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Berlin

„Einmal RAF, immer RAF“ – keine widerrechtliche Foto-Veröffentlichung

Beschluss vom KG Berlin

Entscheidungsdatum: 02.07.2007
Aktenzeichen: 9 U 66/07

Leitsätze

1. Ein ehemaliges Mitglied der sog. „Rote Armee Fraktion“ (RAF) muss es hinnehmen, wenn noch heute in der Presse Archivfotos bzw. Portraitaufnahmen der, aus dem Jahre 1985 stammenden, bundesweit verbreiteten Fahndungsplakate veröffentlicht werden.
2. Denn die Öffentlichkeit hat noch immer - gerade im Hinblick auf die Brisanz der damaligen Ereignisse - ein starkes, fast schon historisches, Interesse an der RAF und deren Mitgliedern.

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. Mai 2007 - 27 O 327/07 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außer-gerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I. Die 1954 geborene Antragstellerin gehörte der sog. „Rote Armee Fraktion“ (RAF) an. Sie wurde nach ihrer Verhaftung im August 1986 im Juni 1988 wegen u.a. eines versuchten Bombenanschlags auf eine NATO-Schule im Jahr 1984 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und im April 1994 wegen u.a. dreifachen Mordes im Zusammenhang mit einem Anschlag auf die US-Airbase in Frankfurt am Main 1985 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Sie ist derzeit eine der letzten vier noch inhaftierten Angehörigen der RAF. Sie absolviert eine Ausbildung als Fotografin. 2004 wurde sie in die JVA für F. in B. verlegt, wo sie als Freigängerin untergebracht ist. Sie besucht eine Fotoschule in B. .

Die Antragsgegnerin ist verantwortlich für die Tageszeitung „D. W.“.Dort stellte die Antragsgegnerin am ... 2007 anlässlich der eventuellen Haftentlassung im Verlauf des Jahres 2007 unter der Überschrift „RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder“ einen Bericht über die Antragstellerin unter deren Namensnennung ein. Den Bericht bebilderte die Antragstellerin mit zwei kleinformatigen Archivfotos der Antragstellerin. Das eine Foto (links) ist eine frontale Portraitaufnahme der Antragstellerin, entnommen einem bundesweit verbreiteten Fahndungsplakat aus dem Jahr 1985, auf dem mehrere als (mögliche) RAF-Täter gesuchte Personen abgebildet waren. Die zweite Aufnahme (rechts) ist ein BKA-Foto, das nach der Verhaftung der Antragstellerin gefertigt worden war; es zeigt Kopf und Schulterbereich der Antragstellerin von der linken Seite.

Die Antragstellerin erwirkte die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 27.03.2007, mit der der Antragsgegnerin die Verbreitung von Fotos aus den Jahren 1985 und 1986 im Zusammenhang mit einem Bericht über ihre mögliche Haftentlassung im Sommer 2007 untersagt wurde. Das Landgericht hat mit Urteil vom 05.05.2007 die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts.

Sie will mit der Berufung beantragen,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2007 zum Aktenzeichen 27 O 327/07 dahingehend abzuändern, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet wird, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000.- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß (über die Antragstellerin) zu verbreiten:

die Bildnisse der Antragstellerin im Zusammenhang mit Berichten über deren Haftlockerungen und bevorstehenden Entlassung, wie in D. W. in dem Artikel vom ... 2007 unter der Überschrift „RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder“ geschehen.

Die Antragsgegnerin tritt dem Prozesskostenhilfeantrag entgegen.

II. Die beabsichtigte Berufung hat keine hinreichende Erfolgsaussicht; der Antragstellerin kann daher Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung nicht gewährt werden.

Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 22 ff KUG i.V.m. Art. 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG steht der Antragstellerin nicht zu, denn die Veröffentlichung und Verbreitung beider Fotos ist - so wie in dem in der „W.“ am ... 2007 erschienenen Artikel „RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder“ geschehen - zulässig.

Zwar hat die Antragstellerin keine Einwilligung in die Veröffentlichung und Verbreitung der verfahrensgegenständlichen Fotos gegeben (§ 22 Satz 1 KUG) und kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die Privilegierung nach § 24 KUG berufen. Auf die Ausführungen der Antragstellerin zur streng zweckgebundenen Einwilligung in die Veröffentlichung ihres Selbstporträts in dem Kunstband und der „B. Z.“ kommt es nicht an, denn das Landgericht geht von einer Einwilligung nicht aus, so dass der Angriff der beabsichtigten Berufung insoweit ins Leere geht.

Der Abdruck der verfahrensgegenständlichen Fotos fällt indes unter den Ausnahmetatbestand des § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG, ohne dass berechtigte Interessen der Antragstellerin gemäß § 23 Absatz 2 KUG verletzt werden.

Der lediglich mit zwei Archivaufnahmen aus der Zeit der Fahndung und der Festnahme der Antragstellerin bebilderte Bericht befasst sich - im Zusammenhang mit der möglichen Haftentlassung der Antragstellerin - mit der Historie der RAF und dem Wirken insbesondere der Antragstellerin innerhalb und für diese Gruppe. Der Artikel ist nicht boulevardmäßig, sondern sachlich abgefasst.

Die Voraussetzungen für die Befugnis zur Veröffentlichung nach § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG liegen vor.

Das Landgericht hat zutreffend darauf abgehoben, dass das starke öffentliche Interesse an der RAF im Allgemeinen und ihren Protagonisten im Besonderen, zu denen auch die Antragstellerin gehört, ungebrochen ist. Das gilt uneingeschränkt trotz des im Jahr 1992 erklärten Verzichts der RAF auf Gewaltanwendung und der im Jahr 1998 erklärten Selbstauflösung der RAF und der seitdem verstrichenen Zeit.Die Antragstellerin und die von ihr verübten Taten haben über das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an Kapitalverbrechen hinaus ein weit gesteigertes und anhaltendes Interesse geweckt, über den persönlichen und politischen Werdegang der RAF-Mitglieder, deren Gerichtsverfahren, Strafvollzug und – wie an der Diskussion um die Gnadengesuche von C. K. auch neuerdings wieder ersichtlich – mögliche Entlassungen aus der Haft informiert zu werden. Dem steht nicht entgegen, dass - wie die Antragstellerin geltend macht - in den letzten Jahren vor 2007 mehrfach verurteilte und inhaftierte ehemalige RAF-Angehörige aus der Haft entlassen wurden, ohne dass dies die Medien und die Öffentlichkeit bewegt hätte. Maßgeblich ist, dass die Vorgänge um die Attentate der RAF und die Auswirkungen auf die Angehörigen der Opfer sowie die gesamte deutsche Gesellschaft Anfang 2007 eine intensiv geführte breite Diskussion, die alle gesellschaftlichen Schichten erfasst haben dürfte, ausgelöst haben.

Die Bundesrepublik Deutschland ist durch wenige Ereignisse so stark geprägt worden wie durch die Anschläge der RAF, für die sich auch die Antragstellerin zu verantworten hatte. Die Bedeutung der damaligen Ereignisse reichte dabei weit über die eigentlichen Straftaten und den Strafvollzug der Täter als solchen hinaus. So erfuhr (als ein Teilaspekt der deutschen Gesellschaftsordnung neben weiteren) u.a. die Rechtsordnung der Bundesrepublik – ausgelöst durch die Verfolgung der RAF – im Bereich insbesondere des Strafprozessrechts erhebliche Veränderungen. An bestimmten Jahrestagen wird die RAF-Geschichte der Öffentlichkeit mit allen ihren damaligen Protagonisten stets wieder in Erinnerung gerufen. Vor diesem Hintergrund der besonderen historischen Bedeutung der Taten der RAF-Mitglieder und deren vielfältigen Nachwirkungen im öffentlichen Bewusstsein bis zum heutigen Tag erhält der vorliegende Fall seine besondere Prägung, auch wenn die Antragstellerin nur für einen Teil der der RAF zugeschriebenen Anschläge persönlich verantwortlich ist. Dass das Schicksal der noch inhaftierten früheren RAF-Mitglieder seit Anfang 2007 wieder verstärkt – und allseits kontrovers und intensiv diskutiert – unübersehbar in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt ist, hat die Antragstellerin aufgrund ihrer früheren Zugehörigkeit zur RAF hinzunehmen.

Anlässlich einer möglichen Haftentlassung ist eine Berichterstattung über die Antragstellerin nicht nur unter ihrer Namensnennung, gegen die sie sich nicht wendet und nicht wenden könnte, sondern auch unter Verwendung des hier in Rede stehenden archivierten Fotomaterials zulässig. Die Aufnahmen stellen, soweit die Antragstellerin darauf überhaupt aktuell erkennbar ist, lediglich eine Illustration ihres damaligen Aussehens in der Fahndungs- und Festnahmesituation dar. Die Fotos erfuhren damals weitestgehende Verbreitung und Bekanntheit. Anlässlich der Darstellung der Biografie der Antragstellerin ist es zulässig, mit Archivmaterial auch ihr damaliges Aussehen zu illustrieren. Ihre Biografie ist Teil der Geschichte der RAF – auch ihrer Aufarbeitung durch die Gesellschaft - und gehört als solche zu einem bedeutenden zeitgeschichtlichen Vorgang, wobei mit zu berücksichtigen ist, dass erst die Archivaufnahmen der RAF ein Gesicht geben. An einer solchen Visualisierung der - ansonsten nur abstrakt als terroristische Vereinigung bekannten - RAF besteht angesichts der herausragenden Bedeutung der Geschichte der RAF ein anhaltendes Informationsinteresse.

Zwar muss ein verurteilter Straftäter eine Bildberichterstattung nicht schrankenlos hinnehmen. Mit zunehmender zeitlicher Distanz gewinnt vielmehr das Interesse des Täters, „in Ruhe gelassen zu werden“, größere Bedeutung, wobei die Grenze zwischen zulässiger aktueller Berichterstattung und unzulässiger späterer Berichterstattung nicht allgemein fixiert ist, aber mit der Haftentlassung oder in zeitlicher Nähe zu der (möglichen) Entlassung das entscheidende Stadium beginnt, in dem im Regelfall das Interesse an der Resozialisierung und Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft die Grenze einer zulässigen Berichterstattung markiert (BVerfGE 35, 200 = NJW 1973,1226,1231 und 1232 – Lebach I). Diese Erwägungen geben dem Verurteilten jedoch - entgegen der Meinung der Antragstellerin - keinen absoluten Anspruch, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit seinen Straftaten konfrontiert zu werden; es bleibt immer eine Abwägung entscheidend, bei der zu prüfen ist, in welchem Maß eine Berichterstattung eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Verurteilten zu bewirken geeignet ist (vgl. BVerfG NJW 1973, 1226,1231 – Lebach I; BVerfG NJW 2000, 1859, 1860 – Lebach II).

Das Resozialisierungsinteresse der Antragstellerin stellt einen eminent wichtigen, aber dennoch keinen absoluten Abwägungsgesichtspunkt mit der Folge dar, dass jegliche Bildberichterstattung im Zeitpunkt bevorstehender Haftentlassung etwa ausnahmslos unzulässig wäre. Dies ist den beiden Lebach-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen, die stets eine Abwägung im Einzelfall fordern. Allerdings gebietet es der auf verfassungsrechtlichen Erwägungen (Menschenwürde, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) beruhende und einfachgesetzlich sowohl auf Rechtsfolgenseite als auch strafvollzugsrechtlich verankerte Grundsatz der Resozialisierung, dass jedem – auch dem zu lebenslanger Haft verurteilten Täter (vgl. BVerfG NJW 1977, 1525) – die Chance verbleibt, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Umgekehrt erwächst der Gesellschaft daraus auch eine Verpflichtung, den Straftäter wieder in ihre Mitte aufzunehmen.

Einer Gefahr für die weitere Resozialisierung der Antragstellerin über die Wortberichterstattung hinaus steht bereits entgegen, dass ihre Erkennbarkeit auf den beiden Fotos stark eingeschränkt ist, wie sie für das rechte Foto selbst einräumt. Soweit sich die Antragstellerin ohnehin nur darauf stützt, sie werde auf den Fotos von Freunden, Mitschülern und Bekannten erkannt, vermag dies einen erheblichen Eingriff in ihr Recht am eigenen Bild ohnehin nicht zu begründen, denn diejenigen Personen, die die Antragstellerin kennen, mögen zwar in ihren (Vor-)Urteilen über sie bestärkt werden. Dass die Veröffentlichung und Verbreitung der Archivfotos aber eine bisher nicht vorhandene Ablehnung gegenüber der Antragstellerin hervorrufen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. BVerfG NJW 2000, 1859, 1861 - Lebach II). Der Wiedererkennungseffekt der Antragstellerin für sonstige Dritte durch das kleinformatige linke Foto dürfte für Personen, die nicht damit rechnen, der Antragstellerin zu begegnen, gering sein. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Resozialisierung der Antragstellerin durch die Verbreitung dieses Fotos in einem sachlichen, informativen Bericht - wie dem der Antragsgegnerin vom 19.02.2007 - stärker beeinträchtigt werden könnte, als durch die allgemeine Diskussion in der Öffentlichkeit über die Entlassung ehemaliger Angehöriger der RAF.

Erscheint ihre Resozialisierung durch die verwendeten Archivfotos weder qualitativ noch quantitativ deutlich anders gefährdet als durch die - von ihr nicht angegriffene - Namensnennung, kommt noch hinzu, dass von den Aufnahmen – und zwar auch von dem Festnahmefoto, selbst wenn erkennbar sein sollte, dass die Antragstellerin ein Polizeihemd trägt - entgegen der Meinung der Antragstellerin keine auf ihre heutige Lebenssituation bezogene stigmatisierende oder gar diffamierende Wirkung ausgeht.

Nach eingehender Abwägung (§ 23 Absatz 2 KUG) folgt der Senat der Einschätzung des Landgerichts, dass das Interesse der Gemeinschaft an einer aktuellen Erörterung ihrer Biografie unter Verwendung von Archivfotos dem Interesse an ihrer weiteren, von der Öffentlichkeit unbeobachteten Resozialisierung vorgeht, denn es liegt - wie ausgeführt - ein Ausnahmefall des überragenden historischen Interesses vor (vgl. BVerfG NJW 1973, 1226, 1232 - Lebach I).

Dieses Abwägungsergebnis wird darüber hinaus durch den Umstand gestützt, dass sich die Antragstellerin entgegenhalten lassen muss, dass sie in einer Phase, in der sie ebenfalls bereits zwecks ihrer Resozialisierung Freigang hatte, mit einem fotografischen Selbstporträt an die Öffentlichkeit gegangen ist bzw. entsprechende Veröffentlichungen wissentlich geduldet hat. Hierin liegt zwar keine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung auch der verfahrensgegenständlichen Fotos. Dennoch hat die Antragstellerin ihre Identität und aktuelles Aussehen einer breiten Öffentlichkeit freimütig zugänglich gemacht, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass die Fotografenausbildung, die Anlass für die Veröffentlichung des Selbstporträts gewesen sein mag, ein wichtiger Teil des Resozialisierungsprozesses der Antragstellerin ist. Auf dem aktuelleren Foto, so wie es im Jahre 2005 von der Antragstellerin selbst freigegeben wurde, ist sie nicht schlechter zu erkennen als auf den angegriffenen Archivaufnahmen, wie der Vergleich mit den von der Antragstellerin für das vorliegende Verfahren gefertigten aktuellen Fotos ergibt. Das fotografische Selbstportrait zeigt zwar nur etwa die Hälfte des Gesichts der Antragstellerin und zeichnet sich offenbar durch eine gewisse ästhetische Überhöhung aus; aber es verfremdet die Antragstellerin ersichtlich nicht zur Unkenntlichkeit.

Es liegt zwischen ihrer Lebenssituation im Jahre 2005 auch keine gegenüber der Situation im Jahre 2007 so gravierende Änderung vor, wie es die Antragstellerin darstellt. Bereits im Jahre 2005 nahm die Antragstellerin am öffentlichen Leben teil, indem sie als Freigängerin einer Ausbildung nachging und sich im öffentlichen Raum bewegte. Dass sie erst seit April 2006 die genaue Mindesthaftdauer kennt, macht keinen erheblichen Unterschied, zumal dem Landgericht darin zu folgen ist, dass die Antragstellerin auch im Jahre 2005 bereits davon ausgehen durfte, dass ihre Mindesthaftdauer in absehbarer Zeit festgesetzt werden würde. Trat sie bereits in der Zeit vor April 2006 mit Menschen außerhalb der JVA in Kontakt (Ausstellungsveranstaltern, Buchlektoren, Mitschülern auch außerhalb des „eingeweihten“ Kreises), von denen nicht wenige ihr Foto in der „B. Z.“ gesehen haben dürften, dürfte sich an der Situation nach einer eventuellen Haftentlassung nur insoweit etwas ändern, als sie zu weiteren Menschen außerhalb der JVA Kontakt haben wird (potentielle Vermieter, Auftraggeber etc.). Ob diese sie aber gerade aufgrund der in der „W.“ veröffentlichten Fotos und nicht bereits aufgrund des in der „B. Z.“ veröffentlichten Fotos bzw. aufgrund eines Wiedererkennens ihres verwendeten wahren Namens identifizieren, erscheint zweifelhaft. Die Veröffentlichung im Jahre 2005 liegt auch noch nicht solange zurück, dass es völlig ausgeschlossen erscheint, dass der Artikel in der „B. Z.“ bereits völlig in Vergessenheit geraten war. Es trifft auch nicht zu, dass die Antragstellerin bis Anfang 2007 völlig unbeachtet geblieben war, denn gerade die Ausstellung der von ihr gefertigten Bilder im B. Abgeordnetenhaus hat die Öffentlichkeit wiederum beschäftigt. Es kommt hinzu, dass sich die Antragstellerin noch im ... 2006 in einem Interview mit der Zeitschrift „W.“ unter erneuter Freigabe des Selbstporträts neben künstlerischen Fragen auch zu ihrer Vergangenheit als Straftäterin, ihrer Haftsituation und zu der Zeit nach ihrer möglichen Haftentlassung geäußert hat, also zu einer Zeit, als der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts S. - im April 2006 - die Mindesthaftdauer auf 21 Jahre festgelegt hatte.

Auch die von der Antragstellerin bemühte Abgrenzung zwischen ihrer im Jahr 2005 erfolgten Wahrnehmung ausschließlich als Künstlerin gegenüber der jetzigen Wahrnehmung als demnächst Haftentlassene überzeugt nicht. Denn eine solche selektive Wahrnehmung ist weder ersichtlich noch lebensnah. Sowohl in dem Kunstband – mag er auch nur begrenzten Absatz gefunden haben - als auch in dem Artikel in der „B. Z.“ wird stets auf die Vergangenheit der Antragstellerin, ihre Haftsituation und – in dem Artikel der „B. Z.“ – sogar auf die Pläne für die Zeit nach einer möglichen Entlassung eingegangen. Die Wahrnehmung der Antragstellerin als Künstlerin ist untrennbar auch mit der Wahrnehmung als ehemaliges Mitglied der RAF verwoben, sodass eine Aufspaltung der Bedeutung ihrer Person als Künstlerin einerseits und als vor der Entlassung stehende Gefangene andererseits konstruiert erscheint.

Die Befürchtung der Antragstellerin, künftig gerade aufgrund der Veröffentlichung der hier angegriffenen Archivaufnahmen „Freiwild“ für die Medien zu werden, trifft nicht zu. Jede künftige Veröffentlichung von Fotos der Antragstellerin wie auch jede Wortberichterstattung wird sich der Abwägung der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter zu stellen haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 1 GKG, 118 Absatz 1 Satz 4 ZPO.

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