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EU-Parlament stärkt Verbraucherrechte im Online-Handel

07.10.2019, 09:02 Uhr | Lesezeit: 7 min
von Dr. Bea Brünen
EU-Parlament stärkt Verbraucherrechte im Online-Handel

Im April 2018 stellte die EU-Kommission ihren „New Deal for Consumers“ vor. Das Europäische Parlament hat die geplanten Neuregelungen zur Stärkung der EU-Verbraucherrechte nun verabschiedet. Welche Änderungen es konkret geben wird, erfahren Sie im Folgenden.

A. Ziel und Gegenstand der Richtliniennovelle

Das EU-Parlament hat sich zum Ziel gesetzt, verstärkt von der Begehung von Rechtsverstößen gegen EU-Verbraucherrecht abzuschrecken und diese effektiver als bislang zu ahnden. Um dieses Vorhaben zu realisieren, soll die Durchsetzung von EU-Verbraucherrecht auf Grundlage effektiver Sanktionsinstrumente gestärkt, bestehende Verbraucherschutzvorschriften „modernisiert“ und die Transparenz von Verbraucherrechten verbessert werden. Dafür will das Europäische Parlament vier Richtlinien reformieren:

  • Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG)
  • Die Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU)
  • Die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln (93/13/EWG)
  • Die Richtlinie über Preisangaben (98/6/EG)

B. Mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen und Vergleichsportalen

Bei der Suche nach günstigen Produkten greifen preisbewusste Käufer häufig und gerne auf Vergleichsportale und Online-Marktplätze wie Idealo, Amazon & Co. zurück. Für Kunden und Händler ist dabei oft schwer nachzuvollziehen, warum ein Produkt bei den Suchergebnissen weiter oben angezeigt wird als ein anderes. Häufig ist die gute Platzierung nur darauf zurückzuführen, dass die ersten Plätze als Werbeflächen verkauft werden. Direkt ersichtlich ist dies meist jedoch nicht.

Das EU-Parlament will dieser Praxis einen Riegel vorschieben. Online-Marktplätze und Vergleichsportale sollen künftig zur Bereitstellung gleich einer ganzen Reihe von Informationen verpflichtet werden. Dazu sollen im geplanten Art. 6a der „Verbraucherrechterichtlinie“ folgende zusätzlichen Informationspflichten implementiert werden:

  • Allgemeine Informationen über die „Hauptparameter“ für das Ranking der Angebote, die dem Verbraucher als Ergebnis seiner Suchanfrage auf dem Online-Marktplatz präsentiert werden, sowie das relative Gewicht dieser Parameter gegenüber anderen Parametern; diese Informationen müssen in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der von der Seite, auf der die Angebote angezeigt werden, unmittelbar und leicht zugänglich ist
  • Informationen dazu, ob es sich bei dem Vertragspartner, der die Produkte anbietet, um einen Unternehmer handelt oder nicht
  • In dem Fall, dass der Dritte kein Unternehmer ist, Informationen dazu, dass die Verbraucherrechte keine Anwendung finden
  • Informationen dazu, wie die vertraglichen Pflichten ggf. zwischen dem Drittanbieter und dem Betreiber des Online-Marktplatzes aufgeteilt sind

Diese Informationen sollen nach dem Entwurf des Europäischen Parlaments klar und verständlich und in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise bereitgestellt werden.

Informiert ein Händler nicht über die „Hauptparameter“ für das Ranking, soll dies unter den Voraussetzungen des Art. 7 der „Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“ zudem künftig eine „irreführende und damit unlautere Unterlassung“ darstellen.

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C. Neue Informationspflichten im Fernabsatz

Der ursprüngliche Art. 6 Abs. 1 lit. c der „Verbraucherrechterichtlinie“ sah vor, dass der Händler dem Verbraucher folgende Informationen bereitstellt:

  • die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist
  • gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse
  • gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt

Diese Vorschrift soll künftig abgeändert werden. Konkret sollen Händler in Zukunft dazu verpflichtet werden, folgende Informationen bereitzustellen:

  • die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist
  • seine Telefonnummer und E-Mail-Adresse
  • wenn der Unternehmer andere Online-Kommunikationsmittel bereitstellt, die gewährleisten, dass der Verbraucher etwaige schriftliche Korrespondenz mit dem Unternehmer, einschließlich des Datums und der Uhrzeit dieser Korrespondenz, auf einem dauerhaften Datenträger speichern kann, so umfassen die Informationen auch Angaben zu diesen anderen Kommunikationsmitteln.
  • gegebenenfalls auch die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt

Das bedeutet: Künftig haben Unternehmer, die andere Online-Kontaktwege wie Webformulare vorsehen, die Pflicht über diese anderen Kommunikationsmittel zu informieren. Die Angabe einer Faxnummer ist nicht mehr notwendig.

Eine bedeutende „Feinheit“, die außerdem ins Auge sticht: Die neue Fassung des Art. 6 Abs. 1 lit. c der „Verbraucherrechterichtlinie“ enthält vor den Worten „Telefonnummer und E-Mail-Adresse“ kein „gegebenenfalls“ mehr.

Die Angabe der Telefonnummer und E-Mail-Adresse dürfte damit mit Verabschiedung der neuen „Verbraucherrechterichtlinie“ künftig verpflichtend sein (vgl. zur alten Rechtslage und dem frischen Urteil des EuGH zu der Thematik).

D. „Digitale Dienstleistungen“ unterfallen künftig auch der Verbraucherrechterichtlinie

Bislang galt die „Verbraucherrechterichtlinie“ für Verträge über „digitale Dienstleistungen“ nur, wenn der Verbraucher diese entgeltlich erworben hat. Für Verträge über die Bereitstellung „digitaler Inhalte“ fand sie hingegen auch dann Anwendung, wenn der Verbraucher sie zwar unentgeltlich, jedoch gegen Bereitstellung seiner personenbezogenen Daten erworben hat.

Das bedeutet: Während der Anwendungsbereich der „Verbraucherrechterichtlinie“ für ein Video, das dem Verbraucher gegen Bereitstellung seiner persönlichen Daten wie Name, Webadresse & Co bereits nach bisheriger Rechtslage eröffnet war, fand die Richtlinie auf einen Cloud Computing Service, der dem potenziellen Käufer ebenfalls gegen Bereitstellung seiner personenbezogenen Daten zur Verfügung gestellt wurde, keine Anwendung. Diese nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von digitalen Dienstleistungen und digitalen Inhalten soll es künftig nicht mehr geben.

Die Folge: Die Regelungen der „Verbraucherrechterichtlinie“ gelten damit künftig auch für digitale Dienstleistungen, wenn diese zwar kostenlos, aber gegen Bereitstellung von personenbezogenen Daten wie Name und E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt werden. Anbieter solcher Dienstleistungen müssen in Zukunft sämtliche in der „Verbraucherrechterichtlinie“ normierten Verpflichtungen, wie etwa die Bereitstellung von vorvertraglichen Informationen zu den Zahlungs- und Lieferbedingungen sowie zum Widerrufsrecht, einhalten.

Die „Verbraucherrechterichtlinie“ soll nur dann nicht gelten, wenn der Verbraucher keinen Preis zahlt und das Unternehmen

  • die personenbezogenen Daten ausschließlich erhebt, um den digitalen Inhalt bereitzustellen oder die digitale Dienstleistung im Einklang mit der genannten Richtlinie zu erbringen, oder um rechtliche Pflichten wie eine vorgeschriebene Registrierung zu erfüllen; die Daten dürfen „nicht zu anderen Zwecken“ verarbeitet werden
  • nur Daten wie Informationen über das Gerät des Verbrauchers oder seine Browserhistorie erhebt

E. Mehr Schutz für Verbraucher gegen unlautere Geschäftspraktiken

Nach dem Willen des Europäischen Parlaments soll zudem der Anhang I zur „Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“ um weitere unlautere Praktiken ergänzt werden. Konkret sollen künftig auch folgende Geschäftspraktiken per se als unlauter gelten:

  • Die Behauptung, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne dass sinnvolle und angemessene Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von Verbrauchern stammen.
  • Die Veröffentlichung falscher Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern bzw. die Erteilung des Auftrags an andere juristische oder natürliche Personen, eine falsche Bewertung oder Empfehlung zu veröffentlichen, sowie die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien, die der Werbung für Produkte dient.

F. Neuregelungen zum Widerrufsrecht ersatzlos gestrichen

Der von der EU-Kommission vorgeschlagene „New Deal for Consumers“ sah auch beim Widerrufsrecht elementare Neuregelungen vor.

Die jetzige Rechtslage sieht vor, dass dem Verbraucher grundsätzlich auch dann ein Widerrufsrecht zusteht, wenn dieser einen gekauften Artikel benutzt hat und er ihn aufgrund dessen in einem Zustand an den Händler zurückgibt, in dem die Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache geschmälert ist. Dem Händler steht im Gegenzug gegen den Verbraucher ein Anspruch auf Wertersatz zu. Nach dem Willen der EU-Kommission sollte es künftig kein Widerrufsrecht mehr für eindeutig benutzte Ware geben. Korrespondierend dazu sollte auch die in Art. 14 Abs. 2 der „Verbraucherrechterichtlinie“ verankerte Pflicht des Verbrauchers für die über die Prüfung der Tauglichkeit hinausgehende Benutzung des Produkts Wertersatz zu leisten, entfallen. Diese geplante Neuerung hat das Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht überstanden. Es wird daher bei den altbekannten Regelungen bleiben.

Auch die von der EU-Kommission vorgeschlagene Neuregelung zur Kaufpreiserstattung nach Erhalt der Ware, wird es nicht geben. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass der Händler künftig erst und nur dann verpflichtet sein soll, den Kaufpreis zu erstatten, wenn er die Ware tatsächlich zurückerhalten hat und somit auch einer Prüfung unterziehen konnte. Auch diese Regelung wurde von dem Europäischen Parlament gestrichen. Stattdessen bleibt es auch an dieser Stelle bei der bisherigen Regelung. Händler sind somit auch in Zukunft dazu verpflichtet, den Kaufpreis zu erstatten, sobald sie die widerrufene Ware zurückerhalten haben oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Rücksendung in Auftrag gegeben hat.

G. Fazit

Den vom Europäischen Parlament verabschiedeten Text finden Sie hier.

Die verabschiedete Version wird nun noch dem Berichtigungsverfahren des neu gewählten EU-Parlaments unterzogen. Im Anschluss daran muss noch der Rat zustimmen. Danach bleiben den einzelnen Staaten weitere 24 Monate, um die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Bis Händler konkret von den Neuregelungen betroffen sind, wird somit noch einzige Zeit verstreichen.

Die IT-Recht Kanzlei informiert Sie selbstverständlich über das weitere Gesetzgebungsverfahren und sämtliche aktuellen Entwicklungen.

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