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Vergaberecht: Fehlende geforderte Erklärungen führen nicht in jedem Fall zum Ausschluss.

02.03.2009, 09:42 Uhr | Lesezeit: 5 min
Vergaberecht: Fehlende geforderte Erklärungen führen nicht in jedem Fall zum Ausschluss.

Es ist ein eigentlich ehernes Gesetz: Fordert eine Behörde in ihren  Ausschreibungsunterlagen Preisangaben oder Erklärungen und werden diese vom Bieter nicht eingereicht, dann wird er ausgeschlossen. Dabei sieht die Rechtsprechung das gemäß § 25 Nr.2 VOL/A lit. a) und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) bestehende Ermessen der Behörde in der Regel auf Null reduziert. Dies verlangt das für das Vergaberecht geltende Diskriminierungsverbot.

Würde man dem Bieter die Gelegenheit geben, eine geforderte Erklärungen nach Angebotsabgabe nachzureichen oder würde die fehlende Erklärung als unbeachtlich angesehen, würden alle die Bieter diskriminiert, die eine geforderte Erklärungen fristgerecht abgeben haben.

Nun hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle  mit Beschluss vom 02.10.2008, Az. 13 Verg 4 /08 sich für einen Ausnahmefall von dieser Regel entschieden.

1.    Sachverhalt

Eine Vergabestelle hatte den Rück- und Neubau einer Brücke europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. In den Verdingungsunterlagen wurden die Bieter darüber informiert, dass das Angebot vollständig sein müsse und unvollständige Angebote ausgeschlossen würden. Die Bieter wurden unter anderem aufgefordert, die von ihnen angebotenen Einheitspreise nach Material- und Lohnkostenanteilen aufzugliedern.

Die Vergabestelle informierte die Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Ein Bieter, der ein nichtberücksichtigtes Angebot abgegeben hatte, rügte die beabsichtigte Vergabe u. a. damit, dass das zu berücksichtigende Angebot in mehrfacher Hinsicht unvollständig und daher zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen sei. Das Angebot enthalte u.a. eine unzulässige Mischkalkulation und weise keine Aufgliederung in Material- und Lohnkostenanteile aus. Nach dem der Rüge nicht entsprochen wurde, stellte er einen Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer Lüneburg wies mit Beschluss vom 26. Juni 2008 ohne mündliche Verhandlung den Nachprüfungsantrag des Bieters zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB unzulässig sei.

„Eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin scheidet aus, weil ihr Angebot wegen fehlender Aufgliederung in Material- und Lohnkosten zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen war“

Dies sah das OLG Celle, das mit sofortiger Beschwerde angerufen wurde, anders.

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2.    Entscheidungsgründe

2.1    Antragsbefugnis

Das OLG Celle entschied, die Antragsbefugnis könne entgegen der  Auffassung der Vergabekammer Lüneburg nicht mit der Begründung verneint werden, das Angebot der Antragstellerin sei wegen der fehlenden Aufgliederung des Einheitspreises nach Material- und Lohnkostenanteilen zwingend von der Wertung auszuschließen. Ob die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss vorliegend tatsächlich gegeben seien, sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.

2.2    Kein Ausschlussrecht wegen fehlender Preisaufschlüsselung

Das OLG Celle war darüber hinaus der Ansicht, dass die Vergabestelle nicht deswegen zum Ausschluss des rügenden Bieters  berechtigt war, weil dieser den angegebenen Einheitspreis nicht in die Preise für den Lohn- und Materialkostenanteil aufgeschlüsselt und im Angebot gesondert ausgewiesen hatte.

Zwar seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Angebote, die § 21 Nr.1 Abs.1 und 2 VOB/A nicht entsprächen, weil ihnen geforderte Preisangaben oder Erklärungen fehlten, gemäß § 25 Nr.1 Abs.1 lit. b VOB/A zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen. 
Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter ausgerichtetes Vergabeverfahren sei nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben würden. Damit ein Angebot gewertet werden könne, sei deshalb jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht werde. Verlange die Vergabestelle die aufgegliederte Angabe von Einheitspreisen, so müsse der Bieter dies auch befolgen. Ansonsten sei sein Angebot nicht vollständig.

Aber einem Ausschluss steht nach Auffassung des OLG  Celle wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) entgegen. Das Gericht beruft sich hier auf die Vorgaben des Bundesgerichtshofs, wonach zum einen die vom Bieter bekannt zu gebenden Parameter auf solche beschränkt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, und zum anderen der Gedanke von Treu und Glauben zu den von den öffentlichen Auftraggebern zu beachtenden rechtlichen Grundlagen nach § 97 Abs.7 GWB gehört Es gelte daher

„…..der Grundsatz, dass beim Fehlen von Preisen und geforderten Erklärungen ein Angebot zwingend auszuschließen ist, ausnahmsweise dann nicht, wenn die Unvollständigkeit eine unbedeutende und sich auf den Wettbewerb nicht auswirkende Position betrifft und wenn der Auftraggeber selbst bei der Wertung der verschiedenen Angebote zu erkennen gibt, dass es ihm auf die geforderte Angabe in keiner Weise ankommt Dadurch widerlegt der Auftraggeber die grundsätzliche Annahme, dass den von ihm in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Preisangaben und Erklärungen Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt. In einem solchen Ausnahmefall, in dem die geforderte Angabe als reiner Formalismus anzusehen wäre, stellt sich der Ausschluss eines Angebots, das diese Angaben nicht enthält, durch den Auftraggeber als Verstoß gegen den auch im Vergabeverfahren geltenden Grundsatz von Treu und Glauben dar.“

Das OLG Celle sah diese Ausnahmesituation für den zu entscheidenden Fall aus folgenden Gründen als gegeben an.
Die Vergabestelle hatte  in ihren Vorgaben bei sämtlichen Leistungspositionen die Angebote der vier gewerteten Bieter gegenübergestellt und die Kategorien „Material“ und „Lohn“ bei allen Bieter mit.0.00. angesetzt, obwohl -mit Ausnahme des Antragsteller der sofortigen Beschwerde- alle Bieter die Einzelpreise zu diesen Kriterien wie im Leistungsverzeichnis gefordert aufgeschlüsselt angegeben hatten.
Das OLG Celle sah hierdurch Folgendes als erwiesen an:

„…Damit hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Aufschlüsselung gemessen am Gesamtangebot der Bieter absolut unbedeutende Position (0,001% der Gesamtangebotssumme) selbst nicht für vergaberelevant hält mit der Folge, dass ein darauf gestützter Ausschluss des Angebots der Antragstellerin oder anderer Bieter nicht möglich ist.

3.    Fazit

Die Entscheidung des OLG Celle ist nachvollziehbar. Schützt sie doch den Bieter, wenn geforderte Angaben offensichtlich nicht für die Entscheidungsfindung der Vergabestelle von Bedeutung sind. Ein Ausschluss wäre dann eine reine Förmelei.

Anderseits vertieft sie die Unsicherheit der Vergabestelle. Hier gilt die Regel, werden geforderte Erklärungen nicht abgegeben, wird der Bieter ausgeschlossen, so unwesentlich die Forderung auch ist.

Nun muss sich die Vergabestelle mit der Frage herumplagen, ob ein solcher Ausschluss nicht ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt. Wer aber mit Ausnahme der Gerichte weiß schon genau, wann ein solcher Verstoß vorliegt?

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