LG Frankfurt a.M.: Unterlassungsansprüche bei rechtswidriger Datenverarbeitung nicht durch DSGVO gesperrt
Für die Verletzung von Betroffenenrechten regelt die DSGVO gerichtliche Rechtsbehelfe eigenständig. Darüber, ob für andere Datenschutzverstöße (etwa rechtswidrige Verarbeitungen) die Hilfe nationaler Gerichte in Anspruch genommen werden kann, trifft die Verordnung aber keine Aussage. Teilweise wird vertreten, die DSGVO entfalte hier eine Sperrwirkung, gerichtliche Rechtsbehelfe für andere Datenschutzverletzungen seien nicht vorgesehen. Gegen eine solche Sperrwirkung sprach sich mit Beschluss vom 15.10.2020 (Az. 2-03 O 356/20) jüngst das LG Frankfurt a.M. aus und erkannte einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch für eine rechtswidrige Datenverarbeitung an.
Inhaltsverzeichnis
I. Sachverhalt und Ausgangslage
Die Antragsgegnerin, eine Vermieterin, hatte den Mietvertrag der Antragstellerin öffentlich ausgehängt. Die Antragstellerin sah darin eine rechtswidrige Datenverarbeitung und beantragte eine einstweilige Unterlassungsverfügung.
Die Antragstellerin stützte Ihr Unterlassungsbegehren hierbei auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 6 DSGVO. Immerhin habe die Vermieterin durch öffentliche Zurschaustellung des Mietvertrages personenbezogene Daten der Klägerin preisgegeben, ohne sich hierfür auf eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung berufen zu können.
Die Vermieterin als Antragsgegnerin rügte, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei bereits nicht statthaft. Art. 79 Abs.1 DSGVO sehe gerichtliche Rechtsbehelfe nur bei der Verletzung von Betroffenenrechten nach Art. 13 ff. DSGVO vor. Für sonstige Datenschutzverletzungen gebe es nach Art. 79 DSGVO keinen gerichtlichen Rechtsschutz. Die Vorschrift entfalte insoweit Sperrwirkung.
II. Die Entscheidung
Das Landgericht Frankfurt a.M. erkannte mit Beschluss vom 15.10.2020 (Az. 2-03 O 356/20) einen Unterlassungsanspruch der Klägerin an und gab dem Verfügungsantrag statt.
Der Antragstellerin stehe im Angesicht der offensichtlich rechtswidrigen Datenverarbeitung ein zivilrechtlicher Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 6 DSGVO zu.
Art. 79 entfalte keine Sperrwirkung für die Inanspruchnahme nationaler Gerichte bei DSGVO-Verstößen, die nicht mit der Verletzung von Betroffenenrechten im Zusammenhang stünden.
Nähme man eine Sperrwirkung an, entfiele für solche Datenschutzverstöße die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Dies sei weder auf EU- noch auf nationaler Ebene mit dem Rechtsstaatsgebot zu vereinbaren.
Art. 79 sei zu verstehen, dass er das Rechtsbehelfsverfahren für die Verletzung von Betroffenenrechten nach Art. 13ff. DSGVO zwar besonders regele, für sonstige Datenschutzverletzungen aber keine Regelung treffe und diese mithin den jeweiligen nationalen Rechtsbehelfen zuordne.
III. Fazit
Das LG Frankfurt a.M. entschied mit Beschluss vom 15.10.2020 (Az. 2-03 O 356/20), dass rechtswidrige Datenverarbeitungen mit zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen geahndet werden können. Art. 79 DSGVO, der Rechtsbehelfe für Betroffenenrechtsverletzungen regelt, entfalte keine Sperrwirkung.
Andere Gerichte, etwa das VG Regensburg (Gerichtsbescheid v. 6.08.2020 (RN 9 K 19.1061), sehen dies durchaus anders und sprechen Art. 79 DSGVO eine Sperrwirkung zu.
Bis sich ein einheitliches gerichtliches Meinungsbild formt, kann im Angesicht der recht jungen DSGVO noch Zeit vergehen. Rechtsdogmatisch ist es angezeigt, eine Sperrwirkung der DSGVO nicht anzuerkennen. Nur so ist für alle Verstöße gegen geltendes Datenschutzrecht ein effektiver und verfassungsmäßig gebotener gerichtlicher Rechtsschutz möglich.
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