„Nase vorn?“ – Markenrechtsverletzung durch Keyword
Urteil vom LG Hamburg
Entscheidungsdatum: 30.03.2004
Aktenzeichen: 312 O 910/03
Leitsätze
Wird ein markenrechtlich geschützter Begriff als Keyword für eine Werbeanzeige genutzt, stellt dies weder eine markenmäßige Verwendung des Begriffs noch eine Bezeichnung der „in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen“ dar, so dass kein Verstoß gegen das Markenrecht vorliegt.
Tenor
Die einstweilige Verfügung vom 17.11.2003 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Antragsgegner leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Antragstellerin betreibt ein Software-Unternehmen und befasst sich u.a. mit dem Vertrieb einer E-Commerce-Software für Online-Shops. Die Antragstellerin ist Inhaberin der aus Anl. A 1 ersichtlichen Marke „En. E.“.
Der Antragsgegner befasst sich ebenfalls mit dem Angebot von Software zum Betrieb von Online-Shops und erbringt Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen über das Internet.
Die Antragstellerin behauptet, bei Eingabe des Suchbegriffes „En. E.“ in die Suchmaschine Google erscheine in der aus Anl. A 5 ersichtlichen Weise eine Werbeanzeige des Antragsgegners. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Antragsgegner für diese Werbeanzeige bei Google das Adword bzw. das Keyword „En. E.“ gebucht habe.
Hierin sieht die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Rechte an den aus Anl. A 1 ersichtlichen Marke „En. E.“ sowie eine nach § 1 UWG unlautere Ausbeutung ihres Rufes.
Die Antragstellerin erwirkte am 17.11.2003 einen Beschluss, mit welchem dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wurde,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „En. E.“, insbesondere die zuvor genannte Bezeichnung als Adword bei der Internet-Suchmaschine www.google.de zu verwenden.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seinem Widerspruch zu dessen Begründung er geltend macht, er habe den Begriff „En. E.“ zu keinem Zeitpunkt als Keyword/Adword bei der Suchmaschine Google gebucht und bestreite, dass seine Werbeanzeige bei Eingabe dieses Suchbegriffes aufgetaucht sein sollte. Dies könne allenfalls Folge der von Google angebotenen Funktion der „erweiterten weitgehend passenden Keywords“ sein (Anl. B 1).
Der Antragsgegner beantragt,
unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 17.11.2003 den Antrag der Antragstellerin vom 17.11.2003 zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
Bestätigung der einstweiligen Verfügung.
Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Der zulässige Widerspruch ist begründet. Die einstweilige Verfügung erweist sich unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Widerspruchsverfahren sowie nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage als zu Unrecht ergangen.
Die vom Antragsgegner bestrittene Verwendung des Begriffes „En. E.“ als sog. Adword oder Keyword für die Platzierung einer Werbeanzeige im Internet in Abhängigkeit von der Eingabe eines entsprechenden Suchbegriffes stellt sich weder als Verletzung der Rechte der Antragstellerin an den aus Anl. A 1 ersichtlichen Marke „En. E.“ noch als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 1 UWG dar. Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob der Antragsgegner tatsächlich das Adword „En. E.“ gebucht hat bzw. ob die in Anl. B 1 beschriebene Funktion der erweiterten weitgehend passenden Keywords dazu geführt hat, dass die Anzeige des Antragsgegners bei Eingabe des Suchbegriffes „En. E.“ erscheint. Ebenso kann offen bleiben, ob der Antragsgegner für letzteres verantwortlich wäre, was jedoch jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 UWG zu bejahen sein dürfte.
Eine Verletzung der Markenrechte der Antragstellerin scheidet bereits deshalb aus, weil eine Verwendung des Begriffes „En. E.“ als sog. Adword keine Verletzung des Ausschließlichkeitsrechtes des Markeninhabers nach § 14 MarkenG beinhaltet. Denn es fehlt bei der Verwendung eines Begriffes als Adword an einer zeichenmäßigen Verwendung dieses Begriffes. Wird ein Begriff als Keyword für die Platzierung einer Werbeanzeige im Internet benutzt, so beinhaltet dies noch keine markenmäßige Verwendung des Begriffes zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen. Die Verwendung eines Begriffes zur Platzierung einer als solcher gekennzeichneten Werbeanzeige neben die Liste der Suchergebnisse bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe enthält nicht die Aussage, dass die in dieser Werbeanzeige angebotenen Waren oder Dienstleistungen unter dem in Rede stehenden Suchbegriff angeboten würden. Durch den Hinweis darauf, dass es sich um eine Anzeige handelt, wird vielmehr deutlich, dass der Inhalt dieser Anzeige gerade kein Suchergebnis für den gesuchten Begriff beinhaltet. Damit fehlt es bereits an der für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch notwendigen Grundvoraussetzung, dass die Verwendung des geschützten Begriffes die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen bezeichnen soll. Die Verwendung eines Begriffes als Adword beinhaltet nichts anderes als eine gleichsam elektronische Handlungsanweisung, die betreffende Werbeanzeige bei Eingabe eines bestimmten Suchbegriffes neben der Liste der Suchergebnisse und gekennzeichnet als Anzeige erscheinen zu lassen. Die Verwendung eines Adwords ist damit nicht anders zu beurteilen, als etwa eine bei Veröffentlichung einer Anzeige in einem Druckerzeugnis erteilte Anweisung, die Anzeige neben einem Beitrag zu veröffentlichen, der sich mit einem Markenprodukt befasst. Der markengeschützte Begriff wird hier nur zur Beschreibung des gewünschten Erscheinungsortes der Werbung benutzt. Hierin liegt ebenso wenig eine Markenverletzung wie in anderen Fällen der Benutzung eines markengeschützten Begriffes zur Standortbeschreibung (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., 2003, § 14 Rn. 159, 160).
Die durch die Verwendung entsprechender Adwords verursachte Veröffentlichung von Werbeanzeigen bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe beinhaltet auch keinen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Weder liegt eine sittenwidrige Behinderung noch eine unlautere Rufausbeutung im Sinne von § 1 UWG vor.
Zwar kann die Abwerbung von Kunden vor dem Ladengeschäft der Konkurrenz sich als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 1 UWG darstellen. Damit ist die Situation im Internet jedoch nicht vergleichbar, weil der Kunde hier nicht unmittelbar persönlich angesprochen und dadurch in seiner Entschließungsfreiheit unlauter beeinträchtigt wird. Dass Interessenten für einen bestimmten markengeschützten Begriff mit einer Werbung für Dienstleistungen eines Konkurrenten konfrontiert werden, entspricht als solches durchaus dem Leistungswettbewerb und enthält keine unlautere Behinderung.
Die hier in Rede stehende Form der Anknüpfung der eigenen Werbung an einen Suchbegriff, der als Marke zugunsten eines Konkurrenten geschützt ist, stellt sich auch nicht als Form der unlauteren Rufausbeutung im Sinne von § 1 UWG dar. Denn die hier in Rede stehende Form der Anknüpfung ist in keiner Weise damit verbunden, dass die Werbung irgendeinen inhaltlichen Bezug zu dem Suchbegriff oder gar zu der Marke des Konkurrenten suggeriert. Die Werbung erweckt nicht den Eindruck, als bestünde zwischen dem Anbieter der beworbenen Leistungen und dem Markeninhaber in irgendeiner Form eine wirtschaftliche Beziehung, Kraft derer das Publikum geneigt sein könnte, einen guten Ruf der Markenprodukte auf die in der Anzeige beworbenen Dienstleistungen zu übertragen. Sofern der Betrachter überhaupt in Rechnung stellt, dass die fragliche Werbung in Abhängigkeit von dem eingegebenen Suchbegriff erscheint, kann diesem Umstand nicht mehr entnommen werden, als dass das beworbene Angebot nach Ansicht des Werbungtreibenden für Personen von Interesse sein könnte, die nach dem in Rede stehenden Begriff suchen. Auch dies würde aber keinen Aspekt unlauteren Wettbewerbsverhaltens begründen, sondern lediglich die dem Leistungswettbewerb immanente Konkurrenzsituation kennzeichnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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