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OLG Celle: Ein Händler muss nicht von sich aus über eine bestehende Herstellergarantie informieren

06.04.2020, 11:02 Uhr | Lesezeit: 8 min
OLG Celle: Ein Händler muss nicht von sich aus über eine bestehende Herstellergarantie informieren

Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren? Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren?" veröffentlicht.

Die Frage, ob Händler, die gar nicht mit einer bestehenden Herstellergarantie für das von Ihnen angebotene Produkt werben wollen aufgrund einer gesetzlichen Informationspflicht zur Erwähnung der Garantie gezwungen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG Celle entschied nun, dass keine Pflicht für den Verkäufer besteht.

Worum geht es?

Garantiewerbung ist seit Jahren mit das größte Einfallstor für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.

Die Werbung mit einer Garantie rechtssicher zu gestalten, ist nicht trivial. Es müssen – wird auch nur das Wörtchen „Garantie“ erwähnt – umfassende Informationen erteilt werden, von Hinweisen etwa zu Name und Anschrift des Garantiegebers und zum räumlichen Geltungsbereich bis hin zur Darstellung der konkreten Garantiebedingungen.

Wie eine rechtssichere Garantiewerbung gelingt, veranschaulichen die Muster, die Update-Service-Mandanten kostenfrei zur Verfügung stehen.

Um diese Abmahnproblematik zu umschiffen, verzichten viele Händler ganz darauf, eine für das Produkt bestehende Garantie zu erwähnen.

Doch auch hierbei drohen neuerdings Abmahnungen. Insbesondere der bekannte Abmahnverband IDO mahnt reihenweise Händler ab, die Produkte, für die eine Herstellergarantie besteht, ohne Erwähnung dieser Herstellergarantie anbieten.
In der Tat besteht eine gesetzliche Informationspflicht, die eine Information des Verbrauchers über bestehende Garantien für die angebotenen Waren seitens des Händlers vorsieht. Diese ergibt sich aus Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB.

Die juristischen Hintergründe erläutern wir Ihnen in diesem Beitrag.

Nur Verkäufergarantie oder auch Herstellergarantie erfasst?

Eine Garantie kann sowohl vom Verkäufer der Ware selbst, als auch von deren Hersteller eingeräumt werden. Letzteres ist der Standard, ersteres die Ausnahme.

Dies bedeutet – will man die gesetzliche Informationspflicht als auch in Bezug auf eine Herstellergarantie bestehend ansehen – einen erheblichen Recherche- und Pflegeaufwand für den Händler.

Denn dieser muss dann zunächst einmal nachforschen, welche seiner Produkte mit einer Herstellergarantie „ausgestattet“ sind, sich dann auf die Suche nach den zutreffenden Garantiebedingungen machen und diese auf dem aktuellen Stand halten, also die Garantiebedingungen in seinen Angeboten aktualisieren, wenn der Hersteller an diesen Änderungen vornimmt.

In der Praxis ein ganz erheblicher Aufwand, insbesondere für Händler, die ein breites Sortiment führen, in welchem sich viele Artikel unterschiedlicher Hersteller befinden, die jeweils eine Herstellergarantie versprechen.

Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich nicht, dass eine vom Hersteller versprochene Garantie von der Informationspflicht über bestehende Garantien ausgenommen wäre.

Von der Rechtsprechung wird diese Frage jedoch unterschiedlich beantwortet. Das OLG Celle hat nun entschieden, dass ein Händler nicht über eine bestehende Herstellergarantie zu informieren hat.

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Die Entscheidung des OLG Celle

Das OLG Celle war die Berufungsinstanz in einem vom Abmahnverband IDO aus Leverkusen geführten Unterlassungsverfahren, welches dem IDO zunächst in vor dem LG Hannover eine Niederlage bescherte.

Das LG Hannover entschied im September 2019, dass der vom IDO abgemahnte Händler nicht über eine Herstellergarantie für die von ihm angebotene Ware informieren musste. Wir berichteten bereits hier über dieses Verfahren.

Der IDO ging gegen das Urteil des LG Hannover in Berufung zum OLG Celle, die nun entschieden wurde. Doch auch dort fing er sich eine herbe Niederlage ein.

Mit Urteil vom 26.03.2020, Az.: 13 U 73/19 entschieden die Richter am OLG nun ebenfalls, dass der beklagte Händler alles richtig gemacht hatte. Er bot im Februar 2019 bei eBay.de eine Bohrmaschine der Marke Metabo an. Der Hersteller Metabo räumt auf dieses Produkt eine Herstellergarantie ein.

Der Händler erwähnte diese Metabo-Garantie in seinem eBay-Angebot mit keinem Wort.

Daran störte sich der IDO, weil er darin einen Verstoß gegen die Informationspflicht über bestehende Garantien sah.

Der Senat beim OLG Celle stellte zunächst fest, dass die Norm des Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB durchaus von ihrem Wortlaut her auch eine Garantie erfasst, die vom Hersteller eingeräumt wird, mithin eine Anwendung der Vorschrift auch auf den vorliegenden Sachverhalt denkbar wäre.

Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sei jedoch davon auszugehen, dass die von Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB angeordnete Informationspflicht erst dann bestehe, wenn der Händler sich im Rahmen seines Angebots in irgendeiner Form auch auf die Herstellergarantie auch bezieht (also diese z.B. durch eine Aussage wie „2 Jahre Herstellergarantie“ erwähnt).

Andernfalls müsse der Händler – der vielleicht gar nichts vom Bestehen einer solche Garantie weiß - selbst nach einer solchen bestehenden Garantie erst recherchieren und auch die Aktualität seiner Angaben dazu überwachen. Dies sei für die Händler, die nicht immer direkt mit dem Hersteller in Verbindung stehen, ein erheblicher Aufwand, der auch zu Preiserhöhungen führen könne, müssten die Händler die aufgrund der Bejahung der Informationspflicht in jedem Falle umsetzen.

Das OLG argumentiert hier also mit reinen Praxiserwägungen gegen den doch recht eindeutigen Wortlaut des Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB an und lehnt mit dem Argument des hohen Umsetzungsaufwands in der Praxis eine Informationspflicht über eine bestehende Herstellergarantie ab, erwähnt der Verkäufer diese Garantie in seinem Angebot nicht.

Darüber hinaus argumentierte der Senat, dass es auch die Vertragsfreiheit dem Händler gestatte, über eine bestehende Herstellergarantie gar nicht zu informieren und eine solche Information für den Verbraucher auch nicht relevant sei, weil er im Zweifel davon ausgehen müsse, dass eine Herstellergarantie nicht bestehe und er dann ja beim Händler auch nachfragen könne.

Im Bereich des Fernabsatzrechts, einem extrem regulierten Rechtsgebiet wohl mit den weitgehendsten Verbraucherschutzregelungen überhaupt, ein „interessanter“ Argumentationsansatz.

Nahezu jede gesetzliche Informationspflicht greift in die Vertragsfreiheit ein, weil sie dem Händler vorschreibt, mit welchem Inhalt er sein Angebot zu gestalten hat.

Wenn man sich vor Augen hält, welche sinnbefreiten Informationspflichten im Fernabsatz existieren (etwa zur Speicherung und Zugänglichmachung des Vertragstextes), erscheint die Information des Verbrauchers über den Umstand des Bestehens und den Inhalt einer bestehenden Herstellergarantie für die Ware, für die er sich interessiert als nicht gerade unwichtig.

Immerhin bekommt der Käufer dann einen zweiten Schuldner an die Hand, stimmt etwas mit der Ware nicht und erspart sich u.U. den lästigen Nachweis im Rahmen seiner gesetzlichen Mängelrechte, dass die Ware bereits von Anfang an mangelhaft war, hat er überdies eine Haltbarkeitsgarantie des Herstellers auf die Kaufsache eingeräumt bekommen.

Auch mit dem Ansatz der Möglichkeit des Nachfragens durch den Käufer lässt sich gegen jegliche händlerseitige Informationspflicht anstinken, kann man doch nahezu alles „erfragen“.

Die Bedeutung der Reichweite der von Art. 246a § 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB angeordneten Informationspflicht hat der Senat jedenfalls erkannt und die Revision zum BGH zugelassen.

Seit wann interessieren sich die Gerichte für die Praxistauglichkeit gesetzlicher Vorgaben?

Wer mit Abmahnungen und Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht zu tun hat, weiß eines ganz gewiss: Mit Praxistauglichkeit und einer wirklichen Relevanz für die Marktteilnehmer hat das Tagesgeschehen schon lange nichts mehr zu tun.

Daher kann man sich angesichts der Entscheidungsgründe im Urteil des OLG Celle nun verwundert die Augen reiben. Haben die Richter nun tatsächlich endlich einmal ein Einsehen mit den stets geplagten Onlinehändlern und legen gesetzliche Vorgaben anhand von Praxiserwägungen aus?

So schön das Ergebnis in diesem Fall für den Händler ist, so recht überzeugen mag die Argumentation des OLG Celle nicht. Es wirkt fast so, als sollte auf Biegen und Brechen eine Rechtfertigung für eine vorgefertigte Meinung geschaffen werden.

Die derzeitige Rechtslage im Onlinehandel gängelt die Händler an allen Ecken und Enden mit umfassenden Informationspflichten.

Sei es die Pflicht zur Angabe sämtlicher wesentlicher Merkmale der Ware oder die zahlreichen produktspezifischen Kennzeichnungspflichten bei bestimmten Waren (etwa bei Lebensmitteln oder Chemikalien): Auch hier muss der Händler umfassend recherchieren, die Daten u.U. mühsam beschaffen und stets aktuell halten, da längst nicht jeder Hersteller hier Daten (korrekt) bereitstellt und bei Produktänderungen die Händlerschaft hierüber informiert.

Von daher vermag die Begründung des OLG zur Ablehnung der Informationspflicht nicht so richtig überzeugen.

Eigentlich schade, hätte man bei der Entscheidung einer anderen streitgegenständlichen Frage im Verfahren womöglich eine wahre Entlastung für den Onlinehandel schaffen können…

Nicht nur materielle Fragen

Denn das OLG Celle musste sich neben dieser materiell-rechtlichen Fragestellung auch mit einem Zulässigkeitsproblem der Klage beschäftigen:

Es ging (mal wieder) um die Frage, ob der Abmahnverband IDO rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG handelt. Hätten die Richter einen Rechtsmissbrauch bejaht, wäre dem IDO seine Klage alleine aus diesem Grund krachend um die Ohren geflogen.

Dieses Mal ging es um den Vorwurf, der IDO würde nur rein passive Mitgliedschaften zu lassen. Die dem als eingetragenen Verein organisierten Abmahnverband beigetretenen Mitglieder könnten somit ohne ersichtlichen Grund von der Willensbildung des Vereins ausgeschlossen sein, obwohl der IDO sich seiner Satzung nach doch der Förderung der Interessen seiner Mitglieder auf die Fahnen geschrieben hat.

Ob das zusammen passt, da hatte das OLG wohl recht deutliche Fragezeichen. So beschleicht den Senat nach den Gründen der Eindruck, der Vorstand des Verbands könnte den Verband zu dem Zweck unterhalten, durch das Verfolgen von Wettbewerbsverstößen für den Verband Einnahmen zu generieren und die für die Erlangung der Abmahnbefugnis notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung im Verein auszuschließen, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden.

Von daher erscheint es fraglich, ob der IDO in die Revision gehen wird.

Denn würde der BGH ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des IDO bejahen, dann würden vermutlich ganz schnell die Lichter ausgehen.

Fazit

So begrüßenswert das Urteil des OLG Celle für die Händler erscheinen mag, umso weniger überzeugt dessen Begründung.

Hierfür primär Praxiserwägungen vor den klaren Gesetzeswortlaut zu stellen, verspräche eine spannende Revision. Doch eine solche wird es wohl eher nicht geben, geht es dabei doch aus ganz anderen Gründen für den IDO um alles oder nichts.

Eine Entwarnung in Sachen Verschweigen von Herstellergarantien kann daher leider noch nicht gegeben werden. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil etwa mit OLG Hamm ein anderes Obergericht angedeutet hat, eine entsprechende Informationspflicht auch bei einer verschwiegenen Herstellergarantie zu sehen (darüber aber nicht zu entscheiden hatte) und mehrere Landgerichte bereits diese Pflicht bejaht haben. Aufgrund des fliegenden Gerichtsstands bei Mitbewerberabmahnungen werden die Abmahner dann primär solche Gerichte anrufen, die dieser Linie folgen.

Es bleibt also spannend!

Sie wurden auch vom IDO-Verband abgemahnt oder wollen Abmahnungen von vorne herein vermeiden? Wir sichern Sie ab

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