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Schwarzer Tag für den Ecommerce: Amazon unterliegt in Sachen „Buttonlösung“ vor dem OLG München

01.02.2019, 12:39 Uhr | Lesezeit: 7 min
Schwarzer Tag für den Ecommerce: Amazon unterliegt in Sachen „Buttonlösung“ vor dem OLG München

Die schlechten Nachrichten für den Onlinehandel wollen in dieser Woche einfach nicht abreißen. Mit Urteil vom 31.01.2019 hat das OLG München die Berufung Amazons gegen ein Urteil zurückgewiesen, mit welchem Amazon eine fehlerhafte Gestaltung der finalen Bestellseite attestiert worden war. Das Urteil des OLG München dürfte weitreichende Konsequenzen für die gesamte Ecommerce-Landschaft haben und betrifft nicht nur Amazon(-Händler).

1. Worum geht es?

Seit dem 01.08.2012 gilt in Deutschland die sog. „Button-Lösung“.

In diesem Zusammenhang wurden vom Gesetzgeber sehr strenge, formelle Vorgaben für die Gestaltung der finalen Bestellseite in Onlineshops und auf Verkaufsplattformen aufgestellt.

Hintergrund ist der Schutz des Verbrauchers vor sog. „Vertragsfallen“, die zu dieser Zeit noch ein sehr großes Problem im Internet darstellten.

Der Verbraucher sollte auf der finalen Bestellseite nochmals ganz genau informiert werden, was er denn konkret zu welchen Konditionen bestellt, wenn er den „Bestellbutton“ (der zudem seitdem mit einer eindeutigen, die einzugehende Zahlungsverpflichtung deutlich machenden Beschriftung wie etwa „zahlungspflichtig bestellen“ versehen sein muss) betätigt.

Neben dieser bestimmten Beschriftung des „Bestellbuttons“ schreibt die „Button-Lösung“ bzw. genauer gesagt § 312j Abs. 2 BGB vor, dass die wesentlichen Merkmale der im Warenkorb befindlichen Ware(n) „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ (nochmals) genannt werden müssen.

Mit anderen Worten: Die wesentlichen Merkmale der Ware(n) müssen (in klarer und verständlicher sowie hervorgehobener Weise) auf der finalen Bestellseite aufgedröselt werden. In der Artikelbeschreibung reicht nicht, im Warenkorb reicht nicht und eine Verlinkung reicht auch nicht.

Weitere Infos zu diesem Thema finden Sie hier.

2. Lange Zeit herrschte Ruhe

Während es kurz nach dem Inkrafttreten der „Button-Lösung“ vereinzelte Abmahnungen wegen falscher (alter) Bezeichnung des Bestellbuttons gab, blieb es um das Thema „Nennung der wesentlichen Merkmale“ weitestgehend ruhig .

Hier ist den Onlinehändlern auch ein großes Lob auszusprechen. Fast jeder hatte hier schnell reagiert (bzw. dessen Shopsystemanbieter) und die Bezeichnung des Bestellbuttons an die neuen Vorgaben angepasst.

Mit dieser Ruhe dürfte nun aber vorbei sein…

3. Worüber wurde aktuell gestritten?

Die Wettbewerbszentrale hat sich mit dem Onlineriesen Amazon angelegt.

Man war dort der Ansicht, dass die finale Bestellseite Amazons nicht den Vorgaben der „Button-Lösung“ entspricht und mahnte Amazon ab. Da keine Unterlassungserklärung abgeben wurde, ging die Sache schließlich vor Gericht.

Mit erstinstanzlichem Urteil vom 04.04.2018 (Az.: 33 O 9318/17) gab das LG München I der Wettbewerbszentrale Recht und verurteilte Amazon es zu unterlassen, im Onlineshop Sonnenschirme und/oder Bekleidungsstücke anzubieten, ohne auf der Bestellabschlussseite – d.h. auf der Seite, auf der der Verbraucher sein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages durch Anklicken des Bestellbuttons abgeben kann – die wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Ware anzugeben.

Die Nennung der wesentlichen Merkmale der sich im Warenkorb befindlichen Artikel hat gemäß § 312 j Abs. 2 BGB „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ zu erfolgen. Dies sei auf der finalen Bestellseite bei Amazon aber nicht der Fall gewesen und damit die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten worden.

Konkret ging es um einen Sonnenschirm und ein Damenkleid. Diese Waren hatte sich die Wettbewerbszentrale in den Amazon-Warenkorb gelegt und war dann recht enttäuscht, dass auf der finalen Bestellseite zum Schirm lediglich Kaufpreis und Größe angezeigt wurden, nicht aber etwa Gewicht oder Material des Bezugstoffes.

Auch bezüglich des Kleides vermissten die Wettbewerbshüter auf der finalen Bestellseite Angaben, etwa zu Faserzusammensetzung und Pflegehinweisen.

Wir berichteten zur Entscheidung des LG München I Vorinstanz bereits hier.

Gegen diese Verurteilung richtete sich die Berufung Amazons zum OLG München.

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4. Die Entscheidung des OLG München

Mit Urteil vom 31.01.2019 (Az.: 29 U 1582/18) wies das OLG die Berufung Amazons zurück und bestätige das erstinstanzliche Urteil.

Amazons finale Bestellseite fiel damit auch in zweiter Instanz durch.

Der Senat erteilte insbesondere der Ansicht Amazons eine Absage, dass eine Nennung der wesentlichen Merkmale mittels einer Verlinkung auf der finalen Bestellseite (z.B. durch einen Link auf die jeweilige Produktdetailseite – so handeln es viele Shopsysteme) erfolgen kann.

Eine solche ersetzt gerade nicht die notwendige unmittelbare Darstellung bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt. Die wesentlichen Merkmale müssen vielmehr direkt auf der finalen Bestellseite selbst stehen.

Dies lässt sich hören, weil der Verbraucher bei einer Verlinkung von der finalen Bestellseite weggeführt wird und sich die Angaben auf dieser – die letztlich den Vertragsinhalt definieren – in der Zwischenzeit von einem „bösen“ Verkäufer geändert werden könnten.

Der Verbraucher kann dabei gerade nicht auf einen Blick die wesentlichen Merkmal erfassen und seine Bestellung abgeben. Zumal es dann auch an der erforderlichen Hervorhebung der wesentlichen Merkmale fehlen dürfte, wird nur auf die allgemeine Artikeldetailseite verlinkt.

Damit hat die finale Bestellseite Amazon nach Ansicht des OLG-Senats gerade nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Waren genügt.

Amazon handelte folglich nach Ansicht der Richter wettbewerbswidrig, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Somit hat Amazon ein Problem, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Denn dann muss Amazon ordentlich an der finalen Bestellseite feilen.

5. Probleme für alle Amazon-Verkäufer

Das Urteil des OLG München wirkt direkt natürlich nur gegenüber Amazon.

Jeder Amazon-Verkäufer, der den Marketplace von Amazon nutzt, verwendet aber den von Amazon vorgegebenen Checkout und folglich auch die nun vom OLG München gerügte finale Bestellseite bei Amazon.

Mit anderen Worten: Auch Marketplace-Händler informieren nicht wie vom Gesetz gefordert über die wesentlichen Merkmale der Waren und sind damit angreifbar.

Leider zählt hier die Argumentation, dass dieser technische Ablauf vom Amazon-Händler selbst gar nicht beeinflusst werden kann nicht. Ein Wettbewerbsverstoß setzt kein Verschulden voraus.

6. Schwierigkeiten auch bei eBay im eigenen Onlineshop

Die aktuelle Entwicklung dürfte nahezu jeden Onlinehändler tangieren. So ist die Lage auch bei eBay problematisch, etwa wenn dort eine Bestellung via Warenkorb erfolgt.

Auch Händler mit eigenem Onlineshop müssen die genannten Vorgaben natürlich einhalten.

7. Handlungsempfehlung

Mit der Entscheidung des OLG wurde eine Leiche im Keller eines fast jeden Onlinehändlers aufgedeckt.

Bereits seit August 2012 gelten die verschärften formalen Anforderungen an die letzte Bestellseite. Abmahnungen diesbezüglich waren so gut wie nicht mehr im Umlauf.

Das alte Problem „wesentliche Merkmale der Ware“ wird damit aller Voraussicht wieder auflodern und Abmahner wie Abgemahnte beschäftigen.

Schwierig ist die Thematik schon deswegen, weil es erstens keinen verallgemeinernden und zweitens keinen durchweg praxistauglichen Rat gibt.

So weist ein Laptop ggf. eine dreistellige Anzahl „wesentlicher Merkmale“ auf, während diejenigen einer Rolle Klopapier an einer Hand abzählbar sein dürften. Es kommt also immer auf den Einzelfall an. Eigentlich müsste der Händler in den Kopf des Bestellers blicken können, sind je nach Vorkenntnissen und Verwendungszweck vermutlich ganz andere Eigenschaften wesentlich.

Unbestimmter kann eine gesetzliche Vorgabe kaum beschaffen sein.

Hier kann den Händlern nur geraten werden, auf der finalen Bestellseite möglichst viele Merkmale der Ware darzustellen. Denn es dürfte unschädlich sein, ein weniger wesentliches (oder gar nach Richtersicht unwesentliches Merkmal) mit darzustellen während bereits das Fehlen eines (nach Richtersicht) wesentlichen Merkmals zum Wettbewerbsverstoß führt.

Wenn sich der Händler nun die Arbeit gemacht hat, für jeden seiner Artikel einmal zu definieren, was dessen individuelle, wesentliche Merkmale sind, steht er vor einem weiteren Problem.

Es geht um die technische Umsetzung der Darstellung. Auf Verkaufsplattformen kann er auf diese nur sehr beschränkt Einfluss nehmen – bei Amazon teilt er im Zweifel das Schicksal Amazons.

Im eigenen Onlineshop sieht es dagegen meist besser aus. Aber auch dort bietet noch lange nicht jedes Shopsystem entsprechende Möglichkeiten, die wesentlichen Merkmale auf der finalen Bestellseite selbst (vollständig) darzustellen.

Einer verlinkten Darstellung (z.B. durch Setzen eines Links auf die Artikelbeschreibung) hat das OLG München nun eine klare Absage erteilt.

Gerade bei Technikprodukten würde eine vollständige, direkte Auflistung der wesentlichen Merkmale auf der finalen Bestellseite ggf. zu einem seitenlangen Scrollen führen, bis der Verbraucher den die Bestellung auslösenden Button erreicht. Hier droht wiederum, dass die Darstellung dort insgesamt intransparent und angreifbar wird.

Eine letzte Hoffnung könnte in solchen Fällen sehr komplexer wesentlicher Merkmale noch eine Darstellung mittels die finale Bestellseite überlagernden Popups sein, wo die wesentlichen Merkmale in hervorgehobener Weise angezeigt werden, wenn der Verbraucher auf einen entsprechenden deutlichen Hinweis wie „alle wesentlichen Merkmale hier“ klickt.

8. Fazit

Eine Entscheidung, die der Onlinehandel nicht braucht.

Man muss sich inzwischen fragen, was sich der Gesetzgeber in den letzten Jahren bei der Schaffung immer neuer, in der Praxis kaum mehr umsetzbarer Informationspflichten im Bereich des Ecommerce eigentlich gedacht hat.

Wo der Mehrwert für den Verbraucher liegt, wenn er künftig auf der finalen Bestellseite eine zweite Artikelbeschreibung erleben darf, ist auch eine berechtigte Frage.

Dem in Wettbewerbssachen spezialisierten 29. Senat des OLG München hier eine praxisfremde Entscheidung vorzuwerfen, geht fehl. Das Gesetz ist in dieser Hinsicht leider eindeutig (praxisfremd) und den Richtern sind die Hände gebunden, sie müssen dieses anwenden.

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4 Kommentare

R
Ralf Wolbers 21.02.2019, 15:01 Uhr
Unternehmer
Das einzige Problem sind die Abmahner, die aus diesen Urteilen eine Industrie gemacht haben. Ich habe letztens ein Gespräch mit einem Franzosen gehabt. Da sind Abmahnungen einfach nicht erlaubt. Wenn das bei E-Commerce alles so wichtig ist, warum kann den Jedermann ohne Vorkenntnisse bei einem Verkäufer im Laden eine Ware kaufen ohne irgendeine Information zum Angezeigten Produkt zu bekommen.???
M
Marco 01.02.2019, 15:16 Uhr
Es ist kein Wunder...
...wenn sich jeder Onlinehändler und jeder Kunde an den Kopf fasst, wenn er von solchen Gängelungen hört. Offensichtlich sind in deutschen Onlineshops nur unintelligente Dummköpfe unterwegs, denen man mit größtmöglichem Aufwand bei kleinstmöglicher Mage am besten auch noch das Lesen beibringen soll... So macht Handel keinen Spaß mehr und man muss sich nicht wundern, wenn viele nicht mehr bereit sind, diesen gesetzlichen Schwachsinn, der hier vorgegeben wird, mit zu tragen. Da ist es einfacher, seinen Onlineshop im Drittland zu platzieren und am Ende des Tages mit dem dortigen Publikum genau den gleichen Umsatz bei nur einem Viertel der Aufwandskosten zu machen...
S
Schmuckkreationen by Co.Wo.Wei 01.02.2019, 12:06 Uhr
Kleinunternehmer
und was soll jetzt ein Kleinunternehmer tun, der einen Shop bei Etsy hat? Dort soll man doch in den Merkmalen die Kleinunternehmerregelung rein schreiben. Dann hat ja das andere gar keinen Platz mehr. Was hat Vorrang?
A
Andreas Kremser 01.02.2019, 11:48 Uhr
Dr.
Nichts hat sicher Gesetzgeber gedacht. Es gibt wohl kein zweites Land dieser Erde, wo die Volksvertreter internet- und onlineferner sind als hierzulande. Es rächt sich halt, wenn die politische Kaste sich nahezu ausschließlich aus lebensfernen Absolventen der üblichen Parteikarrieren und ebenso IT-fernen Beamten (=Papierstapel- und Formularschiebern) rekrutiert.

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