„Ein Lichtlein brennt“ – LEDs im Lichte des Wettbewerbsrechts
Beschluss vom LG Dessau-Roßlau
Entscheidungsdatum: 29.01.2010
Aktenzeichen: 3 O 85/09
Leitsätze
1. Werden Leuchtmittel, die „die Grenzwerte der Störspannung nach der Europäischen Norm nicht einhalten“, dennoch vertrieben, ist darin eine Rechtsverletzung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG zu sehen.
2. Ursache ist vor allem der Verstoß gegen die Regelungen des GPSG und der GPSGV, die „dazu bestimmt sind im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regulieren“.
Tenor
Im Namen des Volkes!
In dem Rechtsstreit
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
hat die 3. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Dessau-Roßlau auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.2010 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht als Vorsitzende
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd, elektrische Leuchtmittel in Verkehr zu bringen, wenn diese nicht den Anforderungen der EN 55015:2006/A1:2007 genügen.
2. Für den Fall einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot nach Ziffer 1. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Beklagten zu vollziehen ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist die ... mit Sitz in ... . Die Beklagte vertreibt elektrische Leuchten, auch der Marke SOLAROX. Mitte April 2009 ließ die Klägerin zwei Leuchten durch das ... in ... prüfen. Die Ergebnisse des Prüflabors stellten fest, dass die zur Prüfung vorgelegten Leuchten nicht den Anforderungen der EN 55015:2006/A1:2007 genügten. Untersucht worden waren die Produkte "SOLAROX High Power LED Spot LED: CREE XR-E warmwithe", Artikel-Nr. 80028 und "SOLAROX High Power LED Bulb LED: CREE XR-E white", Artikel-Nr. 80041. Die Prüfungen ergaben, dass bei diesen untersuchten Produkten die Grenzwerte zur Störspannung nach der Europäischen Norm nicht eingehalten wurden. Wegen der Einzelheiten der Prüfergebnisse wird auf die vorliegenden Anlagen 1 und 2, die Prüfberichte des ... verwiesen.
Nach Kenntnis dieser Prüfberichte mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2009 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung auf. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück und behauptete, der Sachvortrag der Klägerin träfe nicht zu.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Unterlassung des in Verkehrsbringens von elektrischen Leuchtmitteln, die nicht den Anforderungen der EN-Norm genügten.
Sie behauptet, die untersuchten Produkte seien von der Beklagten vertriebene Leuchten. Die Testberichte belegten, dass die Produkte die Grenzwerte zur Störspannung nach der Europäischen Norm nicht einhielten. Die Beklagte verstoße damit gegen die marktregulierenden Vorschriften des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes und sei wettbewerbsrechtlich insoweit zur Unterlassung zu verurteilen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd elektrische Leuchtmittel in Verkehr zu bringen, wenn diese nicht den Anforderungen der EN 55015:2006/A1:2007 genügen.
2. Für den Fall einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot nach Ziffer 1. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Beklagten zu vollziehen ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin zur Klage befugt sei. Sie bestreitet, dass die aufgeführten Produkte die Anforderungen der EN-Norm nicht erfüllten. Die vorliegenden Prüfberichte seien zum Nachweis nicht geeignet. Sie bestreite, dass es sich bei den getesteten Produkten um die von der Beklagten angebotenen Leuchtmittel handele. Die von der Beklagten vertriebenen Leuchtmittel entsprächen dem in der Europäischen Gemeinschaft gegebenen Stand der Sicherheitstechnik und erfüllten die Anforderungen der Europäischen EN-Norm. Darüber lägen entsprechende Zertifikate vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin ist klagebefugt, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Klägerin besitzt aufgrund ihrer Mitgliederstruktur die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet. Das ist sowohl durch Literatur als auch Rechtsprechung umfassend und allgemein anerkannt und herrschende Meinung (vgl. UWG, 27. Aufl., Einleitung Rn. 229 m.w.N.).
Das Bestreiten mit Nichtwissen seitens der Beklagten ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Die Beklagte kann sich durch entsprechende Informationen Kenntnisse darüber verschaffen, in welchem Umfang der Klägerin Mitglieder angehören und unter Umständen die Klagebefugnis konkret bestreiten. Im Hinblick auf die allgemein anerkannte umfassende Klagebefugnis ist das Bestreiten der Beklagten insgesamt unbeachtlich.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gern. §§ 3; 8 Abs. 1; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 4 GPSG. Auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ist die erste GPSGV, die Verordnung über das in Verkehrbringen elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen erlassen worden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 erste GPSGV dürfen neue elektrische Betriebsmittel nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie entsprechend dem in der Europäischen Gemeinschaft gegebenen Stand der Sicherheitstechnik hergestellt sind. Eine gleichartige Regelung findet sich in § 4 Abs. 1 Satz 1 GPSG.
Zu dem in der Europäischen Gemeinschaft gegebenen Stand der Sicherheitstechnik gehört die Europäische Norm EN 55015:2006/A1:2007 "Grenzwerte und Messverfahren für Funktionsstörungen von elektrischen Beleuchtungseinrichtungen und ähnlichen Elektrogeräten".
Die von der Beklagten vertriebenen und durch die Klägerin untersuchten elektrischen Leuchtmittel erfüllen die Grenzwerte zur Störspannung nach der genannten Europäischen Norm nicht. Das ergibt sich zweifelsfrei aus den Prüfberichten des ... GmbH aus Siegen. Aus den Berichten wird ersichtlich, dass die Störspannung geprüft wurde und die untersuchten Lampen den Test jeweils nicht bestanden haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Testberichte Anlage 1 und 2 Bezug genommen.
Nach diesen Testberichten steht fest, dass die getesteten Leuchtmittel die Anforderungen und Grenzwerte zur Störspannung nach der Europäischen Norm nicht einhalten. Deshalb dürfen sie nach den vorstehend genannten Regelungen des GPSG und der GPSGV nicht in den Vertrieb gebracht werden.
Soweit die Beklagte diese Leuchtmittel dennoch vertreibt, verstößt sie wettbewerbsrechtlich gegen § 4 Nr. 11 UWG. Bei den Vorschriften der GPSG und der GPSGV handelt es sich um Vorschriften, die dazu bestimmt sind im Interesse der Marktteilnehmer das Markverhalten zu regulieren, § 4 Nr. 11 UWG. Soweit durch die Beklagte dagegen verstoßen wird, liegt ein wettbewerbsrechtlich relevantes Handeln vor, das gern. § 3 i. V. m. § 8 UWG einen Unterlassungsanspruch rechtfertigt.
Die Behauptung der Beklagten, es sei nicht erkennbar, inwieweit es sich um von ihr vertriebene Leuchtmittel handele, ist unbeachtlich, denn die Beklagte räumt ein, derartige Leuchtmittel zu vertreiben. Soweit diese, wie die Testberichte ergeben, den Anforderungen der Grenzwerte nicht entsprechen, ist auch die Beklagte gehalten, den Vertrieb und das in Verkehrbringen entsprechender Leuchtmittel zu unterlassen.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die von ihr vorgelegten Zertifikate berufen. Zwar wird aus den Zertifikaten erkennbar, dass sie sich auf ähnliche Leuchtmittel beziehen, wie durch die Klägerin untersucht worden sind. Denn das Zertifikat vom 28. September 2007 betrifft ein Produkt High Power LED Spot. Das Zertifikat vom 22. September 2004 bezieht sich auf ein LED MR 16 Spot light und somit schon nicht zweifelsfrei auf das von der Klägerin untersuchte Leuchtmittel. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Zertifikat vom 22. September 2004, dass diese Bestätigung sich offenbar auf eine vorher gültige Fassung der EN-Norm bezogen hat. Ebenfalls aus dem Zertifikat vom September 2007 ergibt sich die vorhergehende Fassung der EN-Normen.
Ob unter Berücksichtigung der EN-Norm mit Stand 55015:2006/A1:2007 diese Produkte den Anforderungen genügen würden, ergibt sich aus den Zertifikaten nicht.
Die Beklagte kann sich somit nicht mit Erfolg auf die von ihr vorgelegten Zertifikate berufen.
Letztlich ist die Beklagte somit zur Unterlassung zu verpflichten, Leuchtmittel in den Verkehr zu bringen, wenn diese den Anforderungen der EN-Norm nicht genügen.
Gern. § 890 Abs. 1 ZPO ist der Beklagten für den Fall einer Zuwiderhandlung ein entsprechendes Ordnungsgeld anzudrohen.
Die Beklagte ist zur Erstattung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 208,65 € verpflichtet Der Anspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Dieser Anspruch ist für die Klägerin auch der Höhe nach allgemein anerkannt. Gegen die Berechnung der Kosten werden konkrete Einwendungen auch nicht erhoben.
Darüber hinaus hat die Beklagte als unterliegende Prozesspartei auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Volistreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt dem von der Klägerin angegebenen Interesse an der begehrten Unterlassung.
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