"Alles meins" - Verstoß gegen das ausschließliche Verbreitungsrecht
Urteil vom LG Hamburg
Entscheidungsdatum: 27.06.2007
Aktenzeichen: 308 O 320/07
Leitsätze
Hat ein Filmehersteller das ausschließliche Verbreitungsrecht für Aufnahmen eines Künstlers, dürfen diese nicht von einem Dritten veröffentlicht werden. Geschieht dies dennoch, z.B. auf einer DVD, begründet dies einen Unterlassungsanspruch aus § 97 I UrhG.
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 16.05.2007 wird bestätigt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen eines nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Verbreitens einer DVD mit Aufnahmen des Rock-Sängers A. in Anspruch.
Die Antragstellerin ist ein in L ansässiges Unternehmen aus der Unterhaltungsmusikbranche, das Tonträger und Bildtonträger produziert und vertreibt. In ihrem Repertoire befinden sich die DVDs "B" (im Original Anlage A 12), erstmalig zeitgleich erschienen in Deutschland und anderen EU-Staaten am 27.11.2000, und "A. – Live in M" (im Original Anlage A 11), erstmalig zeitgleich erschienen in Deutschland und anderen EU-Staaten am 29.05.2006. Auf der DVD "B" befinden sich Aufnahmen des Rock-Sängers A, welche am 19.07.2000 von einem Konzert in der Konzerthalle "L" in L stammen. Unter anderem sind das die Aufnahmen mit den Titeln "Gimme", "Blow Me a Kiss", "Feed My Frankenstein", "Medley: Ballad of Dwight Fry/I Love the Dead/The Black Widow", "Medley: You Drive Me Nervous/Under My Wheels". Auf der DVD "A. – Live in M" befinden sich Aufnahmen des Künstlers A., welche von einem Konzert auf dem M Festival 2005 stammen. Unter anderem sind das die Aufnahmen mit den Titeln "Dirty Diamonds", "What Do You Want From Me", "Is It My Body". "Poison" und "Go To Hell".
Die Antragsgegnerin handelt ebenfalls mit Ton- und Bildtonträgern. Sie bietet in ihrem Onlineshop die DVD "A" von V an (liegt im Original als Anlage A 13 vor). Darauf befinden sich unter anderem die identischen Aufnahmen mit den zuvor genannten Titeln von den DVD "B" und "A".
Die Antragstellerin sieht sich durch die Nutzungshandlung der Antragsgegnerin in ihren – abgeleiteten – Filmherstellerrechten verletzt.
Die Antragstellerin trägt vor:
Originärer Hersteller der Filmaufnahmen des L Konzerts sei die T. aus den USA. Diese habe der Antragstellerin mit Vertrag vom 15.02.2002 (Anlage A 6) die ausschließlichen Nutzungsrechte zur weltweiten Auswertung der Aufnahmen unter anderem auf Video übertragen, und zwar für 15 Jahre ab Erstveröffentlichung; für T. habe A. gezeichnet. Aus Schedule 2 zu diesem Vertrag folge unter anderem, dass A der T. die Filmaufnahmen gestattet habe und er mit einer Auswertung über die Antragstellerin einverstanden sei.
Originärer Hersteller der Aufnahmen des Konzerts auf dem M Festival 2005 sei M Sounds SA. Diese habe der Antragstellerin die ausschließlichen Rechte zur Auswertung sämtlicher Aufnahmen auf dem Jazz Festival von 1967 bis 2005 auf DVD mit Vertrag vom 01.01.2006 übertragen (Anlage A 7); ausgenommen worden seien nur Aufnahmen gemäß Schedule 1, also nicht die von A. A. habe dieser Rechteübertragung schriftlich zugestimmt (letzter Teil Anlage A 7).
Die Kammer hat auf Antrag der Antragstellerin unter dem 16.05.2006 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin zur Meidung der Ordnungsmittel des § 890 ZPO die Verbreitung der DVD "A" verboten wird, soweit darauf die oben mit Titeln bezeichneten Aufnahmen enthalten sind, und aufgegeben, Auskunft gemäß § 101 a UrhG zu erteilen, sowie Vervielfältigungsstücke der DVD zur Sicherung eines Vernichtungsanspruchs herauszugeben.
Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch. Sie sieht die Aktivlegitimation der Antragstellerin als nicht hinreichend dargetan an, meint diese nicht aus den Verträgen der Antragstellerin mit T. und M Sounds SA herleiten zu können, zumal Angaben über die jeweils gespielten Titel und ursprünglichen Veranstalter fehlten. Insoweit gebe es auch Ungereimtheiten bei der Vereinbarung zwischen A und der Antragstellerin, zudem werde bestritten, dass A für T. vertretungsberechtigt sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 16.05.2007 aufzuheben und den ihrem Erlass zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 16.05.2007 zu bestätigen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Gründe
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen. Der Verfügungsgrund steht nicht in Frage und die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Herausgabe wie im Beschluss vom 16.05.2005 angeordnet.
I. Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 97 Abs. 1 UrhG. Denn die Antragsgegnerin hat durch das Anbieten der DVD "A" von V mit den streitgegenständlichen Aufnahmen widerrechtlich das der Antragstellerin aus abgeleitetem Recht zustehende ausschließliche Verbreitungsrecht des Filmherstellers gemäß § 94 Abs. 1 UrhG verletzt; das begründet eine Wiederholungsgefahr für das Anbieten und eine Begehungsgefahr für ein Inverkehrbringen.
1. Die Filmaufnahmen sind in der Bundesrepublik Deutschland urheberrechtlich geschützt. Dabei kann dahinstehen, ob der Filmhersteller Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR ist und ob es Filmwerke sind oder nur Laufbilder. Denn auch für andere Staatsangehörige und für Laufbilder kommt bei einem gleichzeitigen Ersterscheinen in Deutschland und anderen EU-Staaten über §§ 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG ein Schutz zum Tragen.
2. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, Inhaberin der ausschließlichen Filmherstellerrechte zu sein.
Die Filmherstellereigenschaft von T. bezüglich der Aufnahmen des Konzerts in L ist nicht bestritten worden. T. hat seine Rechte durch Vertrag vom 15.02.2002 mit der Antragstellerin auf diese übertragen. Dass die Rechteübertragung die streitigen Titel erfasst, folgt daraus, dass diese auf dem Konzert aufgenommen wurden und die Konzertaufnahmen vertragsgegenständlich sind. Hinzu kommen zur Glaubhaftmachung die dem Vertrag anliegende Erklärung von A, eine eidesstattliche Versicherung der M., Senior Business Affairs Manager der Antragstellerin, vom 16.05.2007 (Anlage A 3), und die weitere indizielle Bestätigung des Vortrags durch Rechtevermerke auf dem Originaltonträger "B". Das Bestreiten der Zeichnungsberechtigung As für T. ändert an dieser Bewertung nichts. Zum einen liegt es nicht fern, dass A. für eine nach seinem Album "Trash", welches ihm 1989 den Durchbruch verschaffte, benannte Firma auch zeichnen kann. Zum anderen ist die Filmherstellereigenschaft von T. nicht bestritten und der Vertrag ist vollzogen worden; das legt nahe, dass T. sich durch die Unterschrift von A. auch als verpflichtet angesehen hat.
Auch die originäre Filmherstellereigenschaft von M Sounds SA für die Aufnahmen auf dem Jazz Festival 2005 ist unbestritten. Diese Rechte sind mit Vertrag vom 01.01.2006 auf die Antragstellerin übertragen worden (Anlage A 7). Unerheblich ist, dass die Aufnahmen nicht konkret genannt sind. Sie fallen in den Zeitraum der übertragenen Aufnahmen und sind nicht ausgenommen worden in Schedule 1. Zudem hat auch hier A der Auswertung durch die Antragstellerin schriftlich zugestimmt. Hinzu kommen auch hier die eidesstattliche Versicherung der M. und die weitere indizielle Bestätigung des Vortrags durch Rechtevermerke auf dem Originaltonträger "A".
Zu Unrecht stellt die Antragsgegnerin darauf ab, es fehle Vortrag dazu, wer Veranstalter – wohl der Konzerte – und wer ursprünglicher Rechteinhaber an den Aufnahmen sei. Die originäre Rechteinhaberschaft an den Aufnahmen ist vorstehend dargestellt worden, und wer Veranstalter war, ist für die Rechte des Filmherstellers unerheblich.
3. Die Nutzung der Aufnahmen durch ein Anbieten zum Kauf im Internet ist unstreitig; das begründet eine Wiederholungsgefahr für das Anbieten selbst und eine Begehungsgefahr für ein Inverkehrbringen.
II. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 101 a UrhG, der Herausgabeanspruch dient der Sicherung des Vernichtungsanspruchs gemäß § 98 Abs. 1 UrhG.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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