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Verantwortlichen-Nennpflicht nach LMIV: Vertriebshindernis für Jahrgangsweine und historische Spirituosen?

20.04.2017, 07:54 Uhr | Lesezeit: 13 min
Verantwortlichen-Nennpflicht nach LMIV: Vertriebshindernis für Jahrgangsweine und historische Spirituosen?

Leitfaden zum rechtssicheren Verkauf von Wein über das Internet (Update) Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Leitfaden zum rechtssicheren Verkauf von Wein über das Internet (Update)" veröffentlicht.

Nach der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung sind Shopbetreiber unabhängig vom Hersteller zu diversen produktspezifischen Hinweisen verpflichtet. Kaum eine Informationsanforderung treibt Online-Händler in diesem Zusammenhang so um wie die definitionsfeindliche Pflicht zur Nennung eines verantwortlichen Lebensmittelunternehmers. Im Wein- und Spirituosensegment könnten gesetzliche Unklarheiten und die mangelnde Voraussicht des Verordnungsgebers bei der Ausarbeitung dieses Kriteriums nun gar zu einem faktischen Vertriebsstopp für historische und Jahrgangsspezialitäten führen. Der folgende Beitrag stellt die Problemlage dar und zeigt mögliche Lösungswege auf.

I. LMIV-Verantwortlichkeiten und historische Weine und Spirituosen

Weine und Spirituosen historischer Jahrgänge erfreuen sich unter Kennern großer Beliebtheit, weil sie aufgrund ihrer langen Reifezeit als besonders vollmundig und aromatisch gelten. Gerade in Anbetracht der zu erzielenden, teilweise eklatant hohen Verkaufspreise verwundert es daher nicht, dass sich verschiedenste Händler auf den Verkauf derartiger alter, edler Tropfen spezialisiert haben und in ihren Shops ein Segment gehobener Altersklassen anbieten.

Diesen Online-Verkaufskonzepten könnte die europäische Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) mit ihren Informationspflichten nach Art. 9, nach dessen Buchstabe h stets ein verantwortlicher Lebensmittelunternehmer zu benennen ist, nun aber einen Strich durch die Rechnung ziehen.

1.) Die Problematik des einstmals Verantwortlichen

Die benannte Informationsanforderung hält im Zusammenspiel mit Art. 14 der Verordnung, der den Anwendungsbereich der Hinweiserfordernisse auf den Fernabsatz ausdehnt, nämlich dazu an, im Webshop auf der jeweiligen Produktdetailseite Name oder Firma sowie Anschrift desjenigen Unternehmers anzugeben, unter dessen Name oder Firma das betroffene Lebensmittel vermarktet wird. Ist der Unternehmer außerhalb der Union niedergelassen, wechselt das Subjekt der Angabe hin zum EU-Importeur.

Bei Jahrgangsweine und Spirituosen mit historischem Abfülldatum stellt sich für die angabepflichtigen Händler allerdings nicht selten das Problem, dass der ursprüngliche Winzer oder Kelter, der den Tropfen einstmals vertrieben hatte, sein Gewerbe schon seit Jahrzehnten niedergelegt hat, nicht mehr ausfindig zu machen oder schlechterdings bereits verstorben ist.

Zwar ließe sich das abfüllende Unternehmen und damit ein hinreichender Verantwortlicher grundsätzlich dem jeweiligen Flaschenetikett entnehmen. Viele historische Spezialitäten weisen derartige informationshaltige Label aber nicht auf, weil um das Abfüllungsdatum herum ein entsprechendes gesetzliches Regelwerk noch nicht existierte. Jenseits der Fälle, in denen der maßgebliche Hersteller ohnehin nicht mehr auszumachen ist, liefe die Nennung eines pensionierten oder verstorbenen Weinproduzenten der gesetzlichen Zielsetzung hinter der Verantwortlichen-Benennungspflicht zuwider, mit den Angaben eine hinreichende und effektive Kontakt- und Auskunftsmöglichkeit für Verbraucher hin zum organisatorisch Zuständigen zu schaffen und so in Problemfällen oder bei ernährungsspezifischen Fragen unmittelbare Abhilfe zu gewährleisten.

2.) Faktisches Vertriebshindernis aus Händlersicht

Aus der Schwierigkeit, einen hinreichenden Verantwortlichen für historische Alkoholika zu benennen, hinaus sehen viele Lebensmittel-Händler ihre Vertriebswege durch die LMIV maßgeblich eingeschränkt.

Dies rührt daher, dass sie fürchten, für ihre Produkte das im Online-Handel essentielle Informationskriterium nicht hinreichend umsetzen zu können und so für sich und ihr Gewerbe ein latentes Abmahnrisiko zu begründen, das aus der bestehenden Rechtsunsicherheit erwächst und den Online-Handel mit alten Edeltropfen zu einer wirtschaftlichen sowie rechtlichen Gefahr entarten lässt. Anerkannt ist insofern nämlich, dass die LMIV-Informationspflichten unmittelbar verbraucherschützend wirken und so über §3a UWG mit der Konsequenz ins Wettbewerbsrecht projiziert werden, dass fehlerhafte, unzulängliche oder gänzlich fehlende Angaben als unlautere geschäftliche Handlungen gewertet werden.

II. Die Ermittlung des richtigen Verantwortlichen im Lichte des Art. 8 LMIV

Bevor die Befürchtungen der Vertreiber alterlesener Alkoholika auf ihre Begründetheit überprüft werden und etwaige vom Gesetz für die spezifische Problemkonstellation geschaffene Abhilfemöglichkeiten analysiert werden können, ist zunächst festzustellen, auf wessen Verantwortlichkeit es im Lichte des Art. 8 Abs. 1 LMIV zur Erfüllung der maßgeblichen Informationspflicht grundsätzlich ankommt.

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1.) Uneindeutige Formulierung der Verantwortlichkeit nach Art. 8 Abs. 1 LMIV

Art. 8 Abs. 1 der LMIV begründet eine primäre Verantwortlichkeit für diejenigen Lebensmittelunternehmer, in deren Name oder Firma das Lebensmittel innerhalb der Union vermarktet oder von außerhalb der Union eingeführt wird. Auf diesen Unternehmer müssen Online-Händler in ihren Lebensmittelangeboten grundsätzlich hinweisen.

Bedacht hatte der europäische Gesetzgeber hier aber augenscheinlich nicht, dass der mit dem Fernabsatz befasste Handel oft in keinerlei direktem Kontakt zu den Unternehmen am Anfang der Vertriebskette steht und die primäre Verantwortlichkeit somit anhand von klaren Abgrenzungskriterien und Maßstäben hätte festgesetzt werden müssen, um nicht durch komplexe Herstellungs-, Import- und Handelsprozesse verschleiert zu werden.

Insofern lässt die unglückliche Formulierung der „Produktvermarktung im eigenen Namen oder unter eigener Firma“ einen breiten Interpretationsspielraum zu, welcher zulasten der angabepflichtigen Händler erhebliche Rechtsunsicherheiten begründet. Aus dem Wortlaut der Verordnung geht nämlich nicht eindeutig hervor, ob die Regelung des Art.8 Abs. 1 nun die Hersteller erfassen oder aber die primäre Verantwortlichkeit auf solche Stufen übertragen wollte, welche sich das Produktkonzept zu eigen machen und sodann einen herstellerunabhängigen Vertrieb verfolgen.

Stellte man nur auf den Wortlaut ab, so würde sich das Verantwortlichkeitsspektrum über alle Handelsstufen ausdehnen. Immerhin vermarkten auch Zwischenhändler die betreffenden Produkte per definitionem „unter ihrem Namen oder ihrer Firma“, sofern ein Abverkauf in deren räumlichem Herrschaftsbereich – ob stationär oder online – stattfindet.

2.) Auslegung nach Sinn und Zweck der Informationspflicht im Fernabsatz

Zu einer hinreichenden Abgrenzung und zu verlässlichen Bestimmungskriterien gelangt man indes, wenn man die im Fernabsatz zu benennende Lebensmittelverantwortlichkeit nach Art.8 Abs. 1 auf den Sinn eben dieser Informationspflicht zurückführt.

Die LMIV dient ausschließlich dem Interesse der Verbraucher an möglichst vollständigen Informationen über die Zusammensetzung, Produktion und Herkunft der von Ihnen verzehrten Lebensmittel. So sollen die Pflichtangaben eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen und insbesondere auch eine Grundlage für gesundheitsbezogene, wirtschaftliche, soziale und ethische Erwägungen schaffen.

Sinn und Zweck der Pflicht zur Ausweisung des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers nach Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 lit. h LMIV kann es demnach nur sein, dem Verbraucher die betriebliche Herkunft des entsprechenden Produkts zu offenbaren und insbesondere eine Kontaktmöglichkeit für Beanstandungen, lebensmittelrechtliche Anfragen oder weitergehende Informationen in Bezug auf das jeweilige Produkt zu schaffen.

Zur sachlichen Bearbeitung derartiger Betreffe ist regelmäßig jedoch ausschließlich der EU- Hersteller oder der Importeur als derjenige Lebensmittelunternehmer im Stande, in dessen Betrieb das Lebensmittel produziert oder aufbereitet und sodann für den Handel vorbereitet wird.

Ein Rückgriff des Verbrauchers auf andere Vertriebsstufen, Zulieferer oder Auftragsproduzenten, die Produkte möglicherweise unter ihrer „Firma“ weitergeben, würde insofern beiden Seiten nicht gerecht, da zum einen der Verbraucher nicht damit rechnen kann, von derlei Unternehmern gleichsam adäquate Informationen zu erhalten, und zum anderen die benannten Dritten durch etwaige Anfragen unsachgemäß belastet würde.

3.) Bestimmung des richtigen Verantwortlichen

In Anlehnung an diese Erwägungen ist der mit Name und Anschrift zu benennende Unternehmer, „unter dessen Namen oder Firma das Produkt vermarktet wird“, grundsätzlich derjenige, der das Produkt selbst und in eigenem Namen herstellt oder in dessen Auftrag die Fertigung erfolgt. Maßgeblich kommt es also auf die natürliche oder juristische Person an, welche für das Inverkehrbringen und die Überwachung des Produkts verantwortlich ist und welche das Lebensmittel als zum eigenen Unternehmen zugehörig auf dem Markt präsentiert.

Nur, wenn der Hersteller nicht innerhalb der EU niedergelassen ist, ist auf den Importeur abzustellen stellen, weil dieser sodann mit der Marktbereitstellung und Überwachung innerhalb der Union betraut wird.

Ein derartiges Verständnis entspricht nicht nur dem Schutzzweck der Informationspflichten der LMIV, sondern erhält seine Berechtigung zudem durch eine vergleichende Heranziehung anderer europarechtlicher Kennzeichnungs- und Informationsverordnungen, welche jeweils stets den EU-Hersteller oder den EU-Importeur verpflichten.

Hilfreich kann es zur Verinnerlichung hierbei auch sein, dem Art. 8 Abs. 1 LMIV gedanklich einen anderen Wortlaut zu geben. Zweifel werden ausgeräumt, wenn man den Absatz in Einklang mit den obigen Ausführungen wie folgt liest:

"Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist der Lebensmittelunternehmer,

  • unter dessen Handelsmarke oder Unternehmenskennzeichen das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird, oder,
  • wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt"

4.) Übertragung der Grundsätze auf historische alkoholhaltige Spezialitäten

Wendet man die obigen Kriterien zur Ermittlung des richtigen Verantwortlichen unter besonderer Beachtung des Informationsbedürfnisses von Verbrauchern auf den Vertrieb historischer Weine und Spirituosen an, gelangt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass zur Erfüllung der Informationspflicht aus Art. 9 Abs. 1 lit. h LMIV primär derjenige Unternehmer zu benennen wäre, in dessen Organisationssphäre das Produkt ursprünglich hergestellt und/ oder für den Abverkauf vollständig aufbereitet wurde. Dieser historische Winzer oder Destillateur brachte die Spezialität nämlich originär in den Verkehr und wäre so bestmöglich geeignet, etwaige lebensmittelrechtliche oder ernährungsspezifische Verbraucheranliegen zu adressieren.

Hat der Unternehmer inzwischen, je nach Alter der Spezialität, sein Gewerbe aber niedergelegt oder ist er verstorben oder schlichtweg nicht zu identifizieren, scheitert eine rechtskonforme Umsetzung der Informationspflicht für betroffene Händler augenscheinlich an der Unmöglichkeit der Verantwortlichenbenennung. Insofern geht die LMIV nämlich offensichtlich stets davon aus, dass der als primär verantwortlich bezeichnete Lebensmittelunternehmer seine Produktionstätigkeit nach wie vor uneingeschränkt ausübt.

III. Lösungsansätze und Evaluation für die Alkoholika-Problematik

In Anlehnung an die getroffenen Feststellungen und die für alte Alkoholika meist bestehende Unmöglichkeit der Nennung eines primär Verantwortlichen im Sinne der LMIV sollen im Folgenden verschiedene Lösungsansätze diskutiert werden, die als Subjekt der Informationspflicht eine Person vorsehen, welche nicht der ursprüngliche, teils verstorbene und teils unauffindbare Produzent ist.

1.) Händler benennt sich selbst als Lebensmittelunternehmer

Einige Händler ziehen in ihrer Not, irgendeinen Lebensmittelunternehmer als Verantwortlichen für alterlesene Alkoholika zu benennen, in Erwägung, sich selbst an die Stelle des eigentlichen anzugebenden Lebensmittelunternehmers zu setzen. Dies hilft zwar über die Unmöglichkeit der Ausweisung des historisch Verantwortlichen hinweg, birgt aber gleichwohl ein erhebliches Abmahnpotenzial und ist mit einer gravierenden Rechtsunsicherheit verbunden.

Zu beachten ist nämlich, dass die LMIV-Verantwortlichkeit nicht dispositiv ist, also nicht beliebig von einem Lebensmittelunternehmer in Anspruch genommen und von einem anderen ausgeschlagen werden kann. Nach eindeutigem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 lit. h muss zwingend stets derjenige Unternehmer angegeben werden, der nach Art. 8 Abs. 1 primär zuständig ist. Dies muss wiederum aber zwingend der Lebensmittelunternehmer sein, unter dessen Firma das Lebensmittel innerhalb der EU in Verkehr gebracht oder von außerhalb der EU importiert wird. Letzteres folgt auch daraus, dass die LMIV diesem Verantwortlichen in Art. 8 Abs. 2 die physische Verpackungskennzeichnung auferlegt, sodass im Umkehrschluss nur derjenige primär verantwortlich sein kann, der auch zur Etikettierung der Produkte befugt und im Stande ist. Dies ist aber nicht der Händler.

Im Übrigen trüge die Ausweisung des vertreibenden Händlers als „Verantwortlicher“ dem mit der Pflicht zu bedienenden Informationsbedürfnis des Verbrauchers keine Rechnung, weil dieser als letzter Teil der Handelskette regelmäßig nicht über einen hinreichenden Informationsstand zum Lebensmittel verfügt, mit dem er Verbraucheranliegen zielführend bearbeiten könnte.

2.) Rückgriff auf den Lieferanten als Bezugsquelle

In Ermangelung der Kompetenz zur Ausweisung des ursprünglichen Produzenten ließe sich ferner überlegen, als Verantwortlichen denjenigen Unternehmer zu benennen, der die historischen Produkte – gegebenenfalls aus Lagerbeständen – aufkauft und für den gewerblichen Weiterverkauf einlagert und schließlich vorbereitet. Ein derartiger Lieferant, welcher die alten Alkoholika an nachgelagerte Handelsstufen vertreibt, bringt diese zwar nicht originär in Verkehr und verkauft sie auch nicht unter seiner Handelsmarke oder seinem Unternehmenskennzeichen. Derartige Herkunftshinweise wird der Lieferant zur Wahrung der Authentizität und Historie des Produkts nämlich regelmäßig nicht anbringen.

Dennoch steht bei fehlender Existenz des ursprünglichen Herstellers derjenige Unternehmer, der die alten Weine und Spirituosen einlagert und schließlich an den Handel abgibt, dem Produkt informatorisch am nächsten und wird am ehesten in der Lage sein, auf etwaige Verbraucheranliegen einzugehen. Insofern könnte er Aufschluss über seine Bezugsquellen, seine Lagerbedingungen und seine qualitativen Einkaufskriterien geben, die bestmöglich Rückschlüsse auf das konkrete Produkt zulassen und den Informationsstand aller nachgelagerten Handelsstufen übertreffen.

Auch rechtlich ist diese Einschätzung vertretbar. Zu beachten ist nämlich, dass die historischen Spezialitäten nur dann weiterhin verkauft werden dürfen, wenn sie mit den geltenden Lebensmittelstandards im Einklang stehen. Kann dies vom ursprünglichen Produzenten nicht mehr gewährleistet werden, muss für die Einhaltung des Lebensmittelrechts zwangsweise der nachgelagerte Distributeur einstehen, damit das betroffene Produkt nicht verantwortungslos auf dem Binnenmarkt kursiert und gegebenenfalls Gefahrenpotenzial entwickelt. Hieran knüpft auch die grundsätzliche Definition des „Lebensmittelunternehmers“ aus der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 an, die als solchen diejenige natürliche oder juristische Person festlegt, die dafür verantwortlich ist, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden.

Mit der Kollektion historischer Weine und Spirituosen übernimmt der Erstlieferant, der diese sodann nach einer Zeit des Vertriebsstillstands wieder auf dem Markt bereitstellt, also die Verantwortung für die lebensmittelrechtliche Konformität des alten Produkts. Dies legt es nahe, ihm auch die informatorische Bürde des Art. 8 Abs. 1 LMIV aufzuerlegen und ihn somit als für Lebensmittelinformationen ebenfalls Verantwortlichen einzustufen.

Nur so ließe sich nämlich eine lückenlose Einhaltung auch des Lebensmittelinformationsrechts sicherstellen und gerade das Informationsbedürfnis des Verbrauchers befriedigen.

Dass eine Regelung zur verantwortungsrechtlichen Nachfolge eines historischen Inverkehrbringers in der LMIV indes fehlt, wird letztlich allein dem Umstand geschuldet sein, dass Produkte, die vor dem 13.12.2014 in Verkehr gebracht wurden, gemäß Art. 54 Abs. 1 LMIV auch ohne eine verordnungskonforme physische Kennzeichnung weiterhin vermarktet werden dürfen. Tritt ein Lebensmittelunternehmer als Lieferant also lebensmittelrechtlich in die Fußstapfen eines historischen Produzenten, ist er zur Nachetikettierung der alten Produkte aufgrund der genannten Übergangsregelung nicht verpflichtet und insofern kein unmittelbarer Pflichtadressat der LMIV. Dennoch muss er aber dem Sinn und Zweck nach gleichwohl diejenige Person sein, auf die Händler zur Erfüllung ihrer Online-Kennzeichnungspflichten (diese gelten OHNE Übergangsregelung) hinzuweisen haben.

Auf eine derartige Strategie greifen nach derzeitigem Stand alle großen Online-Händler zurück, die historische Alkoholika anbieten. Als Verantwortlicher wird hier derjenige ausgewiesen, der das alterlesene Produkt aus seinen Lagerbeständen an den Handel abgibt.

Achtung: die Benennung des Erstlieferanten einer historischen Spezialität zur Erfüllung der Hinweispflicht auf den Verantwortlichen ist nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei möglich. Bis zu einer endgültigen Klärung der Frage durch die Rechtsprechung ist ein derartiges Vorgehen aber gleichwohl mit einer gewissen Rechtsunsicherheit behaftet.

3.) Benennung des Importeurs bei außereuropäischen Produkten

Vollständige Rechtssicherheit bei der Ausweisung des richtigen Verantwortlichen für historische Weine und Spirituosen kann nach derzeitigem Sachstand nur erlangt werden, wenn das betroffene Jahrgangsprodukt aus einer außereuropäischen Kelterei oder Destillerie stammt und von einem europäischen Unternehmer importiert wurde.

Für derlei Fälle legt die LMIV in Art. 8 Abs. 1 die Verantwortlichkeit eindeutig dem Importeur auf, der sich der Marktbereitstellung in der EU widmet.

Dieser kann sodann ohne Auslegungs- und Definitionsschwierigkeiten vom Händler angeführt werden.

IV. Fazit

Bei der Festlegung der primären Verantwortlichkeiten für die informatorische Lebensmittelkennzeichnung nach der LMIV ist der europäische Verordnungsgeber offensichtlich ausschließlich von Konstellationen ausgegangen, in denen der ursprüngliche Hersteller seine Fertigungstätigkeit ungehindert und fortlaufend ausübt. Online-Händler, die sich auf den Vertrieb historischer Jahrgangsweine und –spirituosen spezialisiert haben, stellt diese gesetzgeberische Tendenz vor die meist kaum lösbare Aufgabe, zur Erfüllung ihrer Informationspflicht im Internet einen hinreichend gesetzeskonformen produktverantwortlichen Lebensmittelunternehmer auszuweisen. Schließlich ist der originäre Winzer oder Destillateur je nach Alter des Erzeugnisses oftmals bereits verstorben oder hat zumindest seine gewerbliche Tätigkeit niedergelegt. In anderen Fällen scheitert schon die Identifizierung der tatsächlichen betrieblichen Herkunft der alterlesenen Spezialität.

Kommt eine Nennung des ursprünglichen Produzenten aus den genannten Gründen nicht in Betracht, sollten Händler keinesfalls ihre eigenen Daten zur Verfügung stellen und sich selbst als Verantwortlichen ausweisen. Die Zuständigkeitshierarchie der LMIV verfolgt nämlich ein rigides Konzept und verbietet es grundsätzlich, nach freiem Ermessen neue Verantwortlichkeiten zu begründen und andere auszuhebeln.

Gerade in Anbetracht der mit der Informationspflicht verfolgten Zielsetzungen, Verbrauchern einen unmittelbaren Quellkontakt zu lebensmittelrechtlichen und ernährungsspezifischen Informationen zu bieten, ist es nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei aber möglich, als Verantwortlichen denjenigen Lieferanten zu benennen, der die alten Produkte einlagert und auf dem Markt zum Wiederverkauf erneut bereitstellt. Dieser steht den Produkten informatorisch nämlich am nächsten und ist auch nach anderen europäischen Lebensmittelrechtsakten als Pflichtiger gehalten, für das alte Produkt die geltenden Standards zu wahren.

Freilich verbleibt bei Verfolgung dieses Ansatzes ein gewisses Restrisiko der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung. Ein vollständiger Verzicht auf die Ausweisung eines Verantwortlichen wird von Wettbewerbshütern allerdings als deutlich gravierender Verstoß gewertet werden.

Vollständig rechtssicher lässt sich ein Verantwortlicher für historische Lebensmittel im Ergebnis nur dann benennen, wenn die gereifte Spezialität aus einem außereuropäischen Drittland in die EU importiert wurde. Hier ist in Anlehnung an Art. 8 Abs. 1 LMIV als Subjekt der Informationspflicht stets derjenige Unternehmer anzugeben, der das Produkt in die Union einführt.

Über neue Erkenntnisse zur Problematik der Verantwortlichennennung beim Vertrieb historischer Lebensmittel hält die IT-Recht Kanzlei Sie auf dem Laufenden und steht Ihnen bei etwaigen Fragen gerne persönlich zur Verfügung.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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2 Kommentare

I
IT-Recht Kanzlei 20.04.2017, 09:34 Uhr
Wann ist ein Produkt ein Lebensmittel?
Haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar und die weitergehende Rechtsfrage.

Ob es sich bei einem Produkt um ein Lebensmittel handelt, ist anhand des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zu bewerten, auf den die LMIV verweist. Lebensmittel sind hiernach alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Werden Jahrgangsweine oder historische Spirituosen verkauft, kommt es für die Lebensmitteleigenschaft entscheidend darauf an, ob das jeweilige Produkt originär zum Verzehr bestimmt war. Dass es aufgrund voranschreitenden Alters zunehmend ungenießbarer wird, kann die rechtliche Einordnung nicht abbedingen. Die Eignung zur Aufnahme besteht nämlich unabhängig vom konkreten Geschmack fort, zumal auch die angesprochenen Verkehrskreise schon allein aus der Betitelung des Produkts als „Wein“ oder „Spirituose“ eine Verzehrfertigkeit ableiten.

Eine Deklaration solcher Alkoholika als „Sammlerstücke“ vermag an der lebensmittelrechtlichen Einordnung damit ebenfalls nichts zu ändern. Die maßgebliche Zweckbestimmung der „Aufnahme durch Menschen“ kann nicht durch Aussagen des Händlers aufgehoben werden, sondern muss sich im Interesse der Rechtsklarheit allein nach dem allgemeinen Verkehrsverständnis und den diesem zugrundeliegenden Lebenssätzen und – erfahrungen richten.
J
Joselito 19.04.2017, 19:15 Uhr
Herr
Sehr aufschlußreicher Artikel, vielen Dank dafür.

Interessant wäre noch der Aspekt, inwiefern es rechtssicher ist entsprechende historische Weine & Spirituosen gar nicht als Lebensmittel anzubieten, sondern ausschließlich als Sammlerstück, das gar nicht für den Verzehr vorgesehen ist.

Insbesondere bei sehr alten Weinen oder Zwischenerzeugnissen und Aperitifs ist die Chance sehr groß, dass sie im eigentlichen Sinne nicht mehr für den Verzehr taugen bzw. nicht schmecken. Zudem werden aus meiner Erfahrung heraus oft Produkte wegen des Packagings und/oder zur Dekoration oder als repräsentatives Element rein mit einer Sammlerintention erworben, aber eben nicht zum Verzehr. Würde mich über eine Einschätzung dazu freuen...

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