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AG Köln: Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Kauf von eingeschweißten Nasenstents

06.10.2014, 21:02 Uhr | Lesezeit: 4 min
AG Köln: Widerrufsrecht des Verbrauchers beim Kauf von eingeschweißten Nasenstents

Nach Ansicht des AG Köln besteht beim Kauf eines eingeschweißten sogenannten Nasenstents grundsätzlich ein Widerrufsrecht des Verbrauchers. Die Entscheidung basiert auf der Gesetzesgrundlage nach altem Recht, die durch das Umsetzungsgesetz zur Verbraucherrechterichtlinie aufgehoben wurde. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund des Widerrufsrechts nach § 312 d Abs. 4 BGB a.F. (Ware ist nicht für die Rücksendung geeignet) ist nach Ansicht des AG Köln nicht gegeben. Nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei würde allerdings nach neuem Recht hier der gesetzliche Ausschlussgrund des § 312g BGB Abs. 2, Nr. 3 n.F. greifen.

Der beklagte Verbraucher hatte einen eingeschweißten Nasenstent bestellt und die Ware geöffnet. Der beklagte Verbraucher widerrief den Kauf des Nasenstent und schickte den Nasenstent als Widerufsware zurück. Es ging um die Frage, ob einer der Ausschließungsgründe des § 312 d Abs. 4 BGB hier Anwendung findet.

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen
zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde,

Der Nasenstent war weder speziell angefertigt noch nach den persönlichen Wünschen des beklagten Verbrauchers angepasst worden. Es war daher vom AG Köln zu entscheiden, ob hier die Ausschlussvariante „ Ware auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet“ greift. Die Ungeeignetheit der Rücksendung der Ware wäre gegeben, wenn bereits bei erster Abgabe der Ware in den Verkehr eine Wiederverwendung der Ware gesetzlich verboten ist. Ein solcher Verbotstatbestand lässt sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 Medizinproduktgesetz (MPG) herleiten.

§ 4 Verbote zum Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten
(1) Es ist verboten, Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen, zu errichten, in Betrieb zu nehmen, zu betreiben oder anzuwenden, wenn
1. der begründete Verdacht besteht, dass sie die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter bei sachgemäßer Anwendung, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung Verwendung über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden oder
2. das Datum abgelaufen ist, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung nachweislich möglich ist.

Nach Ansicht des Gerichts war hier § 4 MPG nicht berührt. Die Frage des Wertverlustes bei möglichem Wiederverkauf berührt nicht den Ausschlusstatbestand des § 312 d Abs. 2 BGB a.F. sondern begründet lediglich Wertersatzansprüche gegen den beklagten Verbraucher.

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Der neue gesetzliche Ausschlussgrund des § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.

Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 312g Abs. 2 BGB n.F. den vollharmonisierten, abschließenden Katalog der gesetzlichen Ausnahmen vom Widerrufsrecht aus Artikel 16 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83 umgesetzt (s. amtl. Begründung des deutschen Umsetzungsgesetzes zu § 312 g BGB n.F.). nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei würde im vorliegenden Fall § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F. als gesetzlicher Ausschließungsgrund vom Widerrufsrecht greifen.

§ 312g Widerrufsrecht
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
….
3.
Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

Der Nasenstent wurde im vorliegenden Fall verschweißt angeliefert. Fraglich ist, ob aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene die Ware nicht zur Rückgabe geeignet ist, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Leider ist die amtliche Begründung zu § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F. für diese Frage nicht erhellend, so dass mit gesetzessystematischen Gründen argumentiert werden muss.

Der Ausschlussgrund des § 312g Abs. 2, Nr. 3 BGB n.F. wurde neu eingeführt. Es wird nicht auf ein gesetzliches Wiederverwendungsverbot z.B. nach Medizinproduktegesetz Bezug genommen. Es reichen auch Hygienegründe aus, um nach Entfernung der Versiegelung die Geeignetheit der Rückgabe auszuschließen. Der Nasenstent wurde jedenfalls aus Hygiene- oder Gesundheitsgründen verschweißt geliefert.

Nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei ist nach Entfernen der Versiegelung das Widerrufsrecht erloschen. Es wäre mit dem Wortlaut des § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB kaum zu vereinbaren, wenn der Händler auf die Möglichkeit der Desinfektion der Ware hingewiesen werden könnte. Dann würde der Ausschließungsgrund des § 312g Abs. 2, Nr.3 BGB in den meisten Fällen ins Leere laufen. § 312 g Abs. 2 Nr. 6 , der ein Widerrufsrecht bei Entsiegelung von verschweißten Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware ausschließt, stellt auch nicht darauf ab, ob diese Produkte nach Entsiegelung noch wiederverwendbar sind.

Es bleibt die künftige Rechtsprechung zu § 312 g Abs. 2, Nr. 3 BGB n.F, abzuwarten, ob im vorliegenden Fall ein Widerrufsrecht erlischt.

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