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LG Halle: Widerrufsausschluss bei Versand von Arzneimitteln zulässig

14.10.2013, 12:26 Uhr | Lesezeit: 4 min
von Tobias Kuntze
LG Halle: Widerrufsausschluss bei Versand von Arzneimitteln zulässig

Gute Neuigkeiten für Versandhändler von Arzneimitteln. Nach Auffassung des LG Halle (Urteil vom 08.01.2013; Az. 8 O 105/12) unterfallen sowohl individuelle Rezeptur- als auch Fertigarzneimittel der Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB mit der Folge, dass das im Fernabsatzrecht dem Verbraucher grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht beim Versand von Arzneimitteln nicht besteht bzw. ausgeschlossen werden kann.

Was war geschehen? – Der Sachverhalt

Eine Versandapotheke schloss in ihren AGB das Widerrufsrecht für den Versand von Arzneimitteln aus. Hierbei berief sie sich auf die Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB. Diese lautet:

"Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde."

Diese Voraussetzungen seien – so die Auffassung der Versandapotheke – beim Versand von Arzneimitteln erfüllt, ein Widerrufsausschluss also zulässig. Hiergegen klagte ein Verbraucherschutzverein, demzufolge Arzneimittel sehr wohl zur Rücksendung geeignet seien. Die Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB greife mithin nicht ein und sei ein Ausschluss des Widerrufsrechts insofern unzulässig.

Die Entscheidung des LG Halle – Widerrufsrecht kann ausgeschlossen werden
Das LG Halle gab der beklagten Versandapotheke Recht. Nach Ansicht der Richter ist ein Widerrufsausschluss bei Fernabsatzverträgen über Arzneimittel zulässig. In der Begründung wurde, wie folgt, unterschieden:
Soweit es sich um individuell hergestellte Rezepturarzneimittel handele, seien diese klar nach Kundenspezifikation angefertigt bzw. auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten, so dass ein Widerrufsausschluss unproblematisch von der Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB gedeckt sei.

Was das Widerrufsrecht beim Versand von Fertigarzneimittel angeht, so könne auch dieses gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB ausgeschlossen werden. Aus Gründen der Arzneimittel-sicherheit seien Fertigarzneimittel nämlich nicht zur Rücksendung geeignet. Denn nach Ansicht des LG Halle geht es beim Begriff der Ungeeignetheit zur Rücksendung weniger um eine technische Unmöglichkeit, vielmehr um eine rechtliche Unmög¬lichkeit bzw. Unzumutbarkeit aus rechtlichen Gründen. Da Fertigarzneimittel nach einer Rücksendung an die Apotheke aus rechtlichen Gründen der Arzneimittelsicherheit (Verbot in § 7b der Betriebsordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe) nicht mehr veräußert bzw. ein zweites Mal in den Verkehr gebracht werden dürften, sei dem versendenden Apotheker eine Rücknahme rechtlich unzumutbar und die Arzneimittel zur Rücksendung demnach unge-eignet.

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Bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema: Urteil des AG Köln aus dem Jahr 2007

Mit dieser Entscheidung zugunsten des Versandapothekenhandels widerspricht das LG Halle einer Entscheidung des AG Köln aus dem Jahr 2007 (Urteil vom 31.05.2007, Az. 111 C 22/07). Damals urteilten die Richter, dass ein Medikament keine besondere Beschaffenheit habe, die es zur Rücksendung ungeeignet mache. Die Eignung sei auch nicht deshalb zu verneinen, weil das Medikament vor der Rücksendung gefahrbringenden Manipulationen ausgesetzt sein könnte. Vielmehr falle es in den Risikobereich des Versandhändlers, wenn das Arzneimittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfe.
Dieser Auffassung hat sich das LG Halle gerade nicht angeschlossen. Wie oben dargestellt, sieht es (Fertig-) Arzneimittel aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und der Verkehrsfähigkeit als zur Rücksendung ungeeignet an.

Ab Juni 2014: Gesetzliche Neuregelung in § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.

Mit der Änderung des Fernabsatzrechts zum 13.06.2014 im Zuge europarechtlicher Richtlinienumsetzung wird der Gesetzgeber in § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB (neue Fassung) eine neue Ausnahmeregelung für das Nichtbestehen des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen einfügen. So soll „bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“ künftig kein Verbraucherwiderrufsrecht bestehen. Diese Neuregelung erfasst auch Arzneimittel. Sofern diese versiegelt versandt werden, ist ab Juni 2014 ein Ausschluss des Widerrufsrechts nach Maßgabe des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F. unproblematisch möglich.

Fazit

Nach Ansicht des LG Halle sind Arzneimittel auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten bzw. aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht zur Rücksendung geeignet. Somit unterfällt ihr Versand der Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB mit der Folge, dass dem Verbraucher kein Widerrufsrecht gegenüber dem Versandhändler zusteht bzw. dieses zulässigerweise ausgeschlossen werden kann. Mit Änderung des Fernabsatzrechts im Juni 2014 wird diese Rechtsprechung (zumindest für den Versand versiegelter Arzneimittel) eine klarere gesetzliche Verankerung in § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB (n.F.) finden.

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