„Hirse-Flocken“ – unlautere Werbung mit Nährwertangaben
Urteil vom LG Rostock 2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsdatum: 29.12.2010
Aktenzeichen: 6 HK O 120/10
Leitsätze
Wird ein Produkt mit der Aussage beworben, einen positiven Effekt für „schöne Haut und Haare sowie Zähne und Knochen“ zu haben, so ist dies unlauter im Sinne der §§ 3, 5, 8 UWG i.V.m. Art. 7 S. 3 VO Nr. 1924/2006, solange die gesundheitsbezogenen Angaben mengenmäßig nicht ausgewiesen sind.
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "HOLO Hirse-Flöckli" in einer Produktaufmachung und Kennzeichnung wie nachstehend wiedergegeben:
...
...
mit der nachstehend wiedergegebenen Anzeige zu bewerben:
Abbildung
II. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
III. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 20.000,00 €.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages..
Tatbestand
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch.
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört.
Die Antragsgegnerin bewirbt und vertreibt das Nahrungsmittel "HOLO® Hirse Flöckli". Jenes wird in einer Verpackung wie in dem Urteilstenor wiedergegeben vertrieben und seitens der Antragsgegnerin in einer Anzeige, veröffentlicht im "Reformhauskurier", Ausgabe September 2010, Seite 36, wie ebenfalls im Urteilstenor wiedergegeben, beworben.
Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin unter dem 13.10.2010 hierwegen ab. Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 20.10.2010 die geltend gemachten Ansprüche, unter anderem unter Verweis auf Angaben, die auf der in der gleichen Anzeige ebenfalls beworbenen Verpackung des Produktes "HOLO Bio Hirse-Flöckli" enthalten seien, zurück.
Der Antragsteller trägt diesbezüglich vor, die Antragsgegnerin gebe in ihrer Werbung an, dass das hier streitgegenständliche Produkt reich an wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen sei. Ferner werbe die Antragsgegnerin mit der Aussage, dass das Produkt empfehlenswert für schöne Haut und Haare und zudem gut für Zähne und Knochen sei. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass es sich diesbezüglich um nährwertbezogene bzw. gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der LGVO handele.
Der Antragsteller beantragt:
entsprechend Tenor
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, ein Wettbewerbsverstoß liege nicht vor. Gemäß Artikel 1 Abs. 4 Buchstabe a) RL 90/496/EWG umfasse der Begriff der Nährwertkennzeichnung nur alle in der Etikettierung erscheinenden Angaben, d.h. außerhalb der Etikettierung müsse keine Nährwertkennzeichnung erfolgen. § 4 Abs. 1 NKV (Nährwertkennzeichnungsverordnung) greife hier schon deshalb nicht, weil es sich um eine "produktübergreifende" Werbung handele. Im Übrigen handele es sich vorliegend lediglich um eine ergänzende Erläuterung des Nahrungszweckes, ohne dass ein spezifischer Gesundheitsbezug hergestellt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
Der Antragsteller kann gemäß §§ 3, 5, 8, 12 UWG, §§ 91, 935, 940 ZPO, §§ 2, 3, 5 Unterlassungsklagengesetz i.V.m. Art. 7 Satz 3 der VO Nr. 1924/2006 den Erlass der begehrten einstweilige Verfügung verlangen. Die Werbung der Antragsgegnerin für ihre Produkte "HOLO Hirse-Flöckli" und "HOLO Bio Hirse-Flöckli" ist unlauter.
1. Soweit die Antragsgegnerin in der Werbung angibt, die streitgegenständlichen Produkte seien "reich an wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen", handelt es sich um eine nährwertbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel.
Eine "nährwertbezogene Angabe" ist jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Nährstoffe und Substanzen, die es enthält (Art. 2 Nr. 4 VO EG 1924/2006). Der Hinweis "reich an wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen" soll auf die positiven, gesundheitsfördernden Eigenschaften des Produkts hinweisen.
Nährwertbezogene Angaben dürfen gemäß Artikel 8 Abs. 1, Artikel 7 der VO nur gemacht werden, wenn im Rahmen der Nährwertkennzeichnung die beworbenen Nährstoffe mengenmäßig ausgewiesen sind. Entsprechende Angaben fehlen sowohl in der Werbung für als auch auf der Verpackung des Produktes "HOLO Hirse-Flöckli".
2. Soweit die Antragsgegnerin mit der Aussage wirbt, dass das Produkt empfehlenswert für schöne Haut und Haare und zudem gut für Zähne und Knochen sei, handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der Richtlinie.
Gesundheitsbezogen ist jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Die Voraussetzungen liegen unzweifelhaft vor.
Diese Angaben lösen die Pflicht aus, zumindest den nach Artikel 10 Abs. 2 lit. a der Richtlinie vorgeschriebene Hinweis anzugeben. Ein solcher Hinweis fehlt in der genannten Produktwerbung wie auch auf der Produktverpackung.
Entgegen der Auffassung der Berufung bestehen die in Art. 10 Abs. 2 b der VO vorgeschriebenen Informationspflichten bereits seit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 01.07.2007. Die Übergangsregelungen in Art. 28 Abs. 5 der VO kommen der Antragsgegnerin nicht zugute. Denn Art. 28 Abs. 5 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 a der VO entbindet die Antragsgegnerin jedenfalls nicht von der Pflicht, die gem. Art. 10 Abs. 2 der VO erforderlichen Informationen mitzuteilen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.09.2008, 3 U 1237/08).
Die Bestimmungen der Richtlinie sind dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln, so dass ihre Verletzung unlauter gemäß § 4 Nr. 11 UWG und daher gemäß § 3 UWG zu unterlassen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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