IT-Recht Kanzlei
Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie uns:
IT-Recht Kanzlei
Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller
Alter Messeplatz 2
Tel.: +49 (0)89 / 130 1433-0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433-60
E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de

OVG Lüneburg zur Arzneimittelpreisbindung: Rabatt in Form von Einkaufsgutscheinen ist unzulässig

12.11.2012, 15:49 Uhr | Lesezeit: 4 min
von Mag. iur Christoph Engel
OVG Lüneburg zur Arzneimittelpreisbindung: Rabatt in Form von Einkaufsgutscheinen ist unzulässig

Apotheker, die ihren Kunden Rabatte anbieten wollen, müssen sich einerseits mit dem Heilmittelwerberecht, andererseits mit der Arzneimittelpreisbindung arrangieren. Dass das nicht immer funktioniert, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg: Es stellte in einem Eilverfahren fest, dass ein Ein-Euro-Gutschein, der bei Bestellung eines verschreibungspflichtigen Medikaments in einer Versandapotheke ausgegeben wird, zwar nicht unbedingt gegen das HWG, aber sehr wahrscheinlich gegen die Preisbindung verstößt (vgl. aktuell OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.08.2012, Az. 13 ME 142/12).

Inhaltsverzeichnis

Dem Beschluss lag ein Eilverfahren zugrunde, in dem lediglich summarisch der wahrscheinliche Ausgang des Hauptverfahrens geprüft wurde. Im vorliegenden Fall verwiesen die Richter jedoch auf ein früheres Urteil des gleichen Gerichts, das einen sehr ähnlichen Fall behandelte; es kann daher davon ausgegangen werden, dass die hier skizzierte Rechtsauffassung bereits repräsentativ die geltende Rechtslage widerspiegelt.

Zum Problem

Grundsätzlich unterliegen Arzneimittel, die in Apotheken abgegeben werden, einer Preisbindung (vgl. Arzneimittelpreisverordnung, AMPreisV). Daneben ist es noch nach § 7 HWG verboten, an Apothekenkunden „Zuwendungen und sonstige Werbegaben“ abzugeben, wobei hier eine Bagatellschwelle besteht – Kleinigkeiten sind erlaubt.

Sinn der Arzneimittelpreisbindung ist die Ausschaltung des Wettbewerbs zwischen den Apotheken, wodurch eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten begünstigt werden soll – ähnlich wie bei der Buchpreisbindung, die den Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen aushebelt.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch die Ausgabe von Bonusgutscheinen – die fallen nach dem HWG zwar (je nach Wert) unter die Bagatellklausel, können aber im Endeffekt auch einen Preisnachlass auf die erworbenen Medikamente darstellen.

Werbebanner für Apotheken

Zum Urteil

Genau dieses Problem hatte nun das OVG Lüneburg zu lösen: Stellt ein Ein-Euro-Gutschein, die beim Kauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten ausgegeben werden, einen unzulässigen Rabatt oder ein (noch) zulässiges Werbegeschenk dar? Hierzu wird zunächst ganz allgemein ausgeführt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.08.2012, Az. 13 ME 142/12; mit weiteren Nachweisen/teilw. aus vorhergehenden Entscheidungen zitiert):

„Je mehr ein Kundenbindungssystem einem […] stets unzulässigen Barrabatt gleichkommt bzw. auf einen solchen hinausläuft, desto niedriger ist der zulässige Wert der Werbegabe anzusetzen. Umgekehrt sind ‚wertvollere‘ Werbegaben umso eher denkbar, je weiter sich das praktizierte System der Sache nach von einem Barrabatt entfernt, solange sich die Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5 HWG als zulässig erweisen. Dies lässt sich mittelbar aus der gesetzlichen Wertung des Barrabattverbots in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG ableiten, wonach Zuwendungen oder (sonstige) Werbegaben, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, für Arzneimittel stets und ohne ‚Bagatellschwelle‘ unzulässig sind, soweit sie entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden. […] So ist nach Auffassung des Senats wegen der Nähe zu einem Barrabatt der nicht die Spürbarkeitsschwelle überschreitende Wert bei einer pro Arzneimittel gewährten Werbegabe bei einem auf einen bestimmten aufgedruckten Geldbetrag lautenden Einkaufsgutschein niedriger anzusetzen als bei einem Punktesammelsystem, bei dem der Kunde erst viel später und nicht sogleich bei einem weiteren Geschäft in der Apotheke oder bei einem Kooperationspartner den Gegenwert zurückerhalten kann. M. a. W. handelt es sich bei einer sächlichen Werbegabe (z. B. Taschentücher) eher noch um eine geringwertige Kleinigkeit als bei der Aushändigung eines gleichermaßen werthaltigen, aber ‚barrabattäquivalenten‘ Gutscheins.“

Kurz zusammengefasst: Je ähnlicher ein Bonussystem einem Barrabatt ist, desto eher verstößt der Bonusgeber gegen die Arzneimittelpreisbindung. Angewandt auf den vorgelegten Fall (die Ein-Euro-Gutscheine) bedeutet dies nach Ansicht der Richter folgendes:

„Bei summarischer Überprüfung anhand der vorstehenden Maßstäbe wird im vorliegenden Fall durch die Gewährung eines Kundenbonus von 1,00 EUR je verschreibungspflichtigem Arzneimittel auf eingesandten Rezepten die arzneimittel(preis)rechtliche Eingriffsschwelle überschritten. Von einer offensichtlichen und eindeutigen Nichtüberschreitung der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeitsschwelle wegen bloßen Vorliegens einer geringwertigen Kleinigkeit kann nicht ausgegangen werden. […]

So handelt es sich bei dem Bonus um einen einem Barrabatt nicht unähnlichen Einkaufsgutschein, der auf einen bestimmten Euro-Betrag lautet. Auch der Kundenkreis, den der Antragsteller mit seinem Bonusmodell erreicht, ist – unabhängig von der fehlenden Bewerbung im Internet – angesichts von 500.000 Versandkunden nicht auf einen bestimmten lokalen Bereich beschränkt. Selbst wenn die wettbewerbsrechtliche Spürbarkeit für eine einzelne mit der Versandapotheke des Antragstellers konkurrierende Präsenzapotheke unabhängig von der örtlichen Reichweite des Bonusangebots sein mag, ist doch eine Vielzahl konkurrierender Marktteilnehmer von diesem Angebot betroffen, so dass eine deutlich erhöhte Gefahr einer Beeinträchtigung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln besteht. Die unabhängig von statistischen Momentaufnahmen bestehende Möglichkeit der Abwerbung von Kunden betrifft einen deutlich größeren Kreis von Mitbewerbern, als dies etwa bei einer reinen Präsenzapotheke der Fall wäre. Der Umstand, dass Versandapotheken derzeit bei der Gewinnung von Kunden, die verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen, nicht erfolgreich sind, erhöht die Gefahr, den Wettbewerb durch die Schaffung rechtswidriger Bonussysteme unzulässig zu beeinflussen […].“

Kommentar

Abzuwarten bleibt nun das Urteil im Hauptsacheverfahren, wobei hier eigentlich keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind – die vom OVG Lüneburg dargelegte Argumentation ist stringent und durchaus überzeugend.

Apotheker sollten daher keine Bonussysteme der hier dargestellten Art anbieten; wer dennoch nicht auf Maßnahmen zur Gewinnung bzw. Bindung von Kunden verzichten will, sollte sich in diesem Zusammenhang zumindest genauestens über die gesetzlichen Grenzen des Apotheken- und Heilmittelrechts informieren.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

Bildquelle:
© shoot4u - Fotolia.com

Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare

weitere News

HWG-Verstoß möglich: Vorsicht bei Einbindung von Produktbewertungen für medizinische Produkte
(09.10.2023, 07:35 Uhr)
HWG-Verstoß möglich: Vorsicht bei Einbindung von Produktbewertungen für medizinische Produkte
BGH legt EuGH Fragen zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform vor
(12.01.2023, 10:57 Uhr)
BGH legt EuGH Fragen zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform vor
LG Karlsruhe: Online-Marktplatz für Apotheken unzulässig
(15.12.2022, 14:16 Uhr)
LG Karlsruhe: Online-Marktplatz für Apotheken unzulässig
VGH Mannheim: Versandapotheke darf apothekenpflichtige Arzneimittel nicht per Automat an Endverbraucher ausgeben
(03.01.2022, 11:36 Uhr)
VGH Mannheim: Versandapotheke darf apothekenpflichtige Arzneimittel nicht per Automat an Endverbraucher ausgeben
VG Hannover: Online-Versandapotheke darf im Bestellvorgang das Geburtsdatum nicht bei jedem Produkt abfragen
(11.11.2021, 11:40 Uhr)
VG Hannover: Online-Versandapotheke darf im Bestellvorgang das Geburtsdatum nicht bei jedem Produkt abfragen
OLG Hamburg: Hinweispflicht auf Einschränkungen von Studien bei der Bewerbung von Arzneiwirkungen
(05.11.2020, 14:36 Uhr)
OLG Hamburg: Hinweispflicht auf Einschränkungen von Studien bei der Bewerbung von Arzneiwirkungen
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder
speichern

Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.
Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.
Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Kontakt:

IT-Recht Kanzlei

Alter Messeplatz 2
80339 München

Tel.: +49 (0)89 / 130 1433 - 0
Fax: +49 (0)89 / 130 1433 - 60

E-Mail: info@it-recht-kanzlei.de

© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei