„Schick‘ eine (unlautere) SMS an…“ – unzumutbare Belästigung durch Werbung
Urteil vom LG Hannover
Entscheidungsdatum: 20.01.2010
Aktenzeichen: 32 O 31/08
Leitsätze
Das Bewerben eines SMS-Chats ist im Sinne von § 7 II Nr. 3 UWG dann wettbewerbswidrig, wenn zur Teilnahme auffordernde SMS an Verbraucher geschickt werden, die in diese Form der elektronischen Werbung nicht ausdrücklich eingewilligt haben und somit in unzumutbarer Weise belästigt werden.
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 16.09.2008 bleibt aufrecht erhalten.
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Die Klägerin ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UklaG eingetragen.
Die Beklagte bietet telefonische Mehrwegdienste an. Aufgrund von 2 Beschwerdefällen mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 09.04.2008 (K 6) ab und begehrte die Unterlassung, Verbrauchern ohne Einwilligung SMS zuzuleiten, mit denen kostenpflichtige SMS-Chats angeboten werden. Eine Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab, sie antwortete mit Schreiben vom 11.04.2008 (K 7).
Die Klägerin macht nunmehr den Unterlassungsanspruch mit der Klage geltend. In der mündlichen Verhandlung am 16.08.2008 hat die Beklagte keinen Antrag gestellt. Es erging sodann folgendes Versäumnisurteil:
1.) Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern unter deren privaten Telefonanschlüssen SMS zuzuleiten oder zuleiten zu lassen, um diesen kostenpflichtige SMS-Chats anzubieten, sofern der Beklagten eine vorherige Einwilligung des Adressaten der elektronischen Post zu einer derartigen elektronischen Post nicht vorliegt.
2.) Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen 1.) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte Einspruch ein.
Mit Zustimmung der Parteien wurden in der mündlichen Verhandlung am 16.08.2008 die geladenen Zeugen ... vernommen. Im Einspruchsverfahren sind die Aussagen der vorgenannten Zeugen und damit auch der entsprechende Vortrag der Klägerin unstreitig geworden. Danach hat der Zeuge ... am 22.03.2008 gegen 18.30 Uhr auf seinem privaten Handy eine SMS erhalten mit den Inhalt, er werde von KATI gesucht und anschließend mit KATI geantwortet. Als Absender der SMS war die Nummer der Beklagten ... angegeben. Der Zeuge ... erhielt auf seinem privaten Handy am 23.03.2008 um 17:41:01 Uhr eine SMS, dass ihm ein SMS-Telegramm übermittelt wurde, das er mit KATI abrufen könne. Nach einem Leerraum erfolgte der Hinweis auf Kosten. Als Absender war ebenfalls die Nr. ... angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aussagen der Zeugen gemäß Protokoll vom 16.08.2008 (Bl. 57 - 61 d. A.) Bezug genommen.
Beide Zeugen erhielten dann am 22. und 24.03.2008 von der Beklagten Willkommens-Messages. Gegenüber den Zeugen hat die Beklagte Forderungen geltend gemacht. Die Beklagte bewarb den unter obiger Telefonnummer bestehenden SMS-Chat unter Angabe des Stichwortes KATI regelmäßig im Deutschen Sportfernsehen. Für den Monat März 2008 wird Bezug genommen auf den Einschaltplan (B 1). Wegen der Einzelverbindungsnachweise bezüglich der vorgenannten Rufnummer wird Bezug genommen auf die Anlage B 2. Die bei der Beklagten eingehenden SMS-Nachrichten werden an die Fa. ... weitergeleitet, mit der die Beklagte zusammenarbeitet.
Die Klägerin behauptet, die SMS seien von der Beklagten versandt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 16.09.2008 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 16.09.2008 abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die von den Zeugen geschilderten ersten SMS-Nachrichten stammen nicht von ihr. Aus der Angabe der Telefonnummer aus den ersten SMS ergebe sich nicht, dass diese auch von der Beklagten versandt worden seien. Sie habe erst nach Erhalt des Stichwortes "KATI" an die Zeugen die Willkommens-Messages versandt. Unter der streitgegenständlichen Telefonnummer gebe es lediglich gemäß vorgelegter Rechnung unter dem 30.03.2008 einen Einzelverbindungsnachweis. Bei der Fa. ... sei ebenfalls eine Versendungsaktivität der Beklagten zu den jeweiligen Zeiten nicht feststellbar. Es seien diverse Möglichkeiten vorhanden, SPAM-Nachrichten unter fremden Nummern zu versenden, insbesondere über sogenannte "Bulk-Routen" über ... oder .... Für den Empfänger sei bei professioneller Versendern der tatsächliche Absender nicht zu ermitteln. Die Beklagte habe zu keiner Zeit Verdachtsmomente gehabt und könne sich vor SPAM-Nachrichten unter ihrer Telefonnummer nicht schützen. Bis auf die ersten beiden Sätze ist der Vortrag der Beklagten unstreitig.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet, so dass der rechtzeitig eingelegt Einspruch keinen Erfolg hat.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 7 Abs. 2 Nr. 3, 3, 8 Abs. 3, Nr. 3 UWG begründet.
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post (dazu gehören SMS) unlauter, wenn sie einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. Von einer solchen Belästigung ist unter Berücksichtigung der Nr. 2 der vorgenannten Vorschrift, die sich mit Telefonanrufen befasst, gegenüber Verbrauchern bei Werbe-SMS ohne vorherige Einwilligung ohne weiteres auszugehen.
Zwischen den Parteien ist im Einspruchsverfahren unstreitig, dass die Zeugen vor Versendung des Stichwortes "KATI" eine die Beklagte eine SMS unter der Telefonnummer der Beklagten erhalten haben und eine Einwilligung nicht vorlag. Streitig ist nur, ob diese ersten SMS der Beklagten zuzurechnen sind. Davon ist die Kammer überzeugt, zumindest hat die Beklagte den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht widerlegt.
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich bereits aus der Aussage des Zeugen ..., dass die Beklagte Veranlasserin der ersten SMS war, da diese nämlich Gegenstand des Telefonates des Zeugen mit dem Herrn von der ... (K 3) war. Mit diesem Herrn hat der Zeuge nämlich die Frage erörtert, ob in der ersten SMS, in der die Rede von dem Telegramm war, eine Preisangabe vorhanden war oder nicht. Allein aus dieser Erörterung ist zu entnehmen, dass die Beklagte die erste SMS versandt hat und der Herr von der ... hiervon auch wusste.
Zudem ergibt sich dieses Ergebnis auch bei Anwendung des Anscheinsbeweises. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises finden Anwendung bei typischen Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ablauf hinweisen. Ein solcher Geschehensablauf liegt hier vor, da typischerweise SMS von der angegebenen Telefonnummer stammen. Die Klägerin hat einen Lebenssachverhalt dargelegt, der inzwischen auch unstreitig ist und auf den der Anscheinsbeweis anzuwenden ist. Damit hat die Beklagte konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines abweichenden Verlaufs ergibt. Eine ernstliche Möglichkeit wurde von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt.
Die Beklagte hat den Einzelverbindungsnachweis zu der streitgegenständlichen Telefonnummer vorgelegt. Danach wurden zu den fraglichen Zeitpunkten eine SMS versandt. Es taucht für den ganzen Monat März nur eine SMS auf. Hieraus ergibt sich jedoch kein Nachweis, dass die hier gegenständlichen Nachrichten nicht von der Beklagten stammen. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag am 22. und 24.03.2008 die Willkommens-Messages an die Zeugen versandt hat. Aufgrund der Werbung der Beklagten kann im übrigen auch davon ausgegangen werden, dass sie weitere Willkommens-Messages in diesem Zeitraum versandt hat. Wenn diese SMS nicht unter der gegenständlichen Rufnummer berechnet werden, so muss die Beklagte andere Möglichkeiten haben, unter der Rufnummer, SMS zu versenden.
Auch wenn die Fa. ... keine Versendungsaktivitäten der Beklagten zu den fraglichen Zeitpunkten feststellen konnte, wird hierdurch nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte dennoch für die SMS verantwortlich ist. Das gilt um so mehr unter Berücksichtigung der Ausführungen im vorhergehenden Absatz.
Auch wenn es die Möglichkeit gibt, aus dem Ausland über "Bulk-Routen" SMS unter beliebigen Telefonnummern zu versenden, so ergibt sich hieraus nur die vage Möglichkeit, dass dies im vorliegenden Fall geschehen sein könnte. Diese Möglichkeit ist sehr vage, da die Beklagte die einzige ist, die von einer Werbung dieser Art profitiert. Sie hat ja nach Erhalt des Stichwortes durch den Zeugen ..., der weitere SMS nicht versandt hat, diesem sofort eine Rechnung übersandt hat. Davon abgesehen, hätte dann auch die Beklagte die Möglichkeit gehabt, unter Nutzung von "Bulk-Routen", SMS zu versenden.
Auf Antrag der Klägerin war gemäß § 890 ZPO Ordnungsgeld bzw. -haft anzudrohen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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