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Goodbye Flüsterpost: Einführung eines innerbetrieblichen Chats nicht mitbestimmungspflichtig

05.03.2009, 15:44 Uhr | Lesezeit: 4 min
Goodbye Flüsterpost: Einführung eines innerbetrieblichen Chats nicht mitbestimmungspflichtig

Neben den traditionellen Kommunikationswegen im Betrieb besteht mittlerweile durchaus auch die Möglichkeit, einen eigenen Mitarbeiter-Chatroom einrichten. Die Einführung eines solchen ist dabei per se nicht mitbestimmungspflichtig. Dies hat in einem jüngeren Urteil das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) entschieden (Beschluss vom 30.01.2009, Az. 16 A 2412/07).

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Eine norddeutsche Universität ließ im Herbst 2006 eben einen solchen Chatroom in einer ihrer Bibliotheken installieren. Dieser war allen Mitarbeitern der auf mehrere Standorte verteilten Bibliothek zugänglich und sollte insoweit die Lärmbelästigung, die in den Lesesälen regelmäßig durch Telefongespräche entstand, mindern; des weiteren entstand durch den Chat die Möglichkeit zur Online-Konferenz im Chatroom sowie zur Fernwartung der angeschlossenen Terminals durch den Systemadministrator. Die Teilnahme an diesem Chat wurde in das Belieben der einzelnen Mitarbeiter gestellt, die anderen Kommunikationswege (insbesondere Telefon und E-Mail) blieben parallel hierzu erhalten.

Ein Mitarbeiter beantragte hierauf beim Kanzler der Universität die Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens über die Einführung dieses Chats. Der Kanzler lehnte die Einleitung dieses Verfahrens ab; der Mitarbeiter erhob daraufhin – erfolglos – Klage zum VG Aachen (Beschluss vom 12.07.2007, Az. 16 K 1715/06) und später Beschwerde zum OVG NRW.

Dieses hatte nun im Endeffekt zu klären:

  • ob durch den Chat die technische Überwachung der Mitarbeiter möglich wird;
  • ob der Chat eine grundlegend neue Arbeitsmethode ist; und
  • ob der Chat eine Maßnahme zur Hebung der Produktivität bzw. zur Arbeitserleichterung darstellt.

Diese Rechtsfragen wurden vom OVG NRW allesamt verneint. Im Einzelnen führte das Gericht hierzu aus:

Der Chat ermöglicht keine technische Überwachung der Mitarbeiter, denn

„[…] das Chat-Programm ist bereits objektiv nicht geeignet, Aussagen über das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu liefern. […] Denn auch ein als „offline“, d.h. als aktuell nicht gesprächsbereit verzeichneter Teilnehmer kann an seinem Arbeitsplatz anwesend sein, während umgekehrt ein Beschäftigter, der „online“ ist, seinen Arbeitsplatz (vorübergehend) verlassen haben kann.“

Der Chat sei auch keine grundlegend neue Arbeitsmethode, denn schließlich

„[…] gehört es zu den Arbeitsmethoden der Bibliothek der Fachhochschule, dass die Beschäftigten miteinander kommunizieren, um etwa den Abstimmungsbedarf zu erfüllen, der durch die Verteilung der Bibliothek auf mehrere Standorte entsteht. […] Vor diesem Hintergrund wird keine neue Arbeitsmethode eingeführt, wenn der Beteiligte lediglich die Möglichkeiten der Beschäftigten erweitert, d.h. ihnen weiterhin die herkömmliche Besprechung, das Telefongespräch sowie den E-Mail-Verkehr anbietet und nur als zusätzliche technische Option ein Chat-Programm zur Verfügung stellt. An der Konzeption, die Arbeit durch die Methode der Kommunikation zu erledigen, ändert sich nichts.“

Der Einsatz des Chats stelle ferner keine Maßnahme zur Hebung der Produktivität dar, denn

„[…] unter diesen Mitbestimmungstatbestand fallen Maßnahmen, die darauf angelegt sind, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, d.h. die Güte oder die Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern. […] Auf eine Zuweisung zusätzlicher Aufgaben ist der Beteiligte aber weder aus noch wäre die Hebung der Arbeitsleistung eine unausweichliche Folge, wenn Konferenzen via Chat abgewickelt werden. Der Beteiligte hat keine zusätzliche Arbeit vorgesehen, die die Beschäftigten in der eingesparten Zeit erledigen sollen. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Bibliotheksbeschäftigten mit der bisherigen Arbeitsmenge überlastet sind und gerade der Einsatz des Chat- Programms sie in die Lage versetzen soll, ihr Arbeitspensum innerhalb der regulären Arbeitszeit zu schaffen. Den Beschäftigten steht im Gegenteil ein großer Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der bei einer Chat-Konferenz möglichen vermehrten geistig-psychischen Belastung entgegen zu wirken. So können Chat- Konferenzen jederzeit ohne nennenswerte Rüstzeiten einberufen werden und bieten sich damit bereits für einzelne oder für sich genommen geringfügige Besprechungspunkte an. Auf diese Weise käme es zu kurzen Konferenzzeiten, die die Konzentration sogar weniger beanspruchen können als eine Konferenz herkömmlicher Art, die üblicherweise erst dann angesetzt wird, wenn sich der Wegeaufwand für mehrere Tagesordnungspunkte rechnet.“

Obwohl diese Entscheidung in erster Linie den öffentlichen Dienst betrifft, hat sie auch Modellcharakter für private Betriebe, da sich hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auch auf

  • Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), sowie
  • die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)

erstreckt. Insoweit hat das OVG NRW quasi vorweg Fragen zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung eines innerbetrieblichen Chats beantwortet. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass dies nur insoweit gilt, als der Chat unter den grundsätzlich gleichen technischen und sonstigen Voraussetzungen im Betrieb eingeführt wird; in diesem Falle dürfte dann aber eine Mitwirkung des Betriebsrates tatsächlich entfallen.

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1 Kommentar

R
Rene Werth 23.04.2015, 08:13 Uhr
Bemerkenswert
Das Urteil ist äußerst bemerkenswert, existieren doch mittlerweile viele Beispiele für BV's zum Thema Instant Messaging in unterschiedlichsten Unternehmen, die anderer Auffassung sind als in diesem Urteil geschildert. Hat dieses Urteil noch Bestand oder gibt es zu diesem Thema zwischenzeitlich anders gelagerte Urteile? Offensichtlich ist es ja bereits 6 Jahre her.

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