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Hamburg

„Tripp-Trapp – Sit UP!“: Ein Kinderhochstuhl entdeckt das Urheberrecht

Urteil vom OLG Hamburg

Entscheidungsdatum: 01.11.2001
Aktenzeichen: 3 U 155/00

Leitsätze

1. Ist ein Stuhl ein Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 I Nr. 4 UrhG, ist er urheberrechtlich geschützt.
2. Die erforderliche Gestaltungshöhe, die durch die persönliche, geistige Schöpfung nach § 2 II UrhG ausgelöst wird, erfüllt der Stuhl durch seine sinnlich wahrnehmbare Form.
3. Der Tripp-Trapp-Stuhl verfügt über „ein hohes Maß an gestalterischer Kreativität, mit dem der Werkschöpfer die sich aus der Aufgabenstellung eines zugleich robusten und standsicheren mitwachsenden Kinderstuhls ergebenden Anforderungen mit ästhetisch ansprechenden Ausdrucksformen zu einem zugleich „technisch“ funktionalen und ästhetisch ansprechenden Kunstwerk verbunden hat“.
4. Liegt ein „genügender Abstand zwischen den eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes“ und dem neuen Werk, so ist eine zulässige freie Benutzung im Sinne von § 24 UrhG zu bejahen
5. Vermittelt das neue Werk zwar eine „ähnliche Anmutung“ wie die Vorlage, sind aber maßgebliche Formelemente, die für den Gesamteindruck wesentlich sind, unterschiedlich, begründet dies keine Urheberrechtsverletzung.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 26.05.2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 35.000.- abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil beschwert die Klägerin um DM 500.000,-.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf DM 500.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die urheber- und wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Herstellung und des Vertrieb des Kinderhochstuhls "SIT UP I" durch die Beklagte.

Die Klägerin ist ein norwegischer Möbelhersteller. Sie stellt her und vertreibt unter anderem einen Kinderhochstuhl unter der Bezeichnung "Tripp-Trapp-Stuhl" (Abbildung Anlage K2). Die Klägerin leitet ihre diesbezüglichen Rechte aus einem am 06.10.1972 mit dem norwegischen Designer P.O. her, der den Tripp-Trapp-Stuhl zwischen 1969 und 1972 entworfen hatte, geschlossenen Lizenzvertrag her (Anlage K4). Durch diese Vereinbarung ist der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der St. Fa. A/S, das ausschließliche Nutzungsrecht an diesem Möbelstück eingeräumt worden, nämlich das alleinige Recht, den in den dazugehörigen Zeichnungen dargestellten Stuhl (Anlage K 16 und K17) herzustellen und weltweit zu verkaufen.

Der Vertrieb des Tripp-Trapp-Stuhls erfolgt in Deutschland durch die 1987 gegründete Tochtergesellschaft St. GmbH.

Der Tripp-Trapp-Stuhl besteht aus zwei parallelen, aus Holz gefertigten, schräg nach oben verlaufenden geraden Holmen, die am Boden mit zwei nach hinten laufenden, etwa halb so langen, ebenfalls aus Holz bestehenden Kufen verbunden sind. In den Holmen sind Nuten eingefräst, in die zwei Holzplatten eingeschoben werden können, wobei die obere als Sitzfläche und die untere als Fußstütze dient. Im oberen Bereich der Holme befinden sich zwei quer verlaufende, gebogene Leisten, die als Rückenlehne dienen. Auf der Höhe der Rückenlehne kann eine nach vorn gebogenen Leiste als Sturzschutz angebracht werden. Die Holme sind darüber hinaus durch zwei Metallstangen miteinander verbunden. Zwischen den Kufen befindet sich in der Mitte eine weitere Querverbindung in Form einer Holzleiste. In der Seitenansicht weist der Tripp-Trapp-Stuhl eine schräge L-Form auf.

Der Tripp-Trapp-Stuhl hat den "Klassikerpreis" des norwegischen Designrates 1995 erhalten und ist in die Endausscheidung für den Europäischen Design-Preis 1996 gelangt (Anlage K6). Zudem ist er in dem Buch "Schöner Wohnen - Moderne Klassiker - Möbel, die Geschichte machen" aufgeführt (Anlage K7) und findet Erwähnung in der norwegischen Presse als einer von zwölf ausgewählten Möbelklassikern (Anlage K5).

Die Beklagte vertreibt ihrerseits einen Kinderhochstuhl unter der Bezeichnung ""SIT UP I"" (Anlage K11), der dem Tripp-Trapp-Stuhl in seinem Äußeren ähnelt. Er verfügt auf jeder Seite über zwei in spitzem Winkel aufeinander zulaufende, in der unteren Hälfte der Rückenlehne sich treffende Holme und eine im unteren Bereich vom Boden deutlich abgesetzte, die Holme verbindende Querleiste. Er wird auch in einer Aufmachung mit einem kleinen Tischchen vertrieben (Anlage K14).

Die Klägerin hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 20.03.1987 (Anlage K9) wegen der Herstellung und des Vertriebs einer Nachbildung abgemahnt, bei der es sich um ein Vorgängermodell des "SIT UP I"-Stuhls handelte (Anlage K8). Die Beklagte gab daraufhin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (Anlage K9). Wegen eines weiteren, von der Klägerin ebenfalls als Nachahmung des Tripp-Trapp-Stuhls beanstandeten Sitzmöbels (Anlage K10) schlossen die Parteien vor dem Landgericht Hamburg in dem Verfahren 308 O 403/97 einen Unterlassungsvergleich.

Verschiedene Stühle, in denen sich auch vom Tripp-Trapp-Stuhl genutzte Formelemente finden, waren in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldungen gewesen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte mit Offenlegungsschrift 24 21 259 am 13.11.1975 den Tripp-Trapp-Stuhl in Deutschland offengelegt (Anlage B7) und am 02.05.1974 zum Patent (Anlage B6) sowie als Hilfsgebrauchsmuster (Anlage B8) angemeldet.

Zu dem relevanten vorbekannten Formenschatz gehört u.a. ein Gebrauchsmuster der E. GmbH von 1969 (Anlage B13), eine britische Patentanmeldung aus dem Jahr 1941 (Anlage B14) sowie möglicherweise auch eine deutsche Offenlegungsschrift der Fa. K. zu einem "mitwachsenden Spielstuhl" aus dem Jahr 1972 (Anlage B5).

Die Beklagte hat ihrerseits die Klägerin vor dem Landgericht München I in einem Verfügungs- und anschließenden Hauptsacheverfahren auf u.a. Feststellung in Anspruch genommen, der "SIT UP I" verletze keine urheberrechtlichen Verwertungsrechte und stelle sich nicht als wettbewerbswidrige Nachahmung dar (Anlagen B1 bis B4).

Die Klägerin hat vorgetragen,

bei dem Tripp-Trapp-Stuhl handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk, der durch den "SIT UP I"-Stuhl unzulässig kopiert worden sei. Der Tripp-Trapp-Stuhl sei 1970/1971 von P.O. für sie entworfen und entwickelt worden.

Der Tripp-Trapp-Stuhl sei als persönlich-geistige Schöpfung ein Werk der angewandten Kunst. Er sei in hohem Maße eigentümlich und unterscheide sich nachhaltig von sonst üblichen Formen, wie ein Vergleich mit anderen auf dem Markt befindlichen Kinderstühlen zeige (Anlagen K3 und K18 und K19, siehe auch B20). Durch die offene Dreiecks-Form, in welche die Sitz- und Fußplatten sowie die Lehne eingepasst seien, weise er eine individuelle Gestalt auf. Hierdurch unterscheide er sich von den sonst üblichen Formen und hebe sich nachhaltig von anderen Kinderstühlen ab. Im Vordergrund stehe die eigentümliche optische Gestaltung und die dadurch erzeugte ästhetische Wirkung, die nicht durch technische Gegebenheiten bedingt sei. Deshalb könne die Beklagte aus den von ihnen eingeführten Unterlagen zu dem vorbekannten Formenschatz nichts für sich herleiten. Diese Gebrauchsmusteranmeldungen bzw. Patentschriften beträfen allein technische, nicht aber ästhetische Fragen. Sie vermittelten im übrigen auch einen völlig andersartigen Gesamteindruck. Die Form des Tripp-Trapp-Stuhls sei Anfang der 70er auch einzigartig gewesen. Insbesondere sei die Gesamtgestaltung nicht dem vorbekannten Formenschatz entnommen. Zudem lägen die maßgeblichen Beurteilungszeitpunkte der von der Beklagten geltend gemachten Entgegenhaltungen zum Teil auch nach dem Schöpfungszeitpunkt des Tripp-Trapp-Stuhls 1970/1971 und könnten auch deshalb keine Berücksichtigung finden.

Sie habe allein durch den Vertrieb des Tripp-Trapp-Stuhls in den Jahren 1989 bis 1999 in Deutschland kumulierte Umsätze von ca. DM 100 Mio. erzielt. Sie unterbinde auch Imitate des Tripp-Trapp-Stuhls durch andere Unternehmen konsequent durch Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Klageverfahren.

Das in Bezug auf diesen Stuhl bestehende Urheberrecht habe die Beklagte durch die Herstellung und den Vertrieb des "SIT UP I"-Stuhls verletzt. Dieser sei eine offensichtliche Nachahmung, der sämtliche charakteristischen Merkmale des Tripp-Trapp-Stuhl aufweise und lediglich in wenigen Details hiervon abweiche. Das Bemühen der Beklagten, sich etwa durch zusätzliche Bauelemente von dem Tripp-Trapp-Stuhl abzusetzen, sei auf den ersten Blick erkennbar. Dabei handele es sich aber lediglich um leichte Abweichungen, die einer Urheberrechtsverletzung nicht entgegenstünden, da unverändert der gleiche ästhetische Gesamteindruck entstehe. Diese habe u.a. auch bereits das Landgericht Den Haag in den Niederlanden entschieden (Anlagen K12 und K13).

Selbst wenn urheberrechtliche Ansprüche nicht gegeben seien, liege jedenfalls ein Wettbewerbsverstoß unter den Gesichtspunkten der sklavischen Nachahmung, der Herkunftstäuschung, der Rufausbeutung bzw. der Absatzbehinderung vor. Hierzu macht die Klägerin nähere Ausführungen.

Im übrigen könne sie in Deutschland für die Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhl Ausstattungsschutz beanspruchen und berufe sich deshalb auch auf markenrechtliche Anspruchsgrundlagen.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM 500.000,00; Ordnungshaft höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

Kinder-Hochstühle in der Form, wie sie aus der diesem Titel als

Anlage K1

beigehefteten Abbildung ersichtlich ist und wie sie gegenwärtig unter der Bezeichnung "SIT UP I" angeboten werden,

und/oder

in der Form, wie sie aus der diesem Titel als

Anlage K14

beigehefteten Abbildung ersichtlich ist,

anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen und/oder sonst in den Verkehr zu bringen.

II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unverzüglich Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit sie in den drei Jahren vor Klagerhebung und seit Klagerhebung die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in Verkehr gebracht hat,

und zwar unter Angabe von Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer aller bezogenen vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle,

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle in den letzten drei Jahren vor Klagerhebung und seit Klagerhebung hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

es sei bereits die Aktivlegitimation zweifelhaft, da nicht eindeutig sei, auf welchen Entwurf sich der vorgelegte Vertrag beziehe. Deshalb müsse sie bestreiten, dass die Klägerin die behaupteten Rechte eingeräumt erhalten habe.

Zudem liege mit dem Tripp-Trapp-Stuhl kein urheberrechtlich geschütztes Werk vor. Es fehle dafür bereits an der erforderlichen Gestaltungshöhe. Ein Urheberrechtsschutz scheide zum einen deswegen aus, weil die Gestaltungsmerkmale überwiegend technisch bestimmt und an den ergonomischen Gegebenheiten ausgerichtet seien, so dass sie in den Anwendungsbereich technischer Schutzrechte fielen, hingegen keinen "ästhetischen Überschuss" aufwiesen. Die Gestaltung beruhe allein auf bekannten technischen Lösungen. Zudem sei diese durch den für das relevante Schöpfungsjahr maßgeblichen, seinerzeit bereits bekannten Formenschatz vorweggenommen. Insoweit bestünden gravierende gestalterische Übereinstimmungen. Dies zeigten die in den Anlagen B5 bzw. B13 und B14 vorliegenden Unterlagen zu Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldungen. In diesen Darstellungen seien die wesentlichen Merkmale des Tripp-Trapp-Stuhl bereits enthalten.

Soweit Möbelstücken in der Vergangenheit Urheberrechtsschutz zuerkannt worden sei, habe es sich dabei gerade nicht wie vorliegend bei dem Tripp-Trapp-Stuhl um Alltagsmöbel, sondern stets um künstlerisch gestaltete Gegenstände gehandelt, die durch besondere Gestaltungselemente ausgezeichnet gewesen seien. Der Tripp-Trapp-Stuhl erfülle noch nicht einmal die niedrigeren Anforderungen, die an einen Geschmacksmusterschutz zu stellen seien. Auch hierauf könne sich die Klägerin aber auch nicht berufen. Denn eine etwaiger Geschmacksmusterschutz - hätte die Klägerin einen solchen seinerzeit erlangt - wäre längst abgelaufen.

Selbst wenn man eine Werkeigenschaft des Tripp-Trapp-Stuhls annehmen wollte, fehle es jedenfalls an einer Rechtsverletzung durch den "SIT UP I"-Stuhl. Dieser unterscheide sich wesentlich von dem Tripp-Trapp-Stuhl, wobei die Übereinstimmungen auf technischen Notwendigkeiten sowie auf dem allgemeinen und bekannten Formenschatz beruhten. Wesentliches Gestaltungselement des Tripp-Trapp-Stuhls sei die L-Form, die beim "SIT UP I" gerade nicht vorhanden sei. Dieser sei höchst unterschiedlich und vermittele aufgrund seiner Konstruktion eine gänzlich abweichende Anmutung in der Seitenansicht in Form eines "A". Diese Unterschiede seien offenkundig und für den relevanten Betrachter ohne weiteres zu erkennen.

Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen berufen. Durch diese nachrangige Rechtsmaterie dürften die sonderrechtlichen Schutzerfordernisse des Geschmacksmuster- und Urheberrechts nicht ausgehebelt werden. Im übrigen seien auch die Voraussetzungen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes nicht gegeben, da der Tripp-Trapp-Stuhl keine wettbewerbliche Eigenart besitze und es sich bei dem "SIT UP I"-Stuhl weder um eine sklavische Nachahmung bzw. unmittelbare Aneignung, sondern ein eigenständiges Produkt handele. Deshalb könne auch von einer Herkunftstäuschung oder gar von einer Rufausbeutung keine Rede sein.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte vertieft ihre erstinstanzlichen Darlegungen und trägt ergänzend vor,

sie bestreite nach wie vor die Urheberschaft von P.O. sowie die Aktivlegitimation der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe beim Tripp-Trapp-Stuhl eindeutig die technische Funktion im Vordergrund und nicht eine ästhetische Originalität. Sein wirtschaftlicher Erfolg erkläre sich durch das sog. "Mitwachsargument" für Kinder. Gerade die Gewährung technischer Schutzrechte sei aber wegen neuheitsschädlicher Vorwegnahme abgelehnt worden. Dem Tripp-Trapp-Stuhl fehle es an der gestalterischen Einmaligkeit, einem schutzwürdigen "großen Wurf".

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.05.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, die Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhls - an der ihr durch den Urheber P.O. die Nutzungsrechte eingeräumt worden seien - sei keineswegs überwiegend technisch bedingt. Es gäbe selbst bei einer identischen Zweckausrichtung eine Vielzahl von Gestaltungsalternativen. Hierzu macht die Klägerin unter Bezugnahme auf die Beispiele in Anlage K18 ergänzende Ausführungen.

Erforderlich für die Frage der Verletzung sei eine Gesamtbetrachtung der Möbelstücke, wobei alle Perspektiven zu berücksichtigen seien. Eine Beschränkung auf einzelne Ansichten und sich u.U. daraus ergebende Abweichungen ("L"-Form bzw. "A"-Form) sei unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Herstellung und des Vertriebes des "SIT UP I"-Stuhls aus § 97 Abs. 1 UrhG zu. Denn bei dem von der Beklagten vertriebenen Stuhl handelt es sich nicht um eine unfreie Bearbeitung des urheberrechtlich geschützten Tripp-Trapp-Stuhls. Auch wettbewerbs- und markenrechtliche Anspruchsgrundlagen greifen nicht durch. Deshalb sind auch die geltend gemachten Schadensersatz- sowie Auskunftsansprüche unbegründet.

1. Ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG steht der Klägerin nicht zur Seite. Die Herstellung und der Vertrieb des "SIT-UP I"-Stuhls verletzt die Klägerin nicht in ihren urheberrechtlichen Verwertungsrechten an dem Tripp-Trapp-Stuhl.

a. Allerdings ist die Klägerin aktivlegitimiert, da sie durch Vertrag vom 6.10.1972 (Anlage K4) von dem Designer P.O. das alleinige Recht, den Tripp-Trapp-Stuhl herzustellen und weltweit zu verkaufen, und damit ein ausschließliches Nutzungsrecht erworben hat. Die Zeichnung Nr. 257, auf die der Vertrag verweist, enthält eine Darstellung der Hauptgestaltungselemente des Tripp-Trapp-Stuhls in der Seitenansicht, so dass der Senat - anders als die Beklagte - keine Zweifel daran hat, dass das ausschließliche Nutzungsrecht auch für den jetzt vertriebenen Stuhl besteht. Dem Designer P.O., von dem die Klägerin ihre Rechte herleitet, steht an dem Tripp-Trapp-Stuhl ein Urheberrecht zu. Denn bei dem Tripp-Trapp-Stuhl handelt es sich um ein Werk der bildenden Künste im Sinne von § 2 Abs. 4 UrhG, für das der norwegische Designer gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG Schutz nach dem deutschen Urhebergesetz genießt.

b. Der verteidigte Tripp-Trapp-Stuhl genießt als "Werk der angewandten Kunst" i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 UrhG auch Urheberrechtsschutz in Deutschland. Hierzu hat der Senat in dem Parallelverfahren 3 U 115/99 ausgeführt:

"a. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit längerem anerkannt, dass auch Möbel - trotz ihrer im Vordergrund stehenden Gebrauchsbestimmung - Urheberrechtsschutz genießen können. Die Schutzfähigkeit konkret von Stühlen, Sesseln und anderen Sitzmöbeln war bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen (BGH GRUR 61, 635 - Stahlrohrstuhl I; BGH GRUR 74,740 - Sessel; BGH GRUR 81,652 - Stühle und Tische; BGH GRUR 81, 820 - Stahlrohrstuhl II; BGH GRUR 87, 903 - Le Corbusier-Möbel). Sie ist bei dem Vorliegen einer entsprechenden Gestaltungshöhe angenommen worden, und zwar unabhängig davon, ob die Modelle als "Kunstwerke" oder aber zum praktischen Gebrauch gekauft worden sind (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904).

aa. Für die Frage, ob es sich bei einem Möbelstück (auch) um ein Kunstwerk handelt, kommt es bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Sitzmöbeln - wie bei allen Werken angewandter Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG - entscheidend darauf an, ob der den Formensinn ansprechende Gehalt, der in dem Erzeugnis seine Verwirklichung gefunden hat, ausreicht, dass nach der im Leben herrschenden Auffassung von Kunst gesprochen werden kann. Unabhängig von dem Gebrauchszweck des betreffenden Werkes ist dafür entscheidend, ob sich in ihm eine Gestaltungshöhe offenbart, die es rechtfertigt, das Erzeugnis unter die Werke der bildenden bzw. angewandten Kunst einzuordnen (vgl. BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904; BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl I, S. 638). Es kommt hierbei nicht auf ästhetische Feinheiten an, zu deren Feststellung ein auf dem betreffenden Gebiet arbeitender Fachmann erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr der ästhetische Eindruck, den das Werk nach dem Urteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGH GRUR 80, 853, 854 - Architektenwechsel). Dabei sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Schöpfung des Werks mit einzubeziehen (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 905).

Die hierfür erforderlichen Feststellungen vermag der Senat aufgrund der langjährigen Befassung seiner Mitglieder mit Urheberrechtsfragen aus eigener Sachkunde zu treffen, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf (BGH a.a.O. - Architektenwechsel).

bb. Der Umstand, dass ein Sitzmöbel nicht in erster Linie - zweckfrei - den Formensinn des Betrachters ansprechen soll, sondern - auch oder primär - zum praktischen Gebrauch erworben wird und diese Funktion erfüllen soll, steht der Urheberrechtsschutzfähigkeit nicht entgegen (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904). Allerdings können die im Rahmen von § 2 UrhG an die Gestaltungshöhe - trotz der Einheitlichkeit des Werkbegriffes - zu stellenden Anforderungen unterschiedlich sein. Während bei Werken der Literatur, der Musik sowie der "reinen" (zweckfreien) Kunst die sog. kleine Münze anerkannt ist, die einfache, aber gerade noch schutzfähige Schöpfungen umfasst, sind insbesondere bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen. Denn diese Werk sind in der Regel (auch) dem Geschmacksmusterschutz zugänglich. Da zwischen Urheber- und Geschmacksmusterschutz kein Wesens-, sondern nur ein gradueller Unterschied besteht, ist es gerechtfertigt, in diesen Bereichen höhere Anforderungen an die Schutzfähigkeit als Werk des Urheberrechts zu stellen. Denn da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerklichen und Alltäglichen abheben muss, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestalter zu fordern. Für den Urheberrechtsschutz ist danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu fordern (BGH GRUR 79, 332, 336 - Brombeerleuchte; BGH GRUR 95, 581, 582 - Silberdistel).

cc. Zwar werden "Designer-Möbeln", die den Schutz als Kunstwerk beanspruchen, häufig - wie auch der Tripp-Trapp-Stuhl - Beachtung in der Fachwelt bzw. in der übrigen Öffentlichkeit gefunden haben, die in die Betrachtung dann mit einzubeziehen ist (BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl I, S. 638). Voraussetzung für die Schutzfähigkeit ist ein solches "Kunstinteresse" hingegen nicht. Auch wenn als Kunstwerke urheberrechtlich geschützte Möbelstücke (wie z.B. solche aus der Bauhaus-Epoche) zuweilen in Kunstausstellungen oder Museen international präsentiert worden sind und Anerkennung gefunden haben, hängt hiervon ein urheberrechtlicher Schutz weder ab noch sind höhere Maßstäbe an die Schutzfähigkeit anzulegen, wenn sich für das Möbelstück noch keine "internationale" Wertschätzung in Kunstkreisen herausgebildet hat. Entscheidend ist allein die Frage, ob in dem Werk bei objektiver Betrachtung die erforderliche Gestaltungshöhe Ausdruck gefunden hat.

b. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Designer P.O. Urheberrechtsschutz für den Tripp-Trapp-Stuhl als Werk der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG beanspruchen. Die sinnlich wahrnehmbare Form des Stuhls offenbart die für die Anerkennung einer persönlichen, geistigen Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 vorausgesetzte erforderliche Gestaltungshöhe. Dabei ist der ästhetische Überschuss gegenüber dem alltäglichen, lediglich handwerklichen Schaffen so erheblich, dass nicht lediglich die Voraussetzungen für einen Geschmacksmusterschutz, sondern sogar diejenigen für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erfüllt sind. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden - durch Verweisung eingeführten - Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sich diese zu eigen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts Abweichendes ergibt.

aa. Urheberrechtlichen Schutz steht dem Tripp-Trapp-Stuhl allerdings nur insoweit und nur für die Gestaltungselemente zu, die nicht dem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind. Die Übernahme von Formgebungen, die bereits vorhanden waren, kann einen Urheberrechtsschutz nicht rechtfertigen. Im vorliegenden Fall ergibt sich im Hinblick auf den im Vordergrund stehenden Gebrauchszweck des Möbelstücks noch eine weitere Einschränkung, auf die die Beklagten zu Recht hingewiesen haben. Alle diejenigen Merkmale, deren konkrete Gestaltung ausschließlich technisch bedingt ist, haben bei der Beurteilung der Urheberrechtsschutzfähigkeit ebenfalls außer Ansatz zu bleiben. Denn insoweit offenbart sich in ihrer Form kein ästhetischer Überschuss des Schöpfers, sondern eine sich konstruktiv aus der Natur der Sache ergebende Notwendigkeit. Die Tatsache, dass nicht nur für den Tripp-Trapp-Stuhl selbst, sondern auch für eine überwiegende Zahl der als Entgegenhaltungen eingeführten Stühle um die Gewährung technischer Schutzrechte (Patent- bzw. Gebrauchsmusterrecht) nachgesucht worden ist, lässt erkennen, dass die Gestaltung des verteidigten Stuhl in einem Spannungsfeld zwischen Zweckausrichtung und Optik steht. Allerdings haben technisch bedingte Merkmale nur insoweit außer Ansatz zu bleiben, als sie für die konkret-konstruktive Zweckerfüllung notwendig sind. Hierbei zutage getretene gestalterische Überschüsse unterliegen der urheberrechtlichen, nicht der patent- oder gebrauchsmusterrechtlichen Beurteilung. Auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Fragen vermag der Senat aufgrund seiner langjährigen Befassung sowohl mit Fragen des Urheberrechts als auch des Patentrechts aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Die Senatsmitglieder gehören zu den "für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen" im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung. Aufgrund ihrer beruflichen Befassung mit technischen Sachverhalten, z.B. in Patentrechtsstreitigkeiten, verfügen sie auch über die erforderliche Sachkunde, im konkreten Anwendungsfall technische Notwendigkeiten von einem gestalterischen Überschuss zu unterscheiden. Der Einholung des von den Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es deshalb nicht.

aaa. Der Tripp-Trapp-Stuhl vermittelt in der Gesamtbetrachtung eine auf den ersten Blick verblüffend "simple", aber zugleich ungewöhnliche und optisch den Kunst- und Formensinn ansprechende Gestalt. Er besteht aus zwei parallelen, schräg nach oben verlaufenden Holmen, die am Boden mit zwei nach hinten, ebenfalls parallel laufenden Kufen verbunden sind. Sowohl die Holme wie auch die Kufen bestehen aus schlicht geformten, gleich breiten Holzleisten. In den Holmen sind auf jeder Seite in gleichbleibendem Abstand 14 Nuten eingefräst, in die zwei - unterschiedlich dimensionierte - Platten horizontal eingeschoben werden können, wobei die obere als Sitzfläche und die untere als Fußstütze dient. Hierbei handelt es sich um auf den ersten Blick schlichte Holzplatten, die überwiegend rechteckig geformt sind und nur auf der Rückseite eine wellenförmige Rundung aufweisen. Als Rückenlehne dienen zwei gebogene, am oberen Ende der Holme befestigte Leisten, die ebenfalls eine schlichte Form aufweisen. Zwischen den Kufen liegt - etwa in der Mitte des Stuhls - eine weitere Querverbindung in Form einer einfachen Holzleiste. In der Seitenansicht weist die feste, unveränderbare Grundstruktur der Tripp-Trapp-Stuhl die Form eines schrägen L's auf., in das zusätzliche - zum Teil veränderbare - Elemente eingebaut bzw. eingeschoben sind.

bbb. Urheberrechtlichen Schutz kann der Tripp-Trapp-Stuhl nur insoweit und nur für die Gestaltungselemente beanspruchen, die nicht bereits dem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind. Die Übernahme von Formgebungen, die schon vorhanden waren, kann einen Urheberrechtsschutz nicht rechtfertigen.

Die Beklagte hat durch Vorlage von Unterlagen dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Werkschöpfung, den der Senat aufgrund der Angaben auf der Zeichnung Nr. 257 mit der ersten Hälfte des Jahres 1972 annimmt, verschiedene (Kinderhoch-)stühle bekannt waren, in denen bereits unterschiedliche Stilmittel Verwendung gefunden haben, die auch im Tripp-Trapp-Stuhl wiederkehren.

(1) Die Gebrauchsmusteranmeldung der E. GmbH vom 21.01.1969 (Anlage B4) beschreibt einen "frei stehenden Stuhl", dessen Besonderheit u.a. darin besteht soll, dass seine Stützstreben bzw. Stützkufen miteinander verbunden aus Kunststoff ausgearbeitet sind. Der Stuhl ist nicht speziell für Kinder gedacht und verfügt nicht über eine verstellbare Sitzfläche. In seiner Seitenansicht vermittelt der Stuhl in der Betrachtung Anklänge an eine "L"-Form, wobei die unteren Stützstreben des Stuhls in nach hinten gerichteten kufenartigen Verlängerungen auslaufen, deren Ende durch eine Querstrebe verbunden ist.

(2) Auch die englische Patentanmeldung von Alfred William A. zur Nr. 535.252 aus dem Jahr 1939 in Anlage B5 beschreibt eine Stuhlform, die durch kurze, kufenförmige Grundelemente Anklänge an eine "L"-Form aufweist. Im übrigen handelt es sich bei diesem Stuhl um ein Sitzmöbel für Erwachsene, dessen Besonderheit u.a. darin besteht, dass die Stühle wegen der hochklappbaren Sitzfläche und nach innen gerichteten Kufen platzsparend ineinandergeschoben werden können.

(3) Der mit der Offenlegungsschrift 2115 322 am 30.03.1971 angemeldete und am 12.10.1972 offengelegte Erfindung "Der mitwachsende Spielstuhl" von Gerd K. (Anlage B6) beschreibt einen Kinderstuhl mit verstellbarer Sitzfläche und Rückenlehne. Die schlicht in geraden Linien gehaltene Grundform des Sitzmöbels entspricht einem geschlossenen Dreieck.

(4) In der Publikation "Der Stuhl" von Heinz und Bodo Rasch aus dem Jahr 1928 (Anlage B11 und B 11 a) sind auf S. 33 zwei Stühle beschrieben, die jeweils von einer schlanken Holzkonstruktion der Seitenholme in geraden Linien geprägt sind. Bei beiden Stühlen ist eine L-Grundform der Seitenholme in Verbindung mit Kufen an der Grundlinie erkennbar, wobei bei dem einen Stuhl (S. 33 oben) eine Stützstrebe oberhalb der Sitzfläche ansetzt, während bei dem anderen Stuhl (S. 33 unten) die Stützstrebe unterhalb der Sitzfläche ansetzt. Der optische Eindruck des von Seitenholm, Kufe und Stützstrebe umschlossenen Bereichs vermittelt den eines Dreiecks. Über die Authentizität der von den Beklagten insoweit eingereichten Kopien sowie den Zeitpunkt der Schöpfung der hieraus ersichtlichen Stühle besteht zwischen den Parteien Streit.

bb. Hieraus folgt, dass unterschiedliche in der Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhls verwendete Stilelemente und Formen zum Schöpfungszeitpunkt im Jahr 1972 bereits vorbekannt waren. Daran scheitert der Urheberrechtsschutz im vorliegenden Fall jedoch nicht. Ist nämlich ein Werk unter Verwendung bekannter Stilmittel hergestellt worden, kann es gleichwohl urheberrechtsschutzfähig sein, wenn mit diesen Stilmitteln im Ergebnis eine eigenpersönliche geistige Schöpfung von ausreichender Gestaltungshöhe erzielt worden ist. Denn in der Kunst wird vielfach auf bekannte Stilmittel zurückgegriffen; die Verwendung neuartiger Stilmittel und die Schaffung einer neuen Stilrichtung sind eher die Ausnahme (BGH GRUR 88, 690, 692 - Kristallfiguren). So liegt der Fall hier. In der konkreten Formgestaltung, insbesondere aber nicht ausschließlich in der markanten L-Form und der klaren Linienführung, die in der Rahmenkonstruktion durch eckige Formen geprägt wird, die mit Rundungen in der Sitz- und Lehnenkonstruktion kontrastieren, offenbart sich - trotz der nicht zu berücksichtigenden, weil dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnenden Anteile - ein erheblicher Grad eigenpersönlicher schöpferischer Kraft auf dem Gebiet der Ästhetik.

aaa. Dabei ist für die Beurteilung der Urheberrechtsschutzfähigkeit nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern den Gesamteindruck abzustellen, den das Werk dem Betrachter vermittelt. Bei dem Tripp-Trapp-Stuhl steht dabei die sofort ins Auge fallende Formensymmetrie bei schlichter, klarer Linienführung im Vordergrund.

(1) Der Tripp-Trapp-Stuhl vermittelt dem Betrachter den Eindruck einer kunstvoll bis in kleine Details durchgehaltenen Formenstrenge in schnörkelloser Schlichtheit.

(aa) Die Grundform schräg nach hinten laufenden Seitenholme wird in den Kufen an der Grundfläche wieder aufgenommen. Der Verlauf sowohl der Seitenholme als auch der Kufen ist durch eine parallele Linienführung geprägt. Durch die veränderbaren Einschübe der Sitzfläche und Fußstütze findet die Parallelität der Kufenanordnung eine Fortsetzung in die seitlichen Stützholme. Durch die 14 Nuten auf beiden Seiten der Stützholme wird eine "stufenlose" Verstellbarkeit der Sitz- und Fußflächen gewährleistet, die nicht nur "praktischen" Erfordernissen folgt. Vielmehr findet auch hier - insbesondere durch die gleichmäßige Beabstandung - die das Objekt prägende parallele Linienführung einen weitere Ausdrucksform. Durch die rechteckige Grundform der Einschubplatten wird dieses Gestaltungsprinzip erneut aufgenommen und zusätzlich verstärkt. Dabei setzten Sitzfläche und Fußstütze optisch die Linienführung der Kufen an der Grundfläche fort. Sie unterstützen damit den "waagerechten", zugleich Stabilität vermittelnden Anteil des Sitzmöbels. Diese Gestaltungselemente kontrastieren mit den schräg nach oben verlaufenden Seitenholmen, die dem Stuhl eine aufwärts gerichtete, aber - wegen der "Schieflage" - zugleich optisch instabile Note verleihen. Diese wird insbesondere durch die breite, mit ihrer überwiegenden Fläche nach vorne aus den Seitenholmen herausragenden Fußstütze im Sinne eines "Gegengewichts" optisch wieder aufgehoben, während die Sitzfläche, die in etwa zu gleichen Teilen zu beiden Seiten aus den Seitenholmen herausragt, auch optisch die "Balance" hält.

Die Parallelität der Linienführung wird durch die Stützstrebe zwischen den Kufen einerseits und die beiden schwarzen Metallrohre als Verbindung der Seitenstreben andererseits unterstützt. Gleiches gilt für den Materialaufbau von Sitzfläche und Fußstütze. Diese sind aus in ca. 10 Schichten verleimten Holzplatten aufgebaut. Dabei wird der symmetrische, mehrschichtige Aufbau der Holzplatten an den Randflächen durch die farblich abgesetzte Gestaltung der einzelnen Schichten zusätzlich hervorgehoben.

(bb) Mit dieser "eckigen" Grundform steht die Ausgestaltung der Rückenlehne und der Sturzsicherung nur in einem scheinbaren Gegensatz. Hier herrschen runde Formen vor, die zumindest in dieser Gegensätzlichkeit keineswegs technisch bedingt, sondern erkennbar ein bewusst eingesetztes gestalterisches Mittel sind. In ihrer weichen, runden Form setzt die Rückenlehne einen provozierenden gestalterischen Kontrast. Während in der geraden Linienführung des "Stützskeletts" des Stuhls das Vertrauen in die Standsicherheit trotz der eigenwilligen Formgebung unterstützt wird, vermittelt die runde Formgebung der Rückenlehne und der Sturzsicherung Vertrauen in Ergonomie, Bequemlichkeit und kindgerechte, Verletzungen vermeidende "Weichheit". Die Zweiteilung der Rückenlehne in gleichgestaltete Elemente nimmt dabei die das vorherrschende, das Sitzmöbel insgesamt prägende Gestaltungsprinzip der "Dualität" auf: 2 Kufen, 2 Seitenholme, 2 Querstangen und vor allem 2 Sitz- bzw. Fußflächen. Diese Parallelität der Formen findet sich jedoch nicht nur bei geraden Flächen, sondern auch in dem Verhältnis der Rückenlehne zu der Sturzsicherung. Die geschwungene Sturzsicherung nimmt dabei nicht nur die Wölbung der Rückenlehne spiegelbildlich auf und setzt damit ein Gegengewicht zu der rückwärts gerichteten Rundung. Vielmehr wirkt die Sturzsicherung aufgrund ihrer Form und Lage wie aus der Rückenlehne "herausgeschnitten". Denn sie setzt an in Höhe der horizontalen Beabstandung der beiden Elemente der Rückenlehne und nur unwesentlich breiter, so dass optisch der Eindruck entstehen kann, als seien Rückenlehne und Sturzsicherung aus einem Stück geschnitten, aber in unterschiedliche Richtungen geformt worden.

(cc) Durch deren Gesamtform schlagen gerade die Sitz- und Fußflächen in ästhetischer Hinsicht den gestalterischen Bogen zwischen der strengen Linienführung der "tragenden" Seiten- und Grundelemente des Stuhls sowie der weich-geschwungenen Rückenlehne und Sturzsicherung. Während die insgesamt rechteckig ausgeformte Grundstruktur der Holzplatten die parallele Linienführung betont, sind die wellenförmig-geschwungenen Bögen am rückwärtigen Bereich der Platten erkennbar gestalterische, "zweckfreie" Stilmittel, mit denen die Rundungen insbesondere der Rückenlehnen aufgenommen wieder aufgenommen werden. Unter anderem hierdurch vermittelt das Möbelstück trotz seiner gestalterischen Gegensätze insgesamt wieder einen in sich harmonischen, abgeschlossenen Eindruck.

(dd) Auch bei den verwendeten Materialien lebt die optische Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhls von einem bewussten Kontrast. Der Stuhl ist vorwiegend in hellem Naturholz gehalten, dass in seiner weitgehend "unbehandelten" Erscheinungsform etwa gegenüber dunkel gebeizten Möbelstücken den Eindruck von kindgerechter Natürlichkeit, Solidität und Umweltbewusstsein vermittelt. Mit den beiden aus schwarzem Metall gearbeiteten Querstreben bewirkt der Schöpfer hierzu einen optisch sofort ins Auge fallenden, ansprechenden Gegensatz der metallenen "Kälte", für den es nach Sachlage keine zwingenden konstruktiven Notwendigkeiten gibt. Die schwarzen Metallstangen wirken gerade bei einem Kinderstuhl eher deplaziert und sollen den Betrachter in ästhetischer Hinsicht bewusst "provozieren", zumal eine dem Holzton angepasste Farbgebung ohne weiteres herzustellen gewesen wäre. Gleiches gilt für die Schrauben und Befestigungsgegenstücke auf der Rückseite der Rückenlehne.

(2) In der Gesamtsicht scheint der Stuhl bei der ersten Betrachtung zunächst nur durch seine den Anforderungen der Funktionalität folgenden Gestaltungsprinzipien geprägt zu sein. Erst bei etwas differenzierterer Beschäftigung erschließt sich dem kunstinteressierten Betrachter das hohe Maße an gestalterischer Kreativität, mit dem der Werkschöpfer die sich aus der Aufgabenstellung eines zugleich robusten und standsicheren mitwachsenden Kinderstuhls ergebenden Anforderungen mit ästhetisch ansprechenden Ausdrucksformen zu einem zugleich "technisch" funktionalen und ästhetisch ansprechenden Kunstwerk verbunden hat.

(3) Der besondere gestalterische "Witz" des Tripp-Trapp-Stuhls liegt dabei auch - aber nicht in erster Linie oder allein - in der durch die L-Form betonten, offenen rückwärtigen Konstruktion. Hierdurch werden - wie etwa bei dem berühmten "Freischwinger"-Stuhl - auf den ersten Blick Befürchtungen in Richtung auf eine gewisse Instabilität hervorgerufen, die sogleich durch die solide, "kantige" Bauart des Tripp-Trapp-Stuhls mit seinen breiten Kufen und starken Stützstreben und die in gegenwärtige Richtung strebenden Sitz- und Fußflächen wieder zerstreut werden. Wenngleich die "L-Form" des Stuhls dem Betrachter als erstes auffallen mag, prägt diese das Sitzmöbel aber nicht allein. Vielmehr erhält der Tripp-Trapp-Stuhl seine gestalterischen Besonderheiten durch das Zusammenspiel der - vorstehend beschriebenen - Vielzahl durchdachter und bewusst eingesetzter Stilmittel und Ausdrucksformen, durch die sich das künstlerische Potenzial des Stuhls dem Betrachter zum Teil erst bei wiederholtem Hinsehen erschließt.

bbb. Soweit der Tripp-Trapp-Stuhl in seiner Gestaltung Elemente des vorbekannten Formenschatzes aufgreift und verarbeitet, beeinträchtigt dies die Individualität und künstlerische Ausdruckskraft des Werks nicht. Sie stehen im Ergebnis der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit nicht entgegen. Denn die Gestaltungsmerkmale, welche die ästhetischen Wirkung des Tripp-Trapp-Stuhls bestimmen, sind durch keine der Entgegenhaltungen ganz oder in ihrer prägenden Ausgestaltung vorweggenommen. Dieser weicht in seinem ästhetischen Gesamteindruck von allen vorbekannten Formen ab. Dabei ist nicht auf Übereinstimmungen (nur) aus einem bestimmten Betrachtungswinkel (Vorderansicht, Seitensicht) abzustellen. Entscheidend ist vielmehr der Gesamteindruck, wie er sich aus allen Sichtweisen ergibt.

(1) Der in Anlage B4 beschriebene vorbekannte Stuhl der E. GmbH enthält zwar unverkennbare Anklänge an eine L-Form, vermittelt aber ein deutlich abweichendes Gesamtgepräge. Er ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass die Stützstreben mit ihren an den Enden durch eine Querverstrebung verbundenen kufenförmigen Verlängerungen und der Rückenlehne einen in sich geschlossenen Stuhlrahmen bilden. Zudem sind die Kufen nicht parallel zueinander angeordnet, sondern laufen hinten aufeinander zu und sowohl die Rückenlehnen wie auch die untere Querverbindung weisen eine deutliche Rundung auf. Hieraus ergibt sich ein ganz anderer Gesamteindruck im Vergleich zum Tripp-Trapp-Stuhl. Die für die ästhetische Wirkung des Tripp-Trapp-Stuhl maßgeblichen geraden und parallelen Linien sowie die Betonung der schlichten geometrischen Form fehlen hier. Die Wirkung des E.-Stuhls wird vielmehr durch die Rundungen sowie die Geschlossenheit des Rahmens bestimmt. Im Gegensatz zu den einfachen Holzleisten, die zu zwei schrägen, parallel zueinander angeordneten offenen Dreiecken verbunden sind, in welche die Sitz- und Fußflächen eingeschoben werden können, zeigt sich hier ein aus einem Stück bestehender Stuhlrahmen. Damit verbleibt als verbindendes Element die sich aus Kufen an der Grundfläche und schräg nach oben laufenden Seitenholmen bildende L-Form mit der nach vorn überstehenden Sitzplatte. Die L-Form ist hier allerdings schon wegen der deutlich kürzeren, nach hinten auslaufenden Kufen wesentlich weniger prägnant, als dies beim Tripp-Trapp-Stuhl der Fall ist. Allein die Betrachtung der Fig. 1 der Anlage B4 - die eine L-Form in klarer Linienführung vorzugeben scheint - vermittelt dabei nach Ansicht des Senats einen unzutreffend verkürzten, wenn nicht sogar irreführenden Eindruck des E.-Stuhls. Dessen prägender Gesamteindruck wird vielmehr erst aus der darunter abgedruckten Fig. 2 in einer dreidimensionalen Sicht erkennbar. Hierbei wird deutlich, dass die L-Form wesentlich weniger markant hervortritt, als dies die Fig. 1 vermittelt. Die L-Form ist in der maßgeblichen Gesamtsicht allenfalls angedeutet und schwach erahnbar. Demgegenüber erhält dieser Stuhl sein wesentliches Gepräge durch die rückwärtig gerichteten Rundungen von Kufen und Seitenholmen sowie der Vollendung in deren Verbindung als Rückenlehne und Querelement auf der Grundfläche. Diese gestalterische Ausdrucksform findet sich weder in ihrem Gesamteindruck noch in prägenden Einzelelementen in der Darstellung des Tripp-Trapp-Stuhl wieder.

(2) Dies gilt in gleicher Weise auf für den aus der Anlage B5 ersichtlichen A.-Stuhl. Zwar finden sich auch hier eher schwache Andeutungen einer L-Form wieder, diese sind jedoch so wenig prägend, dass nicht ernsthaft davon ausgegangen werden kann, dieses Element des Tripp-Trapp-Stuhls sei durch den A.-Stuhl vorweggenommen. Denn jener Stuhl besitzt zwar auch zunächst nach hinten strebende Seitenholme, die sodann jedoch nicht gerade verlaufen, sondern einen nicht unerheblichen, wieder nach vorn gerichteten Bogen beschreiben und dadurch - soweit dies den eingereichten Zeichnungen entnommen werden kann - ihr Scheitelpunkt fast wieder in gerader Linie auf der Basis steht. Vor allem sind die Kufen dieses Stuhls in der Relation zu den Seitenholmen nur sehr kurz ausgearbeitet. Durch diese unterschiedlichen Proportionen verblassen etwaige Anklänge an eine L-Form weitgehend. Vielmehr wirken die Kufen nur als unbedingt für die Standfestigkeit notwendige Grundfläche ohne - hinsichtlich ihrer Länge - gestalterischen Überschuss. Da die Seitenholme aufgrund ihres gebogenen, nach vorne gerichteten Verlaufs eine zunächst rückwärtig ausgerichtete Schwerpunktverlagerung wieder aufheben, konnte sich diese Stuhlkonstruktion erkennbar auch zur Zweckerfüllung mit kurzen Kufen begnügen, die hier jedoch trotz der konstruktiv ähnlichen Anlage einen vollkommen anderen gestalterischen Eindruck vermitteln als bei dem Tripp-Trapp-Stuhl. Zudem sind sowohl die Seitenholme als auch die Kufen zu ihren Enden hin deutlich schmaler ausgearbeitet, was ebenfalls von optischen Symmetrie einer L-Form fortstrebt. Auch der Gesamteindruck dieses "Erwachsenen"-Stuhls ist - ebenso wie bei dem E.-Stuhl - schon wegen der einen festen Sitzfläche ohne Veränderungsmöglichkeit und Fußstütze ein deutlich anderer.

(3) Hinsichtlich des in Anlage B6 vorgelegten K.-Stuhls kann offenbleiben, ob dieser am 30. März 1971 angemeldete, aber erst am 12.10.1972 - und damit nach der Schaffung des Tripp-Trapp-Stuhl - offengelegte Stuhl ebenfalls dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnen ist. Jedenfalls weist dieser Stuhl irgendwelche, den Tripp-Trapp-Stuhl prägende Formelemente nicht auf. Dessen Gesamteindruck wird durch zwei dreieckförmige geschlossene Rahmen bestimmt. Irgendwelche Anklänge an eine L-Form oder eine sonstwie geartete Nähe zu dem Tripp-Trapp-Stuhl vermittelt dieser Stuhl erkennbar nicht. Die Gestaltung dieses Stuhls beruht zwar auch auf einer geometrischen Grundlage, die jedoch aufgrund der geschlossenen Form eine gänzlich andere ästhetische Wirkung entfaltet, zumal markante Gegensätze durch geschwungene Elemente offenbar - soweit dies aus den eingereichten Zeichnungen erkennbar ist - vollständig fehlen.

Der Umstand als solcher, dass der K.-Stuhl - ebenso wie der Tripp-Trapp-Stuhl - ein mitwachsender Kinderstuhl mit verstellbarem Sitz (und verstellbarer Rückenlehne) ist, hat als rein technische Gegebenheit bei der Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit außer Betracht zu bleiben. Einzig die Tatsache, dass auch dieser Stuhl gerade über 14 Verstelllöcher in den vorderen Streben verfügt, mag eine gewisse gestalterische Verwandtschaft zu dem Tripp-Trapp-Stuhl begründen, der auch 14 Nuten aufweist. Hiermit hat es aber auch schon sein Bewenden mit Ähnlichkeiten, zumal hier selbst die Abstände der 14 Löcher nicht symmetrisch ausgelegt sind.

Maßgebliche potenzielle Einflussmöglichkeiten der hierbei verwendeten Formen auf die Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhl vermag der Senat nicht zu erkennen, so dass diese Entgegenhaltung im Ergebnis unergiebig bleibt. Denn auch in seinem Gesamteindruck wirkt dieser Stuhl viel robuster und kompakter, so dass ihm der den Tripp-Trapp-Stuhl prägende Eindruck von Leichtigkeit und Klarheit fehlt.

(4) Schließlich weisen auch die Stühle, die in dem Buch "Der Stuhl" von 1928 abgebildet sind (Anlage B11, 11a), eine völlig andere Gestaltung auf, so dass der Senat auch insoweit dem Streit der Parteien darüber nicht nachzugehen braucht, ob diese Stühle tatsächlich zu dem angegebenen Zeitpunkt geschaffen und veröffentlicht worden sind. Zwar verfügen auch diese Sitzmöbel über Kufen sowie schräg nach oben verlaufende Seitenholme. In der konkreten Gestaltung vermitteln diese Stühle jedoch einen völlig anderen Gesamteindruck und enthalten keine den Tripp-Trapp-Stuhl prägenden Formelemente. Insbesondere die Stützelemente des Stuhls unterhalb der Sitzfläche werden jeweils durch ein geschlossenes, fast gleichwinkliges Dreieck geprägt. Zwar mag man hierin in der Dreiecksform auch ein "L" mit etwa in halber Höhe, nach hinten zum Kufenende gerichteter Stützstrebe erkennen können. Für solche Sichtweise von der Gestaltungsform des Stuhles hat der unbefangene, kunstinteressierte Betrachter allerdings keine Veranlassung. Nur wenn man den "Alpha"-Stuhl der Beklagten und dessen Abweichungen zum Tripp-Trapp-Stuhl der Klägerin kennt und vor Augen hat, wird man möglicherweise auch in diesen Stühlen eine "L-Form mit Stützwinkel" wiedererkennen. Eine solche rückblickende Betrachtung hat jedoch bei der Beurteilung des zum Schöpfungszeitpunkt vorbekannten Formenschatzes außer Betracht zu bleiben. Seinerzeit hatte niemand ernsthaft Veranlassung, diese Stühle in ihrer prägenden Gestaltung gerade mit einer L-Form in Verbindung zu bringen.

cc. Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhls auch nicht aufgrund technischer Erfordernisse so stark eingeengt, dass ein die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründender schöpferischer Spielraum nicht bestanden hätte. Gerade die klaren Linien und geometrischen Formen, die entscheidend zu der ästhetischen Wirkung des Tripp-Trapp-Stuhls beitragen, sind weder durch den Gebrauchszweck noch durch technische oder ergonomische Gegebenheiten vorgegeben.

aaa. Die Möglichkeit höhenverstellbare Kinderhochstühle zu konstruieren, sind vielfältig. Die Klägerin hat in Anlage K4 eine Fülle von Beispielen dazu vorgelegt, wie die sich aus der Aufgabenstellung ergebenden Erfordernisse technisch-konstruktiv (und gestalterisch) gelöst worden sind. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Testbericht in Anlage K20

bbb. Von einer technischen Bedingtheit der Gestaltungsform kann nur dann ausgegangen werden, wenn selbst die Aufgabe, einen höhenverstellbaren, auf Kufen stehenden Kinderhochstuhl herzustellen, nur durch die fragliche Formgebung zu lösen wäre (vgl. BGH GRUR 1961, 635, 637 - Stahlrohrstuhl). Auch insoweit bestehen nach Auffassung des Senats hingegen eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten, so dass sich die für den Tripp-Trapp-Stuhl gewählte Gestaltung keineswegs ohne Freiraum für künstlerische Entfaltung geradezu zwangsläufig aus der konstruktiven Aufgabenstellung ergibt. Die Höhenverstellbarkeit bedingt allein, dass es möglich sein muss, das Sitzelement auf verschiedenen Ebenen anzubringen. Dies kann zum Beispiel auch durch ganz unterschiedlich ausgestaltete, nicht gleich beabstandete Nuten erreicht wird. Dieses Erfordernis wirkt sich zudem in keiner Weise auf die Form des Sitzelementes oder der Seitenholme aus. Ein nicht auf vier Füßen, sondern auf Kufen stehender Hochstuhl erfordert zudem lediglich, dass es Kufenelemente gibt, die für die erforderliche Stabilität eine gewisse Größe haben müssen und an denen ein nach oben ragendes Element befestigt ist, an dem sich wiederum das Sitzelement befindet. Auch dieses technisch bedingte Erfordernis wirkt sich auf die konkrete Formgestaltung der Kufen sowie der Holme nicht aus. Vielmehr sind zahlreiche Formen und Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, wobei insbesondere durch die ebenfalls mögliche Verwendung von Kurven und Rundungen ein ganz anderer Gesamteindruck entstehen kann.

c. Aufgrund der den Gesamteindruck bestimmenden Formelemente offenbart sich in der Schaffung des Tripp-Trapp-Stuhls ein das Können eines Durchschnittsgestalters so erheblich überragender ästhetischer Überschuss, dass eine dem Urheberrecht unterfallende künstlerische Leistung von erheblicher Gestaltungshöhe vorliegt, und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ebenfalls ein Schutz als Geschmacksmuster auf einem geringeren Anforderungsniveau in Betracht kommt.

aa. Hierbei ist insbesondere die besondere ästhetische Wirkung zu berücksichtigen, die darin besteht, dass trotz der einfachen Elemente und schlichten Formen eine raffinierte und ansprechende Gestaltung gegeben ist, bei der klare geometrische Formen und Linien in der Schaffung eines in der Formgebung ungewöhnlichen und in der optischen Wirkung schönen Möbelstücks besonders zur Geltung kommen. Aufgrund dieser Wirkung kann nicht mehr von einer rein handwerksmäßigen und durchschnittlichen, auch nicht von einer nur das geringere Anforderungsniveau eines Geschmacksmusterschutzes erreichenden Leistung gesprochen werden. Vielmehr offenbart der das visuelle Empfinden anregende Gehalt der Gestaltung eine künstlerischen Leistung, durch die ein Gesamteindruck geschaffen worden ist, der sich von den bestehenden Formen beträchtlich abhebt. Dabei sieht sich der Senat schon aufgrund der isoliert betrachteten Gestaltung des Möbelstücks vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang mit den Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Gebrauchsmöbeln.

bb. Ein weiterer wesentlicher Hinweis auf die Individualität und überragende schöpferische Eigenart der Gestaltung ergibt sich zudem aus der Resonanz, die der Tripp-Trapp-Stuhl in der Fachwelt gefunden hat. Er hat den "Klassikerpreis" des norwegischen Designrates 1995 erhalten und ist in die Endausscheidung für den Europäischen Design-Preis 1996 gelangt (Anlage K10). Zudem ist er in dem Buch "Schöner Wohnen - Moderne Klassiker - Möbel, die Geschichte machen" aufgeführt (Anlage K11) und findet Erwähnung in der norwegischen Presse als einer von zwölf ausgewählten Möbelklassikern (Anlage K 15). Durch derartige Auszeichnungen lässt sich die Schutzfähigkeit zwar nicht begründen. Sie sind dem Senat jedoch ein gewichtiges Indiz dafür, dass die aufgrund eigener Sachkunde getroffene Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit im Einklang mit der Wahrnehmung der einschlägigen Fachkreise steht."

Diese Ausführungen gelten auch im vorliegenden Verfahren uneingeschränkt. Der Senat macht sie sich ausdrücklich für den vorliegenden Rechtsstreit zu eigen.

c. Der "SIT UP I"-Stuhl stellt sich jedoch nicht als unfreie Bearbeitung des Tripp-Trapp-Stuhls i.S.d. § 23 Satz 1 UrhG, sondern als freie Benutzung i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG dar. Deshalb hat die Beklagte nicht rechtswidrig ohne Einwilligung des Urhebers P.O. bzw. der Klägerin in urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen (§§ 12, 15 Abs. 1 UrhG) eingegriffen. Auch diese Frage vermag der Senat ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus eigener Sachkunde zu beantworten. Hierzu hatte der Senat ebenfalls in dem Parallelverfahren 3 U 115/99 Ausführungen gemacht, die gleichermaßen für das vorliegende Verfahren Geltung zu beanspruchen haben:

"aa. Eine Urheberrechtsverletzung ist mit der Nachbildung der konkreten Formen gegeben, in denen die ästhetische Wertung ihre Grundlage hat und auf denen daher der Urheberrechtsschutz beruht (vgl. BGH GRUR 1974, 740, 741 - Sessel). Unzulässig ist deshalb die Nachahmung derjenigen künstlerischen Züge, die dem Werk insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen (BGH GRUR 1981, 820, 823 - Stahlrohrstuhl II). Ein unzulässiger Eingriff in das Urheberrecht an einem Werk der bildenden Kunst liegt nicht nur dann vor, wenn eine gegenständlich völlig übereinstimmende Nachbildung des Schutzobjekts versucht worden ist, sondern bereits dann, wenn wesentliche künstlerische Züge, die dem Werk seine schutzfähige individuelle Prägung verleihen, wiederkehren, mag auch der Nachahmer sich bemüht haben, durch abweichende Elemente die Abhängigkeit von dem unfrei benutzten Werk zu verschleiern (BGH GRUR 1961, 635, 638- Stahlrohrstuhl). Wenn im wesentlichen die gleichen Formelemente, in denen die künstlerische Gestaltungskraft des Schöpfers des Vorbildes zum Ausdruck kommt, benutzt werden, kann die Feststellung der Übereinstimmung der angegriffenen Verletzungsform mit dem wesentlichen künstlerischen Gehalt des urheberrechtlich geschützten Werkes nicht durch einen Hinweis auf die Abweichungen erschüttert werden (vgl. BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl). Eine zulässige freie Benutzung nach § 24 UrhG ist hingegen dann gegeben, wenn ein genügender Abstand zu den eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes eingehalten wird, so dass angesichts der Eigentümlichkeit des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (Fromm/Nordemann-Vinck, UrhG, § 24 Rdn. 2). Die Frage, wie weit die Abweichung von dem Werk gehen muss, um den Schutzbereich des Urheberrechts zu verlassen, hängt davon ab, wie ausgeprägt die im Werk zum Ausdruck gekommene künstlerische Schöpfung ist (BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl).

bb. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Verletzung der Rechte des Urhebers des Tripp-Trapp-Stuhl nur in der unfreien Übernahme solcher Gestaltungsmittel liegen kann, die ihrerseits den Werkschutz als persönliche geistige Schöpfung begründen. Technische Notwendigkeiten haben dabei ebenso unberücksichtigt zu bleiben wie die Verwendung von Elementen, die schon bei Schaffung des (angeblich) verletzten Werks dem vorbekannten Formenschatz zurechnen waren."

cc. Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Kriterien für das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung ist im vorliegenden Fall - und damit abweichend von der Entscheidung in dem Parallelverfahren, das den "Alpha"-Stuhl zum Gegenstand hatte, - nicht von einer Verletzung durch den "SIT UP I"-Stuhl auszugehen.

Vielmehr hat die Beklagte bei der Gestaltung ihres Produkts - trotz unverkennbarer Übereinstimmungen - den erforderlichen Abstand zu der persönlichen geistigen Schöpfung des Urhebers P.O. eingehalten, der Voraussetzung dafür ist, dass demgegenüber die Wesenszüge des Tripp-Trapp-Stuhl verblassen (vgl. BGH GRUR 94, 206, 208 - Alcolix; Fromm/Nordemann/Vinck, a.a.O., § 24 Rdn. 2 m.w.N.). In der Regel geschieht dies dadurch, dass die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge in dem neuen Werk in der Weise zurücktreten, dass das neue Werk nicht mehr in relevantem Umfang das ältere benutzt, so dass dieses nur noch als Anregung zu neuem, selbständigem Werkschaffen erscheint (BGH, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Der Stuhl der Beklagten stellt sich deshalb nicht als unfreie Bearbeitung, sondern als freie Benutzung des geschützten Werks i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG. Zwar mag es so sein, dass der Betrachter auch in dem "SIT UP I"-Stuhl Gestaltungsmerkmale des Tripp-Trapp-Stuhls wiedererkennt, was auf den ersten Blick eine Urheberrechtsverletzung nahelegen würde. Soweit der "SIT UP I"-Stuhl eine dem Tripp-Trapp-Stuhl ähnliche Anmutung vermittelt, liegt diese aber in wesentlichen Teilen außerhalb des Schutzbereichs des Tripp-Trapp-Stuhls, weil wesentliche, für den Gesamteindruck maßgebliche Formelemente, insbesondere die "L"-Form, nicht wiederkehren und die verbleibenden Übereinstimmungen nicht ausreichen, um eine Verletzung zu begründen.

aaa. Dabei ist von dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz auszugehen, dass für die Frage, ob eine (unfreie) Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt, die Übereinstimmungen, nicht die Verschiedenheiten maßgeblich sind (BGH GRUR 94, 191, 193 - Asterix-Persiflagen; BGH GRUR 94, 206, 208 - Alcolix), denn der Verkehr richtet sein Augenmerk in der Regel mehr auf Übereinstimmungen als auf abweichende Merkmale (Fromm/Nordemann-Vinck, a.a.O., Rdn. 4). Diese Übereinstimmungen sind hier zwar groß, aber nicht so erheblich, dass der Verkehr in den Verletzungsformen das geschützte Werk von P.O. ohne weiteres wiedererkennt.

bbb. Das geschützte Werk, der Tripp-Trapp-Stuhl, wird dabei maßgeblich, aber nicht ausschließlich durch die markante "L"-Form der parallelen Seitenstreben geprägt, durch die das Möbelstück ein unverwechselbares Gepräge erhält. Weiterhin charakteristisch für den Tripp-Trapp-Stuhl ist die insgesamt bestehende Formsymmetrie und die Parallelität der Linienführung, die dem Stuhl den einen prägnanten Eindruck robuster Schlichtheit, gepaart mit einem auf den ersten Blick erkennbaren hohen Maß an Funktionalität vermitteln. In ähnlicher Weise prägen die als einschiebbare Holzplatten ausgelegte Sitzfläche und Fußstütze, die 14 parallelen Nuten sowie die von runden Formen geprägte Gruppe "Rückenlehne - Sturzsicherung" den optischen Gesamteindruck des Möbelstücks. Allerdings steht in der Gesamtbetrachtung die L-Form im Vordergrund, wobei diese vor allem auch deswegen ins Auge fällt, weil der Stuhl im rückwärtigen Bereich in gewissem Umfang "freischwebend" bzw. "ungestützt" wirkt und deshalb seine Standsicherheit - insbesondere als Kindermöbel - manchen konstruktiv nicht sogleich überzeugend erscheinen mag, was einen zweiten Blick auf die Gesamtgestaltung und damit eine nähere Auseinandersetzung mit der Formgebung provoziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

ccc. Diese Gestaltungsmerkmale hat die Beklagte für ihren Stuhl zwar zum Teil übernommen, sich andererseits dabei aber erkennbar auch um so erhebliche Abweichungen bemüht, dass der erforderliche Abstand zu dem Tripp-Trapp-Stuhl gewahrt bleibt. Insgesamt bietet sich dem Betrachter ein optischer Gesamteindruck, der demjenigen des geschützten Werks in seiner die schöpferische Eigenart prägenden Gestaltung nicht so weitgehend entspricht, wie es für eine Urheberrechtsverletzung erforderlich wäre.

(1) In dem "SIT-UP I"-Stuhl kehren eine Vielzahl von Gestaltungselementen und Formen wieder, die auch den optischen Eindruck des Tripp-Trapp-Stuhls prägen. Neben dem gestalterischen Grundmuster der "Parallelität" und "Dualität" sind Grundform, Aufbau und Abmessungen weitgehend identisch übernommen. Dies reicht von der Form und Anordnung von Sturzsicherung und Rückenlehne, der Fußstütze und Sitzfläche, der 14 Nuten für ihre Positionierung (wobei sich eine zusätzliche 15. Nut zum Einschieben des Tisches hinter der Sturzsicherung befindet) sowie der verwendeten Materialien und ihrer "Optik", wobei der "SIT-UP I"-Stuhl in einem helleren Ton gehalten ist und eine stärkere Holzmaserung aufweist. Da die Beklagte ihr Produkt - wie das in der erstinstanzlichen Kammersitzung eingereichte Exemplar zeigt - aber auch in farblich unterschiedlichen Ausführungen anbietet, kommt der zuletzt genannten Abweichung im Ergebnis keine entscheidende Bedeutung bei.

(2) Bei der Schaffung des "SIT-UP I"-Stuhls ist erkennbar der Tripp-Trapp-Stuhl zum Vorbild genommen worden. Es dürfte nach Auffassung des Senats keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass in diesem Rahmen die Absicht im Vordergrund gestanden haben wird, die den Erfolg des Tripp-Trapp-Stuhl prägenden Merkmale so weit wie möglich zu übernehmen und sich dadurch den "Markt" des Tripp-Trapp-Stuhl zu erschließen, zugleich aber durch Änderungen in einer solchen Weise einen Abstand zu der Vorlage herzustellen, dass eine urheber- bzw. wettbewerbsrechtliche Verletzung, die einen Unterlassungsanspruch zur Folge hat, nach Möglichkeit ausscheidet.

Die möglicherweise vorliegende "böse Absicht" allein rechtfertigt aber noch nicht die Annahme eines Urheberrechtsverstoßes. Vielmehr lässt § 24 Abs. 1 UrhG im Rahmen der zustimmungsfreien Benutzung die Möglichkeit zu, sich in der Gestaltung auch deutlich an die verwendete Vorlage anzulehnen, soweit deren werkprägende Eigenart nicht übernommen wird.

Bei dem "SIT-UP I"-Stuhls handelt es sich erkennbar nicht um ein vorlagenfrei geschaffenes Möbelstück. Ihm ist aber trotz der Nähe zu dem Tripp-Trapp-Stuhl eine gewisse originäre, unverwechselbare Identität nicht abzusprechen, und zwar auch im Verhältnis zur Vorlage.

(3) Grundlage einer Beurteilung der verletzungsrelevanten Übereinstimmungen bzw. Abweichungen der Möbelstücke kann nach Auffassung des Senats dabei ausschließlich eine Betrachtung des Gesamteindrucks des jeweiligen Kinderhochstuhls sein (vgl. hierzu: BGH GRUR 1988, 690, 692 - Kristallfiguren). Soweit die Parteien im Verlauf des Rechtsstreits für die Beschreibung bestimmter Gestaltungsmerkmale nach bestimmten Betrachtungsperspektiven wie "Seitenansicht", "Frontansicht" etc. differenziert hatten, war dies allenfalls für die Merkmalsbeschreibung von Bedeutung. Demgegenüber bildet sich der für die Verletzungsfrage maßgebliche optische Eindruck des Möbelstücks ausschließlich einheitlich in der Gesamtsicht. Eine nach einzelnen Blickwinkeln differenzierende Ähnlichkeitsbetrachtung wird demgegenüber dem urheberrechtlichen Werkcharakter nicht gerecht, bei dem es nur auf die Gesamtschöpfung und ihren sich dem kunstinteressierten Betrachter vermittelnden Eindruck ankommt. Deshalb ist es ohne streitentscheidende Bedeutung, dass der "SIT-UP I"-Stuhl in einer Ansicht - hier der Frontansicht - mit dem Tripp-Trapp-Stuhl nahezu vollkommen identisch wirkt und in einer anderen Ansicht - hier der Rückansicht - ebenfalls sehr deutliche Übereinstimmungen aufweist. Denn bei der gebotenen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Seitenansicht ergibt sich ein wesentlich differenzierteres Bild. Hierbei treten die vorhandenen Unterschiede gerade in den die Schutzfähigkeit wesentlich prägenden Merkmalen für den Betrachter in den Vordergrund, und zwar in einer Weise, die den "SIT-UP I"-Stuhl so deutlich von seiner Vorlage Tripp-Trapp-Stuhl absetzen, dass nach Auffassung des Senats von einer unfreien Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG nicht mehr ausgegangen werden kann, selbst wenn an anderer Stelle sogar kleinste Details der Vorlage übernommen worden sind.

(4) Denn der "SIT UP I"-Stuhl vermittelt ist seinem Gesamteindruck insbesondere deshalb eine deutlich abweichende Anmutung, weil ihm praktisch vollständig die "L"-Form fehlt, die dem Tripp-Trapp-Stuhl - zwar nicht ausschließlich, aber in wesentlichen Anteilen - sein typisches Gepräge gibt. Diese markante L-Form vermittelt dem Tripp-Trapp-Stuhl - wie oben dargelegt - eine unverkennbare Optik. Durch die rückwärtig offene, "freischwebende" Form werden auf den ersten Blick Befürchtungen in Richtung auf eine gewisse Instabilität hervorgerufen, die sogleich durch die solide, "kantige" Bauart des Tripp-Trapp-Stuhls mit seinen breiten Kufen und starken Stützstreben und die in gegenwärtige Richtung strebenden Sitz- und Fußflächen wieder zerstreut werden. Gerade diese "L"-Form trägt wesentlich Anteil daran, dass der Tripp-Trapp-Stuhl - trotz seiner Solidität im übrigen - den interessanten und insoweit neuartig optischen Eindruck einer gewissen "Leichtigkeit" und "Zerbrechlichkeit" vermittelt.

Auf dieses wesentliche Gestaltungsmittel hat der Hersteller des "SIT-UP I"-Stuhls demgegenüber nicht nur - wie dies bei anderen Verletzungsformen wie dem "Alpha"-Stuhl des Herstellers Hauck geschehen ist - "halbherzig", sondern vollständig verzichtet. Er hat seinem Stuhl dadurch - trotz der Vielzahl der übernommenen Details - ein abweichendes Gesamtgepräge gegeben und ihn hiermit aus dem Schutzbereich des Tripp-Trapp-Stuhls herausgeführt.

Der Grundaufbau des "SIT-UP I"-Stuhls besteht- anders als beim Tripp-Trapp-Stuhl - schon nicht aus einer Kombination von zwei Stützholmen, die an am Boden aufliegenden Kufen anschließen. Vielmehr verfügt der "SIT-UP I"-Stuhl über zwei vordere Stützholme, auf die zwei hintere Stützholme in spitzem Winkel zulaufen und sich im unteren Bereich der Rückenlehne miteinander vereinigen. Alle vier Stützholme sind an ihren unteren Enden im jeweils äußeren Bereich abgeflacht, so dass sie an der Grundfläche des Stuhls nicht schräg auf den Boden zulaufen, sondern - zumindest im optischen Eindruck - nahezu rechtwinklig auf diesem stehen. Insbesondere auch hierdurch vermittelt der "SIT-UP I"-Stuhl dem Betrachter die weitgehend vertraute Anmutung eines "normalen" Stuhls, der auf 4 Beinen ruht. Zwar werden auf jeder Seite der vordere und hintere Stützholme durch eine breite Querverstrebung verbunden, die ca. 8,5 cm oberhalb der Grundfläche ansetzt. Diese Querverstrebung mag auch in ihrer konstruktiven Anlage eine "verkappte", nach oben versetzte Kufe darstellen und in dieser Gestaltung bewusst dem Tripp-Trapp-Stuhl entlehnt sein. Diese Art der Übereinstimmung prägt jedoch den Gesamteindruck des "SIT-UP I"-Stuhls nicht maßgeblich. Insbesondere findet der angesprochene Betrachter in dieser Querstrebe keine maßgeblichen Anklänge an die den Tripp-Trapp-Stuhl prägenden Kufenform wieder. Zwar "verschließen" diese Querstreben die offene vierbeinige-Grundform des "SIT-UP I"-Stuhls und geben ihm damit ein kompakteres, geschlossenes Gepräge. Die für den Tripp-Trapp-Stuhl typische Kufenform verschwimmt dadurch in den Augen des Betrachters aber praktisch völlig, selbst wenn er erkennt, dass die Querstrebe auch ein versetzter Kufenabschnitt sein könnte. Dadurch erhält der "SIT-UP I"-Stuhls in seinem Stützgerüst die geometrische Form eines geschlossenen Dreiecks. Anders als etwa bei dem "Alpha"-Stuhl des Herstellers Hauck, bei dem das Hinzufügen rückwärtiger Stützstreben "willkürlich" zur Verdeckung der "L-"Form wirkt und vom Betrachter als solche gestalterische "Ablenkung" auch bemerkt wird, bietet der "SIT-UP I"-Stuhls demgegenüber eine eigenständige, neue und in sich harmonisch-geschlossene Grundform der Stützstreben, die sich jedenfalls deutlich von dem Tripp-Trapp-Stuhl absetzt. Dies wird nach Auffassung des Senats im übrigen in der von der Klägerin als Anlage K1 zum Verbotsantrag eingereichten Betrachtungsperspektive besonders deutlich. Während bei dem Tripp-Trapp-Stuhl die (doppelte) L-Form das Bild prägt, wird die Gesamtanmutung des "SIT UP I"-Stuhls demgegenüber von der Form eines (doppelten) A bestimmt. Dabei wirkt der "SIT UP I" für den Betrachter eher als Abwandlung des "Alpha-Stuhls" und nicht unmittelbar des "Tripp-Trapp-Stuhls". Zu letzterem hält er aufgrund der dargestellten Unterschiede jedenfalls in der Gesamtbetrachtung einen ausreichenden Abstand ein, um in der Verletzungsform das Originalwerk verblassen zu lassen und damit die Voraussetzungen einer freien Benutzung i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG zu rechtfertigen. Dabei hat der Senat auch zu berücksichtigen gehabt, dass der Schutzbereich des Tripp-Trapp-Stuhls wegen des vorbekannten Formenschatzes einerseits und der zum Teil technisch-konstruktiv vorgegebenen Zweckbestimmung andererseits nicht sehr groß ist, so dass die Veränderung prägender Gestaltungsmerkmale trotz einer weitgehenden Identität im übrigen bereits aus dem Schutzbereich herausführt.

2. Der von der Klägern verfolgte Unterlassungsantrag ist auch nicht aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden Wettbewerbsschutzes oder als markenrechtlicher Verstoß aus §§ 14 Abs. 2, Abs. 4, 4 Nr. 2 MarkenG gerechtfertigt.

a. Zwar schließt die Übernahme eines nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Rahmen eines Sonderrechtsschutzes geregelten Werks einen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nicht aus, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Ausnutzung fremder Leistung wettbewerbsrechtlich als unlauter erscheinen lassen; diese die Unlauterbarkeit begründenden Umstände müssen allerdings außerhalb des Sonderschutztatbestandes liegen (BGH GRUR 1958, 500, 503 - Mecki Igel; BGH GRUR 1987, 814 ff - Zauberflöte), denn der wettbewerbliche Leistungsschutz hat die Wertungen des Sonderrechtsschutzes hinzunehmen (BGH GRUR 1995, 581, 583 - Silberdistel; BGH NJW 1998, 3773, 3775 - Les-Paul-Gitarren).

b. Im vorliegenden Fall fehlt es an solchen besonderen Umständen. Selbst wenn die Beklagte bestrebt war, sich mit ihrem "SIT-UP I"-Stuhl soweit wie möglich an den Tripp-Trapp-Stuhl anzulehnen, um (auch) an dessen guten Ruf teilzuhaben, stellt sich dieses Verhalten noch nicht als sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG dar. Denn eine wettbewerbswidrige Rufausnutzung ist erst dann anzunehmen, wenn Eigenart und Besonderheit des Erzeugnisses zu Qualitätserwartungen (Gütevorstellungen) führen, die der Originalware zugeschrieben werden und der nachgeahmten Ware deshalb zugute kommen, weil der Verkehr sie mit ersterer verwechselt (BGH GRUR 1985, 876, 877 - Tchibo/Rolex I; BGH GRUR 1996, 210, 212 - Vakuumpumpen). Gerade an letzterem Merkmal fehlt es vorliegend aber. Der "SIT-UP I"-Stuhl unterscheidet sich erkennbar von dem Tripp-Trapp-Stuhl. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 97 Abs. 1 UrhG Bezug genommen. Deshalb scheidet ein wettbewerbswidriges Verhalten sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Herkunftstäuschung als auch einer Rufausbeutung aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch im Rahmen des § 1 UWG nicht ausschließlich auf einen bestimmten Blickwinkel (Frontansicht) abzustellen, in dem sich das Produkt dem Kaufinteressent in der Verkaufsstelle präsentiert und bei dem die Übereinstimmungen mit dem Tripp-Trapp-Stuhl besonders gravierend sind. Auch insoweit entscheidet maßgeblich der Gesamteindruck des Möbelstücks. Im übrigen kommt gerade bei dem Erwerb von Gebrauchsgegenständen für Kinder, insbesondere bei Kinderhochstühlen, der Funktionalität und Gebrauchssicherheit im Rahmen der Kaufentscheidung eine erhebliche Bedeutung zu, so dass die Annahme fern liegt, ein Kaufinteressent würde den "SIT-UP I"-Stuhl allein aufgrund seiner Frontansicht erwerben, ohne sich mit dem Möbelstück insgesamt zu beschäftigen. Geschieht dies aber, besteht angesichts der unverkennbaren Unterschiede eine Verwechslungsmöglichkeit nicht, und zwar auch dann nicht, wenn man im Rahmen von § 1 UWG davon auszugehen hat, dass der Verkehr das Original und die Nachahmung nicht gleichzeitig zur Kenntnis nimmt, sondern sich an seinem Erinnerungsbild zu orientieren hat.

Weitere Unlauterkeitsmerkmale kommen nach Lage der Dinge nicht ernsthaft in Betracht. Dem Umstand, dass es der Beklagten möglich und zumutbar gewesen wäre, eine andere Gestaltungsform zu wählen, kommt im Hinblick auf die grundsätzlich bestehende Nachahmungsfreiheit jedenfalls keine alleinentscheidende Bedeutung bei. Es ist nach Sachlage auch nicht zu befürchten, der Verkehr könne annehmen, bei dem "SIT-UP I"-Stuhl handele es sich um eine preisgünstigere Zweitmarke der Herstellerin des Tripp-Trapp-Stuhls (vgl. dazu BGH GRUR 1998, 477, 480 - Trachtenjanker). Hierfür hat er keine Anhaltspunkte. Auch für eine relevante Absatzbehinderung hat die Klägerin keine tragfähigen Umstände vorgetragen.

c. Markenrechtlichen Schutz aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4, 4 Nr. 2 MarkenG kann die Klägerin für ihr Produkt schon deshalb nicht beanspruchen, weil sie nichts dargelegt hat, was konkret darauf schließen lassen könnte, dass der Tripp-Trapp-Stuhl in Deutschland Verkehrsgeltung erlangt hat. Allein die Bezugnahme auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist hierzu in Abwesenheit konkreten Sachvortrags erkennbar ungenügend. Im übrigen wäre auch im Rahmen einer Prüfung der Verwechslungsfähigkeit nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschlaggebend, dass der "SIT-UP I"-Stuhl in der Gesamtgestaltung einen ausreichenden, Verwechslungen ausschließenden Abstand zu dem Tripp-Trapp-Stuhl einhält.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die weitere Nebenentscheidung folgt aus § 546 Abs. 2 ZPO.

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