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1-jährige Beweislastumkehr für Mängel nach neuem Kaufrecht auch für Altverträge?

12.01.2022, 11:38 Uhr | Lesezeit: 4 min
1-jährige Beweislastumkehr für Mängel nach neuem Kaufrecht auch für Altverträge?

Zum 01.01.2022 ist im Zuge der Kaufrechtsreform die Beweislastumkehr für Mängel zugunsten von Verbrauchern von 6 Monaten auf 1 Jahr angehoben worden. Seitdem wird das Vorhandensein eines Mangels ab Lieferung und mithin das Eingreifen von Mängelrechten bei Verbrauchsgüterkäufen innerhalb eines Jahres vermutet. Ob diese Ausdehnung auch für Altverträge vor dem 01.01.2022 gilt, beantworten wir in diesem Beitrag.

I. Ausdehnung der Mängelvermutung auf 1 Jahr zum 01.01.2022

Gewährleistungsrecht, also Rechte wegen Mängeln an der Kaufsache, können Käufer nur geltend machen, wenn der Mangel bereits bei Gefahrübergang (Lieferung der Sache) vorhanden bzw. dessen Ursache bereits zu diesem Zeitpunkt angelegt war.

Für Mängel, die erst in der Sphäre des Käufers und aufgrund seiner Verantwortlichkeit auftreten, haben Händler nicht einzustehen.

Für die Mangelhaftigkeit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist grundsätzlich der Käufer beweispflichtig.

Zugunsten von Verbrauchern besteht bei B2C-Geschäften hier aber ein Privileg in Form einer Beweislastumkehr:

Innerhalb eines gewissen Zeitraums nach der Lieferung wird grundsätzlich vermutet, dass die Mangelhaftigkeit bereits seit Gefahrübergang bestanden hat und dass dem Verbraucher deswegen Mängelrechte zustehen.

Will der Händler eine gewährleistungsrechtliche Verantwortlichkeit zurückweisen, muss also er beweisen, dass der Mangel nicht schon bei Gefahrübergang vorlag, sondern auf eine (unsachgemäße) Behandlung durch den Verbraucher zurückzuführen ist.

Der Zeitraum, binnen dessen sich Verbraucher auf die Beweislastumkehr berufen konnten, betrug bis zum 31.01.2021 6 Monate ab Gefahrübergang.

Zum 01.01.2022 wurde er nun aber durch § 477 Abs. 1 BGB auf 1 Jahr angehoben.

Seitdem gilt: zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein Mangel, wird zugunsten von Verbrauchern bei Verbrauchsgüterkäufen (Verkäufen von einem Unternehmer an einen Verbraucher) vermutet, dass die Ware bereits seit Gefahrübergang mangelhaft war.

Beispiel:

Ein Verbraucher kauft bei Händler A am 1. Januar einen Fernseher, der am 08. Januar geliefert wird. 11 Monate später, also am 08. Dezember, macht der Verbraucher gegenüber A einen Sachmangel geltend. Dieser besteht darin, dass sich bei Betrieb auf dem Bildschirm vereinzelte schwarze Punkte zeigen, also einzelne Farbzellen ausfallen.

Nach alter Rechtslage vor dem 01.01.2022 hätte der Verbraucher bei seiner Reklamation am 08. Dezember selbst beweisen müssen, dass die Fehlfunktion der Farbzellen bereits bei Lieferung vorhanden bzw. ihre Ursache bei Lieferung angelegt war. Ohne eine solche Beweisführung hätte Händler A jegliche Gewährleistung ablehnen können. Immerhin hätte der Zeitraum für die Beweislastumkehr 6 Monate nach der Lieferung, also am 08. Juli, geendet.

Nach neuer Rechtslage, wenn also der Kauf am 01.01.2022, die Lieferung am 08.01.2022 und die Reklamation am 08.11.2022 erfolgt wäre, griffe zugunsten des Verbrauchers die erweiterte Beweislastumkehr von einem Jahr ein und die Mängelhaftigkeit der Farbzellen schon im Zeitpunkt der Lieferung würde vermutet. Um sich Gewährleistungsansprüchen zu entziehen, müsste Händler A nun beweisen, dass der Mangel nicht schon bei Lieferung vorhanden war, sondern vielmehr auf einen unsachgemäßen Gebrauch erst in der Sphäre des Verbrauchers zurückzuführen ist.

Eine Ausnahme gilt wegen der besonderen Schadensanfälligkeit nur bei lebenden Tieren, wo der Zeitraum der Beweislastumkehr weiterhin 6 Monate nach Gefahrübergang beträgt.

Weitere Informationen zur ausgedehnten Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen nach neuem Kaufrecht stellen wir in diesem Beitrag zur Verfügung.

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II. Geltung der neuen 1-jährigen Beweislastumkehr auch für Altverträge?

Zwar gilt die 1-jährige Beweislastumkehr nach § 477 Abs. 1 erst seit dem 01.01.2022.

Beantwortet ist damit aber nicht, ob der neue Zeitraum rückwirkend auch für Verträge anzuwenden ist, die vor dem 01.01.2022 geschlossen wurden.

Antwort auf diese Frage gibt allerdings Art. 229 § 58 des Einführungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB).

Dort heißt es:

Auf einen Kaufvertrag, der vor dem 1. Januar 2022 geschlossen worden ist, sind die Vorschriften dieses Gesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis einschließlich 31. Dezember 2021 geltenden Fassung anzuwenden.

Daraus ergibt sich also, dass die erweiterte Beweislastumkehr von einem Jahr nicht rückwirkend auf Altverträge anzuwenden ist. Sie gilt vielmehr erst und ausschließlich bei Verträgen, die seit dem 01.01.2022 geschlossen wurden.

Für Verträge, die vor dem 01.01.2022 geschlossen wurden, gilt nach § 477 BGB in seiner vorherigen Fassung die bisherige Beweislastumkehr für die Mangelhaftigkeit von 6 Monaten.

III. Fazit

Zum 01.01.2022 wurde bei Verbrauchsgüterkäufen (B2C-Verkäufen) die Beweislastumkehr für die Mangelhaftigkeit zugunsten von Verbrauchern von 6 Monaten auf 1 Jahr erweitert.

Anzuwenden ist der neue Zeitraum aber nur für Verträge, die seit dem 01.01.2022 geschlossen worden sind.

Für Altverträge, die vor dem 01.01.2022 geschlossen wurden, bleibt es bei der vorherigen Beweislastumkehr von 6 Monaten.

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