abbildung auch am Blickfang des Angebots teilhaben und sich durch gestalterische Elemente vom übrigen Seiteninhalt so abheben müssen, dass der Verbraucher sie problemlos und unmittelbar wahrnehmen kann (OLG Hamm, Urteil vom 05.06.2014 – Az. I-4 U 152/13).

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II. Pflicht zur Verwendung von Produktbildern?

Ob und inwiefern Händler im elektronischen Geschäftsverkehr dazu verpflichtet sind, die von ihnen angebotenen Artikel mit detailgetreuen Bildern zu verknüpfen, hängt maßgeblich vom Umfang der angebotsbezogenen Verbraucherinformationspflichten ab.

Zwar muss der Händler den Verbraucher nach §312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB vor Vertragsschluss über die wesentlichen Eigenschaften der Ware informieren. Gleiches ergibt sich aus §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Allerdings trifft das Gesetz keine Aussage darüber, in welcher Form diese Informationen bereitzustellen sind. Dem Händler steht es insofern grundsätzlich frei, sich für den Hinweis auf sämtliche wesentliche Eigenschaften eines Textes oder einer grafischen Darstellung zu bedienen, sofern die jeweilige Option nur – wie von Art. 246a §3 Abs. 1 EGBGB gefordert – klar und verständlich ist. Eine allgemeine Pflicht zur Verwendung von Produktbildern kann mithin nicht angenommen werden.

Zu beachten ist aber, dass die Wesentlichkeit von Wareneigenschaften kein starres, allgemeinverbindlich auslegbares Kriterium ist, sondern vielmehr von konkret angebotenen Produkt, dessen kategorischer Einordnung und dessen Verwendungszweck abhängt.

Welche Eigenschaften im konkreten Fall also wesentlich und mithin hinweispflichtig sind, richtet sich nach dem Informationsbedürfnis des Verbrauchers im Vorfeld des Produkterwerbs.

In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass rein textliche Produktbeschreibungen bestimmte, für den Verbraucher im spezifischen Fall wesentliche Eigenschaften (etwa Farbe, Form, Größe, Abmessungen, Zusammensetzung, Kompatibilität) außer Acht lassen oder nicht hinreichend plastisch wiedergeben, sodass der Händler seinem Aufklärungserfordernis nicht zur Genüge nachkommen kann.

Wird das Produkt indes per Grafik abgebildet und in seiner tatsächlichen Beschaffenheit und Erscheinung angezeigt, ist der Verbraucher in der Lage, eine Vielzahl von (gegebenenfalls auch wesentlichen) Eigenschaften bereits aus dem Bild abzuleiten und seine Kaufentscheidung demgemäß zu konkretisieren. Produktabbildungen sind also geeignet, die Pflicht zum Hinweis auf wesentliche Eigenschaften partiell zu erfüllen, und befreien den Händler im Angesicht des Informationserfordernisses davon, mit Blick auf durchschnittliche Erwartungen der Verkehrskreise alle produktspezifischen wesentlichen Eigenschaften manuell zu bestimmen. Mit der Einblendung eines Produktbildes wird die Entscheidung darüber, was als wesentlich gilt, nämlich auf den Verbraucher übertragen, was diesen in die Lage versetzt, das Angebot anhand des Bildes nach den für ihn dominanten Entscheidungskriterien zu beurteilen.

Indem Produktbilder automatisch visuell über individuelle Eigenschaften der abgebildeten Ware aufklären, dient ihre Einblendung einer rechtssicheren Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Produktinformation. Mit wenig Aufwand kann der Händler große Teile seiner Hinweispflicht auf die graphische Darstellung auslagern und stellt gleichzeitig sicher, dass für Verbraucher entscheidende Produktmerkmale von diesen in der Abbildung selbst bestimmt werden. Demgegenüber ist einer rein schriftlichen Produktbeschreibung die Gefahr der Unvollständigkeit immanent und bietet dem Händler wenig Sicherheit bei der Beurteilung, hinreichend über sämtliche wesentlichen Eigenschaften informiert zu haben.

Bestmögliche Sicherheit ob der hinreichenden Umsetzung der Pflichten aus §312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a §1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und aus §5a Abs. 3 Nr. 1 UWG bietet schließlich die Kombination aus Produktabbildung und einer aussagekräftigen Produktbeschreibung. Ein derartiges Informationsangebot zeugt zusätzlich auch von besonderer Kundenfreundlichkeit und Seriosität und schützt den Händler vor informationsmangelbedingten vertraglichen Rückabwicklungen (etwa durch Verbraucherwiderruf).

III. Fazit

Auch wenn ihre Einblendung seit jeher geschäftlicher Standard ist, kann dem Gesetz eine Pflicht zur Anführung von Produktabbildungen im Online-Handel nicht entnommen werden.

Allerdings dienen Bilder der angebotenen Ware der Erfüllung der gesetzlichen Informationspflicht über wesentliche Eigenschaften und bieten dem Händler im Vergleich zu einer reinen textlichen Artikelbeschreibung mehr Rechtssicherheit, tatsächlich über alle verbraucherentscheidungsrelevanten Merkmale aufgeklärt zu haben.

Gleichzeitig erhöhen Produktabbildungen, die an die subjektive Affektion des Kunden appellieren und denen insofern ein Werbewert zukommt, nicht nur die Attraktivität, sondern auch die Kundenfreundlichkeit des Angebots.
Sofern verfügbar, ist die Verwendung von Produktbildern daher nicht nur in rechtlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht unbedingt zu empfehlen.

Dennoch hält die Produktbildnutzung auch gewisse rechtliche Fallstricke bereit.

In diesem Zusammenhang gilt es vor allem zu beachten, Abweichungen zwischen Abbildung und Lieferumfang zu vermeiden und etwaig entgegenstehende Drittrechte am Bildmaterial nicht zu verletzen.

Bei weiteren Fragen zur rechtskonformen Angebotsgestaltung und zur Verwendung von Produktbildern steht Ihnen die IT-Recht Kanzlei gerne persönlich zur Verfügung.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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2 Kommentare

D
David 04.08.2022, 16:52 Uhr
Markenname Aufgedruckt Bestandteil?
Guten Tag,
wie verhält es sich bei Artikeln, bei den der Hersteller auf allen Hersteller- und Händlerfotos mit aufgedruckten Markennamen abbildet, diese aber grundsätzlich ohne Aufdruck von Markennamen geliefert werden.

Beispiel Messbecher, auf allen Fotos werden diese scheinbar mit Aufgedruckten Markennamen angezeigt, geliefert wird ein unbedruckter „Neutraler“.
Werkzeugzange soll laut Bildern den Markennamen auf den Griffen gedruckt haben, geliefert werden nur Zangen in Unternehmensfarben ohne Markennamen Aufdruck.

Auf Nachfrage ist es so vom Unternehmen vorgesehen. Nicht alle Artikel haben den Markennamen aufgedruckt, aber das Unternehmen möchte das man auf Produktbildern Grundsätzlich den Markennamen sieht.
G
Gastxxx 15.02.2017, 11:58 Uhr
Soll man nun daraus ableiten,
daß z. B Dekoelemente wie ein Bildrahmen, Blumen und sonstiges Zubehör entweder mit verkauft werden müssen, obwohl in der Artikelbeschreibung steht, daß nur der Artikel selbst verkauft wird und nicht die Dekoelemente bzw. daß man dadurch abmahnfähig wird?
Also es ist nicht mehr zu begreifen, was und wie geurteilt wird. Geistig und normal denkende Menschen können diesen Unsinn - Entschuldigung - nicht mehr erfassen und verstehen. Es ist doch vollkommen jedem Menschen klar, wenn ein Kleid abgebildet wird auf einem Modell, egal ob menschlich oder als Puppe, nur wie in der Artikelbeschreibung beschrieben das Kleid verkauft wird und nicht auch das Modell oder die Puppe.

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