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Urheberrechtlicher Auskunftsanspruch: Bei Rechtsverletzungen in Tauschbörsen

21.11.2008, 14:55 Uhr | Lesezeit: 5 min
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von Verena Eckert
Urheberrechtlicher Auskunftsanspruch: Bei Rechtsverletzungen in Tauschbörsen

Der neue § 101 UrhG beschäftigt die Gerichte und die Nutzer von Tauschbörsen im Internet gleichermaßen. Die große Frage ist vor allem, wann ein „gewerbliches Ausmaß“ erreicht ist. Denn erst dann greift der neue Anspruch.

Durch den seit 01.09.2008 gültigen § 101 UrhG besteht ein Auskunftsanspruch der Urheber gegenüber dem jeweiligen Provider im Falle einer Rechtsverletzung. Die Urheber können damit von Providern verlangen, dass sie ihnen die tatsächliche Identität der hinter einer IP-Adresse stehenden Person mitteilen. Erst dadurch werden die Urheber in die Lage versetzt, ihre Ansprüche gegen die Rechtsverletzer, etwa Nutzer von Internettauschbörsen, geltend zu machen.

Da IP-Adressen sog. Verkehrsdaten nach § 3 Nr. 30 TKG sind und der Auskunftsanspruch nur unter der Verwendung der IP-Adressen erfüllt werden kann, muss nach § 101 IX UrhG der in seinem Recht Verletzte (also der Urheber oder der Inhaber der Nutzungsrechte) eine vorherige richterliche Anordnung beim Landgericht erwirken.

Der Anspruch gegen Provider auf Auskunft über die hinter einer IP-Adresse tatsächlich stehende Person ist nun – und das ist die große Neuerung - auf zivilrechtlichem Weg anstatt wie bisher über eine Strafanzeige möglich. Die Zuständigkeit für die richterliche Anordnung liegt ausschließlich bei dem Landgericht, bei dem der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat.

Der Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG besteht allerdings nur, wenn der Rechtsverletzer in einem „gewerblichen Ausmaß“ tätig war. Dieses Ausmaß kann sich laut Gesetzeswortlaut sowohl aufgrund der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben. Eine genauere Umschreibung oder gar eine Definition, wann das gewerbliche Ausmaß erreicht ist, gibt § 101 UrhG nicht an. Von daher obliegt es nun den Gerichten, zu entscheiden, wann ein „gewerbliches Ausmaß“ vorliegt.

Das LG Frankenthal (Beschluss vom 15.09.2008, Az. 6 O 325/08) berücksichtigt zur Bestimmung des gewerblichen Ausmaßes die Art und die Aktualität und damit den Marktwert der zum Download angebotenen Dateien und stellt ein Maß von rund 3.000 kostenlos bereitgestellten Musiktiteln oder 200 Filmen fest. Das Gericht verweist in seinem Beschluss auf das Gesetzgebungsverfahren und die damit verbundene Zielrichtung des § 101 UrhG und führt aus, dass es den Willen des Gesetzgebers, bereits bei einer angebotenen urheberrechtlich geschützten Datei in einer Internet-Tauschbörse ein gewerbliches Ausmaß anzunehmen, nicht erkennen konnte. Vor allem stützen sich die Richter auf die These, dass es den rechtsverletzenden Personen innerhalb einer Tauschbörse an der Eigenschaft mangelt, aktiv am Erwerbsleben teil zu nehmen. Dies sei aber für ein gewerbliches Ausmaß nötig.

Das LG Nürnberg (Beschluss vom 22.09.2008, Az. 3 O 8013/08) sieht ein gewerbliches Ausmaß erreicht, wenn 13 Musiktitel zum Download bereitgestellt werden. Das LG Oldenburg (Beschluss vom 15.09.2008, Az.:5 O 2421/08) betrachtet eine Grenze von einem vollständigen angebotenen Album als ausreichend. Das LG Bielefeld (Beschluss vom 11.09.2008, Az. 4 O 328/08) und LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 18.09.2008, Az. 2-06 O 534/08) gehen konform mit den vorher genannten Entscheidungen und erkennen ein gewerbliches Ausmaß des Rechtsverletzers bei Bereitstellung einer umfangreichen Datei unmittelbar nach deren Veröffentlichung. Laut LG Oldenburg überschreitet eine einfache Nutzung von Internet-Tauschbörsen bereits den privaten Rahmen. Dieser private Rahmen ist nur gegeben, wenn ein überschaubarer und begrenzter Personenkreis angesprochen werde.

Die zuletzt genannten Entscheidungen schließen sich damit dem LG Köln (Beschluss vom 02.09.2008, Az. 28 AR 4/08) und LG Düsseldorf (Beschluss vom 12.09.2008, Az. 12 O 425/08) an. Ein Auskunftsanspruch gegen den jeweiligen Accessprovider aufgrund einer rechtsverletzenden Handlung ist laut LG Köln gegebenen, da der Provider stets gewerblich tätig sei.

Das OLG Köln folgt bei der Frage des gewerblichen Ausmaßes der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (Beschluss vom 21.10.2008, Az. 6 Wx 2/08). Demnach handelt derjenige in gewerblichem Ausmaß, der ein komplettes Musikalbum in der aktuellen Verkaufsphase der Öffentlichkeit im Rahmen einer Internettauschbörse anbietet. Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 27.10.2008, Az. 3 W 184/08) dagegen ist der Auffassung, dass der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ einschränkend auszulegen sei – nötig sei eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität. Auch im Rahmen der Nutzung einer Internettauschbörse müsse ein Umfang erreicht werden, der über das hinausgeht, was einer Nutzung im privaten oder sonstigem eigenen Gebrauch entsprechen würde.

Bezüglich der Gerichtskosten legt das LG Köln für jede IP-Abfrage Kosten in Höhe von 200 Euro fest. Das LG Düsseldorf hingegen lediglich einmal 200 Euro für alle im Verfahren abgefragten Adressen.

Weitere Entscheidungen bleiben abzuwarten, um eine einheitliche Rechtssprechung, insbesondere zur wichtigen Frage des „gewerblichen Ausmaßes“, erkennen zu können, allerdings werden Filesharing freundliche Entscheidungen nicht anzunehmen sein. Vor allem die so genannten „First Seeder“, die Musik- und Filmtitel direkt bei oder noch vor der offiziellen Veröffentlichung anbieten, werden der gewerblichen Nutzung zugeordnet.

Das LG Frankenthal spricht zutreffend die Haftung des Anschlussinhabers an, denn der Inhaber der IP-Adresse ist nicht zwangsläufig auch immer der (alleinige) Rechtsverletzer. So können etwa bei WLAN-Hot-Spots - kostenlos oder gegen Entgelt bereitgestellt - eine Vielzahl von Personen Zugang zum Internet erhalten, ohne dass gleichzeitig eine Überwachung der individuellen Aktivitäten der Nutzer erfolgt. Des Weiteren ist ein Austesten einzelner Landgerichte zu befürchten, da beispielsweise die Deutsche Telekom und weitere Provider in vielen Landgerichtsbezirken eine Niederlassung haben dürften und somit ein Verfahren an den jeweiligen Landgerichten anhängig gemacht werden kann.

Hinweis: Der vorliegende Beitrag wurde unter Mitwirkung von Herrn Dipl.-Jur. Benjamin Klingelhöfer erstellt.

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Bildquelle:
Antje Delater / Pixelio

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