Nordrhein-Westfalen

„Alles inklusive?“ – Darstellung von Endpreisen im Sinne der PAngV

Urteil vom LG Bielefeld 6. Kammer für Handelssachen

Entscheidungsdatum: 02.02.2006
Aktenzeichen: 15 O 53/06

Leitsätze

Fehlt bei einem Endpreis die Angabe der Umsatzsteuer, entspricht die Darstellung des Preises nicht den Voraussetzungen des § 1 I S. 1 PAngV; so dass „der Verbraucher den angegebenen Preis so verstehen wird, als sei die Umsatzsteuer enthalten“.

Tenor

Die Widerklage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung

oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt Druckerzubehör über das Internet (...). Auch die Beklagte handelt u.a. mit Druckerzubehör, seit Februar 2006 auch per Internet (...). Im Internetangebot der Klägerin ist bei den Preisen der einzelnen Produkte nicht angegeben, ob die Umsatzsteuer enthalten ist. Angaben zu Versandkosten befinden sich nicht bei den einzelnen Produkten; zu den Versandkosten finden sich Angaben (lediglich) in den AGB der Klägerin.

Mit Schreiben ihrer Anwälte vom 17.03.2006 mahnte die Beklagte die Klägerin ab und stellte sich dabei auf den Standpunkt, der Internetauftritt der Klägerin verstoße wegen unzureichender Angaben zu Umsatzsteuer und Versandkosten gegen § 1 Abs. 2 PAngV (und damit auch gegen § 4 Nr. 11 UWG) . Der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von 756,09 Euro (1,3-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer) kam die Klägerin jedoch nicht nach. Vielmehr sprach die Klägerin über ihre Anwälte am 27.03.2006 eine Gegenabmahnung aus und warf der Beklagten rechtsmißbräuchliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vor. Dem wiederum widersprach die Beklagte.

Die Klägerin hat daraufhin eine negative Feststellungsklage erhoben und den Antrag angekündigt,

festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat, dass diese es zu unterlassen habe, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Internethandel mit Druckern und Druckerzubehör entgegen § 1 Abs. 2 PAngV Preise ohne Hinweis darauf, dass diese Mehrwertsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten und ob Liefer- und Versandkosten anfallen, anzugeben.

Diese Feststellungsklage haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte Widerklage erhoben hat, mit der sie den vorprozessual mit Schreiben vom 17.03.2006 erhobenen Unterlassungsanspruch weiterverfolgt.

Die Beklagte macht geltend: Aus § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PAngV ergebe sich die Verpflichtung, bei Angeboten im Rahmen eines Fernabsatzgeschäfts in direkter Verbindung mit dem Preis (jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Preis) anzugeben, ob die Umsatzsteuer enthalten sei. Diesen Anforderungen werde das Internetangebot nicht gerecht. Wegen der Versandkosten entspreche das Internetangebot der Klägerin gleichfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen, wie sie sich aus § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 PAngV ergäben. Angaben zu den Versandkosten seien nämlich in unmittelbarer Nähe zu den beworbenen Artikeln zu machen. Hinweise in den abrufbaren AGB reichten nicht hin.

Die Beklagte beantragt,

die Klägerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

beim Internethandel mit Druckern und Druckerzubehör entgegen § 1 Abs. 2 PAngV Preise ohne Hinweis darauf, dass diese die Umsatzsteuer enthalten,

anzugeben, und keinen Hinweis auf die anfallenden Versandkosten anzugeben, den der Kunde bei der Bestellung notwendig passiert, wie auf der Internetseite www... geschehen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie meint, dass die Versandkosten nicht notwendig neben dem Warenpreis anzugeben seien, und vertritt im übrigen den Standpunkt, die Beklagte handele rechtsmißbräuchlich. Dazu trägt sie vor: Innerhalb weniger Tage habe die Beklagte über ihre Anwälte mindestens 600 Abmahnungen zu (angeblichen) Verstößen gegen die PAngV versandt. Inhaltlich seien die Abmahnungen im wesentlichen gleichlautend. Es handele sich offenbar um Serienabmahnungen in Routineangelegenheiten; das lasse auf ein rechtsmissbräuchliches Gebührenerzielungsinteresse schließen.

Die Beklagte verwahrt sich gegen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs und macht geltend: Sie habe bei einer Vielzahl von Mitbewerbern Verstöße gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung sowie zu den Regelungen über Impressumspflicht und Widerrufsbelehrungen festgestellt. Legitimerweise habe sie deshalb einen Anwalt mit der Durchsetzung ihrer Interessen beauftragen dürfen. Allein aus einer Vielzahl von Abmahnungen in ähnlich gelagerten Fällen könne nicht auf Rechtsmissbrauch geschlossen werden. Abgesehen davon bestreitet die Beklagte die von der Klägerin behauptete Anzahl der Abmahnungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Widerklage ist unzulässig.

Der Beklagten fehlt die Klagebefugnis, da ihr Vorgehen als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG zu bewerten ist. Rechtsmißbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzfähige Interessen verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen; ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Interessen ist dabei nicht erforderlich, (vgl. etwa OLG Hamm GRUR-RR 05, 348 ff.). Ein wesentliches Indiz für Rechtsmissbrauch liegt in einem massenhaften Vorgehen (Vielzahl von Abmahnungen), wie es hier festzustellen ist. Dabei bedarf es keiner Klärung, ob die –teilweise spekulativen- Darlegungen der Klägerin, es seien innerhalb weniger Tage mindestens 600 ähnlich gelagerte Abmahnungen versandt worden, zutreffen. Jedenfalls rund 100 Abmahnungen innerhalb weniger Tage, die sämtlich die auch hier gerügten Verstöße betreffen, hat die Klägerin mit der dem Schriftsatz vom 27.04.2006 beigefügten tabellarischen Aufstellung belegt. Dadurch sind gravierende Umstände für einen Rechtsmissbrauch substantiiert vorgetragen, denen die Beklagte konkrete Einwände nur in zwei Fällen (keine Abmahnungen unter den Aktenzeichen 859/06 und 866/06) entgegengesetzt hat. Ob bereits die danach gegebene Vielzahl von Abmahnungen die Feststellung von Rechtsmissbrauch trägt, mag zweifelhaft sein. Hinzu kommen weitere Umstände, die sachfremde Motive der Beklagten indizieren: Es ist nämlich sehr fraglich, ob die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen. Was die vermissten Angaben zur Umsatzsteuer angeht, ist es zumindest zweifelhaft, ob sie geeignet wären, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (vgl. § 3 UWG) . Denn der Verbraucher ist die Angabe von Endpreisen gewöhnt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV) . Auch wenn die von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PAngV geforderten zusätzlichen Angaben fehlen, wird der Verbraucher angegebene Preise deshalb im Zweifel so verstehen, als sei die Umsatzsteuer enthalten. Wegen der Angaben zu den Versandkosten hat die Beklagte zwar die Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte, insbesondere des OLG Hamburg (vgl. etwa GRUR-RR 05, 27 ff.) für sich. Höchstrichterlich geklärt sind die maßgebenden Fragen jedoch noch nicht; die Ausführungen des BGH –wenn auch zu einem begrenzten Fragenkreis- im Urteil vom 05.10.2005 (NJW 06, 211 ff.) lassen durchaus die Schlussfolgerung zu, Informationen über die Versandkosten seien nicht notwendig in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Warenpreis zu machen. Im übrigen stellt sich auch hier die Frage nach der Erheblichkeit (vgl. § 3 UWG) , wenn die Versandkosten jedenfalls in den AGB angegeben werden.

Nach allem ist das Bestehen der erhobenen Unterlassungsansprüche zweifelhaft. Unter diesen Umständen entspräche es "normalem wettbewerbsrechtlichen Verhalten", einige Fälle exemplarisch herauszugreifen, um die aufgeworfenen Fragen gegebenenfalls einer –höchstrichterlichen- Klärung zuzuführen. Massenhaftes Vorgehen deutet hingegen auf sachfremde Erwägungen hin, insbesondere in dem Sinne, dass das Verhalten darauf angelegt ist, ohne große Risiken möglichst viel an Gebühren, wie sie mit den Abmahnungen eingefordert wurden, zu erzielen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO; wäre sie nicht durch die Widerklage erledigt worden, hätte die negative Feststellungsklage der Klägerin Erfolg gehabt.

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