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BGH: Mehrdeutige AGB-Klausel zu pauschaliertem Schadenersatz bei Zahlungsverzug unzulässig

17.08.2020, 11:51 Uhr | Lesezeit: 3 min
von Julius Ulrich
BGH: Mehrdeutige AGB-Klausel zu pauschaliertem Schadenersatz bei Zahlungsverzug unzulässig

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Fernabsatzhandel unerlässlich, um Kunden mit gesetzlich vorgeschriebenen Informationen zu Vertragsschluss und Vertragsdurchführung zu versorgen und um das geltende Recht bestmöglich zu Gunsten des Verwenders zu modifizieren. Für letzteres Bestreben existieren aber gesetzliche Grenzen. AGB-Klauseln können unwirksam sein, wenn sie von der Rechtslage derart abweichen, dass sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Mit Urteil vom 10.06.2020 (Az. VIII ZR 289/19) hat der BGH im Angesicht dessen jüngst eine AGB-Klausel über pauschalierte Ersatzbeträge im Falle eines Zahlungsverzugs für unwirksam und unzulässig erklärt. Lesen Sie mehr zur Entscheidung.

I. Der Sachverhalt

Das beklagte Unternehmen, ein Energieversoger, hatte in seinen AGB unter anderem die folgende Klausel verwendet:

„3. 2 Preis bei Zahlungsverzug
(je Vorgang)
Zahlungseinziehung durch einen Beauftragten
(Inkassokosten; umsatzsteuerfrei) 34,15 Euro

Gegen diese Klausel wandte sich der Klägerin, ein Verbraucherschutzverband. Die pauschale Berechnung der Verzugskosten sei nicht zulässig. Das beklagte Unternehmen verstoße gegen §309 Nr. 5 lit. a BGB, weil die Pauschale den im normalen Fall entstandenen Schaden übersteige.

Nach § 309 Nr. 5 lit. a BGB sind AGB-Klauseln unwirksam, die einen pauschalierten Schadensersatzanspruch des Verwenders vorsehen, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt.

Vorliegend stufe die Klausel Kosten der Zahlungseinziehung pauschal als Inkassokosten ein und unterwerfe sie dem Pauschalbetrag. Insofern deklariere die Klausel als Maßnahmen der Zahlungseinziehung aber auch weniger kostenintensivere Betreibungstätigkeiten wie die automatische Versendung von Zahlungsaufforderungen durch einen Beauftragten. Diese würde aber nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge aber nie mit einem so hohen Betrag zu Buche schlagen.

Die Klägerin begehrte die Unterlassung der Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht ließ wegen der besonderen Bedeutung der Sache aber die Revision zum BGH zu.

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II. Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH verurteilte das beklagte Unternehmen dazu, die Verwendung der inkriminierten Klausel zum „Preis bei Zahlungsverzug“ zu unterlassen.

Entscheidend für den Fall sei die Auslegung der Klausel unter Berücksichtigung des Verständnisses eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden.

Wende man dieses Laienverständnis an, seien vorliegend mehrere Auslegungsergebnisse denkbar. Deswegen müsse im Sinne von §305c Abs. 2 BGB stehts die kundenfeindlichste Auslegungsmöglichkeit verwendet werden.

Die kundenfeindlichste Auslegungsmöglichkeit sei, dass die Pauschale auch Kosten für eine außergerichtliche Forderungseintreibung außerhalb der Einschaltung eines Inkassodienstes, etwa die systeminterne Versendung von Zahlungsaufforderungen durch einen Dritten, abgelte.

Dementsprechend ließe sich aber über die Kostenpauschale von 34,15 Euro auch ein deutlich überzogener Ersatz für Arbeits- und Zeitaufwand fordern, der tatsächlich in dieser Höhe nicht anfalle. Somit sei die Klausel unwirksam und könne nicht Vertragsbestandteil werden.

III. Fazit

Die rechtskonforme Forderung pauschalierter Ersatzbeträge in AGB ist mit großen Hürden verbunden. Wie das aktuelle Urteil des BGH zeigt, sind pauschalierte Ersatzforderungen in AGB nur in den seltensten Fällen wirksam formuliert.

Hintergrund ist, dass die Forderung von Pauschalbeträgen zur Abgeltung von Schadensersatzansprüchen dem Klauselverbotstatbestand des § 309 Nr. 5 BGB unterworfen und ohnehin nur in engen Grenzen zulässig ist.

Hinzukommt, dass die Mehrdeutigkeit einer solchen Klausel immer zu Lasten des Verwenders geht. Kann eine Klausel vom Verkehr auf mehrere Weisen verstanden werden, so ist Bewertungsmaßstab nach § 305c Abs. 2 BGB grundsätzlich die kundenfeindlichste Variante.

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