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Österreichische Onlinehändler seit Januar 2016 zur barrierefreien Gestaltung ihrer Website verpflichtet

11.01.2016, 13:25 Uhr | Lesezeit: 5 min
Österreichische Onlinehändler seit Januar 2016 zur barrierefreien Gestaltung ihrer Website verpflichtet

Seit dem 01 Januar 2016 müssen nicht nur wie bisher staatliche österreichische Stellen sondern auch österreichische Online-Händler ihren Online-Shop barrierefrei gestalten. Österreichische Online-Shops gelten als barrierefrei, wenn sie für Behinderte ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Was sind genau die konkreten Standards für die barrierefreie Gestaltung von Online-Shops und mit welchen Sanktion müssen Unternehmer rechnen, die ihren Online-Shop künftig nicht barrierefrei gestalten? Lesen Sie dazu folgenden Beitrag.

Tipp: In dem Zusammenhang auch interessant - Ein Interview von VersaCommerce mit Herrn Magister Wainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands Österreich zum Thema "Barrierefreie Online-Shops in Österreich".

1. Was ist die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung des Online-Shops?

Das österreichische Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in der Fassung vom 9.1.2016 (BGStG) unterwirft jetzt auch Unternehmer (und nicht nur staatliche Stellen), ihre Webseiten bzw. Online-Shops barrierefrei zu gestalten (§ 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2 BGStG). In der Gesetzessprache spricht man hier von mittelbarer Diskriminierung. Laut amtlicher Begründung zu § 5 Abs. 2 BGStG ist eine mittelbare Diskriminierung auch bei Einsatz von nicht barrierefreier Softwaregestaltung gegeben.

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2. Welche Standards muss der österreichische Onlinehändler bei der Gestaltung einer barrierefreien Online-Shops beachten?

Hier gibt der Gesetzgeber keine klaren Regeln.

Es gibt die amtlichen Erläuterungen des österreichischen Bundeskanzleramtes zum Thema Barrierefreiheit (https://www.ag.bka.gv.at/at.gv.bka.wiki-bka/index.php/Barrierefrei:Begriffe). Demnach sind IT-Produkte barrierefrei, wenn sie für alle in Frage kommenden Nutzergruppen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Leider gibt es aber keine gesetzlichen verbindlichen Standards oder Regelungen, was barrierefreie Online-Shops denn konkret nachweisen müssen.

Für die nähere Bestimmung verweist das Bundeskanzleramt auf die internationalen Richtlinien für barrierefreie Online-Shops, wie sie in deutscher Übersetzung von der deutschen Behindertenhilfe Aktion Mensch e.V.veröffentlicht wurden.

Es gibt hier drei Stufen A (minimale Anforderungen), AA (mittlere Anforderung), AAA (maximale Anforderungen).

Die Wirtschaftskammer Österreich hat in einer Veröffentlichung zum Thema Barrierefreie Websites auf Seite 5 und 6 hat eine nützliche Checkliste für barrierefreie Websites erarbeitet:

  • Für jeden Nicht-Text-Inhalt sind Text-Alternativen bereitzustellen, so dass er in eine andere von Menschen erforderliche Form (Großschrift, Braille, Sprache, Symbole, einfachere Sprache) geändert werden kann (1.1 – Erfolgskriterien entsprechen Stufe A)
  • Für zeitgesteuerte Medien (Audio- und Videodateien) sind Alternativen bereitzustellen (1.2 – Stufen A, AA und AAA)
  • Inhalte sind so zu gestalten, dass diese auf verschiedene Weise ohne Verlust an Information oder Struktur (wie einfacheres Layout) präsentiert werden können (1.3 – Stufe A)
  • Erleichtertes sehen und hören der Inhalte, einschließlich des Vorder- und Hintergrunds, für die Nutzer soll ermöglicht werden (1.4 – Stufen A, AA, AAA)
  • Das Ausführen aller Funktionalitäten per Tastatur ist sicherzustellen (2.1 – Stufen A, AAA)
  • Nutzer sollen ausreichend Zeit haben, um Inhalte zu lesen und zu verwenden (2.2 –Stufen A, AAA)
  • Inhalte sind so zu gestalten, dass keine epileptischen Anfälle ausgelöst werden (2.3 – Stufe A, AAA)
  • Orientierungs- und Navigationshilfen sowie Hilfen beim Auffinden von Inhalten sind bereitzustellen (2.4 – Stufen A, AA, AAA)
  • Texte sind lesbar und verständlich zu gestalten (3.1 – Stufen A, AA, AAA)
  • Webseiten sind so zu gestalten, dass Darstellung und Funktionsweise voraussagbar sind (3.2 - Stufen A, AA, AAA)
  • Zur Vermeidung und Korrektur von Fehlern sind unterstützende Funktionen bereitzustellen (3.3 Stufen A, AA, AAA)
  • Die Kompatibilität mit Benutzeragenten einschließlich assistierender Technologien ist sicherzustellen (4.1 – Stufe A)

Für das Überprüfen von Online-Shops auf Barrierefreiheit verweist die Wirtschaftskammer in ihrer o.g. Veröffentlichung auf das automatisierte Testwerkzeug von W3C: http:// validator.w3.org/. Der Einsatz dieses Testwerkzeuges zur Überprüfung der Tastaturbedienbarkeit, Skalierbarkeit oder zur Ansicht von CSS, Javascript und Bildern kann hilfreich sein.

3. Gelten die Verpflichtungen zur barrierefreien Gestaltung der Website auch für deutsche Onlinehändler, die Waren in Österreich vertreiben?

Nein, die durch österreichisches BStG eingeführten Verpflichtungen gelten nicht für deutsche Onlinehändler, die Waren in Österreich vertreiben. § 2 Abs. 2 BStG stellt klar, dass sich dieses Gesetz nur an Unternehmen richtet, für die eine unmittelbare österreichische Regelungskompetenz gegeben ist. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der deutsche Onlinehändler beim Vertrieb von Waren in Österreich eine österreichische Niederlassung einschaltet.

4. Mit welchen Sanktionen muss der österreichische Onlinehändler rechnen, der künftig seinen Online-Shop nicht barrierefrei gestaltet?

Er muss mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen eines betroffenen behinderten Nutzers des Online-Shops rechnen, der den Online-Shop des Onlinehändlers ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe nicht nutzen kann.

Da das BStG nach österreichischem Recht eine zivilrechtliche Vorschrift ist, kann ein Betroffener materiellen oder immateriellen Ersatz des Schadens verlangen, den er auf Grund der nicht barrierefreien Gestaltung des Online-Shops des Onlinehändlers erlitten hat.

Die Rechtsfolgen bei Verletzung der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung des Online-Shops sind in § 9 BStG geregelt. Demnach hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung (§ 9 Abs. 1 BStG). Nach österreichischem Recht setzt Schadensersatz grundsätzlich Rechtswidrigkeit und Verschulden voraus. Der Schaden, den eine diskriminierte Person nach dem BStG erlitten hat, ist auf zivilrechtlichem Weg einzuklagen (§ 10 Abs. BStG). Die betroffene Person muss darlegen, dass ihr durch die erschwerte Nutzung des Online-Shops des Onlinehändlers ein Vermögensschaden entstanden ist. Den Ausgleich des immateriellen Schadens wegen erlittener persönlicher Beeinträchtigung setzt der Gesetzgeber auf pauschal mindestens 1000 Euro an (§ 9 Abs. 2 BStG).

Der Geltendmachung des Betroffenen von Schadensersatzansprüchen vor einem ordentlichen Gericht setzt zwingend ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumsservice voraus. Wenn der Betroffene vor den ordentlichen Gerichten klagen will, muss er der Klage eine Bestätigung des Sozialministeriumsservice beifügen, dass eine gütliche Einigung nicht erzielt werden konnte.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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1 Kommentar

H
Holly 12.01.2016, 14:20 Uhr
Sitz in Deutschland - Onlinehandel auch in Österreich
Hallo, wie verhält sich die Verpflichtung wenn eine deutsche Gesellschaft (mit Sitz in Deutschland) auch in Österreich einen Online-Shop betreibt?


Gibt es einen Unterschied B2B und B2C?
Vielen Dank

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