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Hamburg

"Eine Pille, ein Drehbuch und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts"

Urteil vom OLG Hamburg

Entscheidungsdatum: 10.04.2007
Aktenzeichen: 7 U 142/06

Leitsätze

Es obliegt der Kunstfreiheit nach Art. 5 GG in einem filmischen Kunstwerk einen Sachverhalt darzustellen, der an ein geschichtlich-reales Ereignis angeleht ist. Die Höhe der Anlehnung und die daraus fortgeführte Fiktion muss für den Zuschauer jedoch ersichtlich sein, da sonst die Kunstfreiheit eine Beschränkung zu erfahren hat. Wird weiterhin eine reale Person als Vorlage für eine "Filmfigur" genutzt, hat der Dargestellte auch immer ein Interesse daran, dass "die Darstellung seiner Person nicht im Gegensatz zu(r) Wirklichkeit" erfolgt. Ein Verstoß dessen und das daraus resultierende Erkennbarmachen seiner Person stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 62/06, vom 28.7.2006 abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 9.2.2006 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Mit der Berufung wendet sich die Antragsgegnerin gegen ein Urteil des Landgerichts, mit dem dieses eine einstweilige Verfügung bestätigt hat. Mit dieser einstweiligen Verfügung war der Antragsgegnerin, einer Filmproduktionsfirma, verboten worden, bestimmte Passagen eines Drehbuchs sowie eines dieses in Szene setzenden Films zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und vertrat seit dem Jahr 1961 die Interessen von Geschädigten des Arzneimittels Contergan insbesondere im Rahmen des gegen Mitarbeiter der Arzneimittelherstellerin, der Firma Chemie Grünenthal, laufenden Ermittlungsverfahrens. In dem anschließenden Strafverfahren vertrat er eine große Anzahl der über 200 Nebenkläger. Der Antragsteller ist selbst Vater eines durch dieses Arzneimittel geschädigten Sohnes.

Am 10.4.1970 wurde zwischen den Geschädigten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dr. Schreiber und der Firma Chemie Grünenthal ein Vertrag geschlossen, mit dem sich dieses Unternehmen zur Zahlung einer Entschädigung von 100 Millionen DM verpflichtete. Das seit Januar 1968 laufende Strafverfahren wurde durch Beschluss des Landgerichts Aachen vom 18.12. 1970 gem. § 153 StPO endgültig eingestellt.

Die Antragsgegnerin produziert im Auftrag des WDR einen 2-teiligen Fernsehfilm, der sich mit den oben geschilderten Vorgängen unter Nennung des Namens der Firma „Chemie Grünenthal“ sowie des Medikaments Contergan befasst. Im Mittelpunkt dieses Films steht ein junger Rechtsanwalt namens Paul Wegener, der, selbst Vater einer durch Contergan geschädigten Tochter, gegen dieses Unternehmen juristisch vorgeht. Der Film zeigt das Zerbrechen der Anwaltssozietät des Paul Wegener, seine private Situation und Belastung infolge der Ereignisse sowie seinen Kampf gegen die Arzneimittelfirma mit dem Ziel einer Bestrafung der Verantwortlichen und der Durchsetzung einer Entschädigung für die Geschädigten.

Dieser Film wurde auf der Basis eines Drehbuchs, welches im Laufe der Dreharbeiten teilweise abgeändert wurde, gedreht und spätestens am 6.2.2006 mit Drehbuch dem WDR als Auftraggeber übergeben. Nach fruchtlosen Verhandlungen der Parteien über die Zulässigkeit der Verbreitung einzelner im Drehbuch enthaltener Passagen erklärte die Antragsgegnerin durch Schreiben vom 20.12.2005, dass sie an ihrer grundsätzlichen Einschätzung festhalte, dass die künstlerische Aufarbeitung der damaligen Ereignisse in Form eines fiktionalen TV-Films in der geplanten Form möglich sein werde. (Anl. ASt 5).

Der fertig gestellte Film enthält am Anfang und am Ende jedes Teils einen Vor- bzw. Nachspann mit folgendem Text:

„Dieser Film ist kein Dokumentarfilm! Er ist ein Spiel- und Unterhaltungsfilm auf der Grundlage eines historischen Stoffes. Die fürchterliche Schädigung tausender Kinder durch das Arzneimittel „Contergan“, die Einstellung des Strafprozesses gegen die Verantwortlichen wegen „geringer Schuld“ und die Zahlung der höchsten Entschädigungssumme in der deutschen Geschichte durch die Herstellerfirma sind historische Realität. Die im Film handelnden Personen und ihre beruflichen und privaten Handlungen und Konflikte sind dagegen frei erfunden.“

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Verbreitung des Drehbuchs und des Films ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletze, weil er durch eine Fülle von Details erkennbar sei. Die angegriffenen Passagen entsprächen nicht der Realität, vermittelten indessen dem Zuschauer den Eindruck, dass sich die Vorgänge tatsächlich so ereignet hätten, wie dargestellt.

Dem gegenüber wendet die Antragsgegnerin ein, es handele sich für die Zuschauer erkennbar um einen Spielfilm in Anlehnung an einen historischen Vorgang, dessen Handlung teilweise ganz frei erfunden sei. Dies sei auch dem beigefügten Vor- und Nachspann zu entnehmen. Die Figur des Paul Wegener sei eine fiktive Gestalt, die der Zuschauer nicht mit dem Antragsteller identifiziere. Zumindest sei durch die angegriffenen Passagen das Lebensbild des Antragstellers nicht verfälscht.

Durch Beschluss vom 9.2.2006 hat das Landgericht die Verbreitung von unter Ziffern 1-17 aufgeführten Passagen des Drehbuchs sowie des dieses in Szene setzenden Films im Wege einstweiliger Verfügung verboten (Bl. 45ff d.A.). Diese einstweilige Verfügung wurde durch das mit der Berufung angefochtene Urteil bestätigt.

In zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin– vom Antragsteller nicht bestritten - dargelegt, dass in einem zwischen den Parteien geführten Gespräch vom 16.12.2005 der Geschäftsführer und der Justiziar der Antragsgegnerin erläutert hätten, dass das Drehbuch in einem künstlerischen Prozess in den fertigen Film umgesetzt werde, und dass sich zahlreiche Einzelheiten aus dem Drehbuch entweder im Film nicht mehr finden, oder durch ihre filmische Darstellung einen ganz anderen Eindruck machen würden, als dieser sich möglicherweise aus dem Drehbuch ergebe (eidesstattliche Erklärungen Anlagen BK 1 und 2).

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zu den Ausführungen der Parteien im Einzelnen wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der in der Akte befindlichen Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat den zur Akte gereichten Film in Augenschein genommen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung hat sich die Antragsgegnerin strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, den Film auszustrahlen, ohne vor jedem der beiden Teile einen Text ansagen zu lassen und ohne am Ende jedes Teils denselben Text für die Dauer von mindestens 30 Sekunden einzublenden, wobei die Einblendung jeweils noch vor dem Abspann des Filmes erfolgen soll. Bei diesem Text handelt sich um den oben genannten derzeit eingeblendeten Text zuzüglich des Satzes:

„Dies gilt insbesondere für die Figur des Rechtsanwalts Paul Wegener und seiner Familie sowie die für die Arzneimittelfirma handelnden Personen einschließlich des Privatdetektivs.“

Gründe

II. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Soweit sich die verbotenen Passagen des Drehbuchs nicht in dem inzwischen hergestellten Film befinden, besteht keine Begehungsgefahr.

Soweit Passagen in den Film übernommen worden sind, wird durch sie der Antragsteller nicht rechtswidrig in seinen Rechten verletzt.

1. Wie das Landgericht im Grundsatz zutreffend ausgeführt hat, begründet die Aufnahme von Äußerungen in ein Drehbuch als solche keine Erstbegehungsgefahr. Drehbücher sind nämlich selbst nicht zur Verbreitung bestimmt, sondern bilden eine Arbeitsgrundlage zur Herstellung eines Filmes. Zwar ist davon auszugehen, dass ein Drehbuch vor Erstellung des Films in die Hände verschiedener Personen gelangt, die an seiner Umsetzung beteiligt sind. So wird die vorläufig drehfertige Fassung des Autors an den Regisseur weitergegeben, der es – gegebenenfalls nach eigener Überarbeitung – an Schauspieler und andere mit der Filmherstellung befasste Personen weiterreicht. Diese Vorgänge, die nicht dem Transport der Inhalte des Drehbuchs, sondern allein seiner Umsetzung dienen, stellen keine Verbreitung dar. Es handelt sich vielmehr um interne Vorgänge, wie sie etwa bei Erstellung und Weitergabe eines Druckwerks innerhalb einer Redaktion oder dem Vertrieb des Presseorgans geschehen. Die Weitergabe von Texten im Rahmen der Fertigstellung eines Druckwerks wird allgemein nicht als deren Verbreitung im Rechtssinne angesehen (vgl. auch Löffler, Presserecht, 5. Aufl. § 8 Rn.18), so dass die Absicht, Texte redaktionsintern weiterzureichen, im Regelfall keine Begehungsgefahr auslöst.

Dem entsprechend ist auch davon auszugehen, dass allein von der Herstellung eines Drehbuchs regelmäßig keine konkrete Gefahr der Veröffentlichung der darin enthaltenen Inhalte ausgeht.

Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass die Antragsgegnerin durch Schreiben vom 20.12.2005 (Anl. ASt 5) erklärt hat, an ihrer grundsätzlichen Einschätzung festzuhalten, dass ein fiktionaler Film in der geplanten Form möglich sein werde. In demselben Schreiben wird nämlich auch die Absicht der Antragsgegnerin bekundet, alles Mögliche zu unternehmen, um die Bedenken des Antragstellers zu minimieren und mit dem Antragsteller in engem Kontakt zu bleiben, um weitere Schritte abzustimmen.

Damit hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie zu weiteren Änderungen bereit sei, dass somit das damals vorhandene Drehbuch nicht vollständig umgesetzt werde.

Verstärkt wird dies durch den Text der E-Mail vom 28.11.2005 (Ast. 3), in welcher von der „aktuell gültigen Drehfassung“ die Rede ist.

Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat ferner nunmehr mit eidesstattlicher Versicherung vom 6.12.2006 glaubhaft gemacht, dass er dem Antragsteller erläutert habe, dass sich zahlreiche Einzelheiten des Drehbuchs im Film nicht mehr finden würden oder durch die Darstellung einen anderen Eindruck machen würden (Anlage BK1). Auch damit wurde hinreichend klargestellt, dass das Drehbuch nicht vollständig umgesetzt würde, so dass bezüglich seines Textes eine Erstbegehungsgefahr nicht bestand.

Bezüglich des Drehbuches besteht auch keine Wiederholungsgefahr, weil dieses bisher nicht verbreitet worden ist. Wie oben dargelegt, stellt die interne Weitergabe zum Zweck der Filmherstellung keine Verbreitung dar. Dies gilt auch für die Weitergabe an fördernde Institutionen, denen das Drehbuch unstreitig zugeleitet worden ist. Auch solche Stellen, die verpflichtet sind, Drehbücher als geschützte Betriebsgeheimnisse zu behandeln, sind in den Herstellungsprozess des Films eingebunden, da von ihnen seine Finanzierung als wesentliche Herstellungsbedingung abhängt. Dass die Antragsgegnerin das Drehbuch noch an andere Stellen herausgegeben hat, was bestritten wird, ist nicht glaubhaft gemacht.

Da bezüglich des Drehbuchs keine Begehungsgefahr bestand, ist die einstweilige Verfügung ohne weiteres aufzuheben, soweit mit ihr dessen Verbreitung verboten wurde.

Sie ist ferner aufzuheben, soweit das Verbot von Passagen des Films angeordnet wird, die sich in diesem nicht befinden.

2. Bezüglich der im Film vorhandenen, durch die einstweilige Verfügung verbotenen Passagen besteht zwar Wiederholungsgefahr, nachdem der Film Journalisten vorgeführt worden ist.

Insoweit hat der Antragsteller jedoch keinen aus §§ 823 Abs.1, 1004 analog BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 Abs.1GG herzuleitenden Anspruch auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin, da er durch diese Filmpassagen nicht rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird.

a) Der von der Antragsgegnerin produzierte Film stellt ein Kunstwerk dar. Er ist Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse der am Herstellungsprozess beteiligten Personen durch das spezifische Medium Film zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG NJW 1971,1645). Damit unterliegt er dem Schutz der durch Art. 5 Abs.3 GG gewährleisteten Kunstfreiheit.

Künstlerisches Schaffen ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Knüpft erzählende Kunst an Vorgänge der Wirklichkeit an, ist entscheidend, ob die Realität aus den geschichtlichen Zusammenhängen gelöst und in neue Beziehungen gebracht wird, für die nicht die Realitätsthematik, sondern das künstlerische Gebot der anschaulichen Gestaltung im Vordergrund steht (Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 3, Rn. 2 m.w.N.). Die Kunstfreiheit gewährt die Freiheit der Themenwahl und der Themengestaltung und verbietet die Beschränkung des künstlerischen Ermessens auch bei Bezug mit tatsächlichem Geschehen.

Der vorliegende Film stellt das Schicksal einer betroffenen Familie vor dem Hintergrund der tatsächlichen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Schädigung Ungeborener durch Contergan dar, wobei ersichtlich die familieninternen Interaktionen der Protagonisten und der „Kampf“ der Hauptfigur Wegener als Interessenvertreter der Geschädigten gegen das „mächtige“ Pharmaunternehmen den wesentlichen Inhalt bilden. Im Zentrum der Darstellung steht der Mut des dargestellten Rechtsanwalts, der trotz aller ihm sich in den Weg stellenden Hindernisse und Probleme erfolgreich für die Gerechtigkeit kämpft. Auch wenn der Film schon durch den Gebrauch des Firmennamens der Chemie Grünenthal und der namentlichen Bezeichnung des Arzneimittels in gewissem Umfang den Eindruck vermittelt, zumindest in Grundzügen das Geschehen um Contergan wiederzugeben, kann der Zuschauer beim Betrachten dieses Films nicht vermuten, dass die dargestellten Handlungen in Gänze der historischen Wirklichkeit entsprechen und ihr sozusagen nachgestellt worden sind. Der Film ist für den Zuschauer deutlich als Spiel- und nicht als Dokumentarfilm zu erkennen und entspricht inhaltlich damit, transponiert auf literarische Kategorien, eher einem Roman als einem Sachbuch.

Allerdings ist die Kunstfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet, vielmehr liegen ihre Schranken in Bestimmungen der Verfassung, die ein anderes verfassungsmäßig geschütztes Recht, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer schützen. Dabei ist jeweils zwischen der Kunstfreiheit und dem infrage stehenden Persönlichkeitsrecht im Einzelfall abzuwägen, welcher Position der Vorrang gebührt. Im Konfliktfall ist daher einerseits auf die nachteiligen Auswirkungen der Veröffentlichung für die Persönlichkeit des Dargestellten und andererseits auf die durch ein Veröffentlichungsverbot betroffenen Belange freier Kunst zu sehen (BGH AfP 2005, 464,466). Je mehr ein Künstler für sich beansprucht, die soziale Wirklichkeit darzustellen, desto schutzwürdiger ist das Interesse des Dargestellten, dass die Darstellung seiner Person nicht im Gegensatz zu dieser Wirklichkeit erfolgt.

Die Besonderheit des hier zu beurteilenden Films besteht darin, dass dem Zuschauer nicht eindeutig vermittelt wird, welche Aussagen des Films der historischen Realität entsprechen und welche auf reiner Fiktion beruhen.

Die ausführliche Darstellung persönlicher und privater Verhältnisse der Figuren, deren Abbildung keinen dokumentarischen Wert hat, legt dem Betrachter allerdings nahe, dass historische Genauigkeit nicht das Hauptanliegen des Filmes ist. So werden Einblicke in das Familienleben und den Alltag der Filmfiguren, insbesondere der Familie Wegener, eröffnet, deren Wirklichkeitstreue – zumal nach Ablauf von fast 40 Jahren - der Zuschauer nicht erwarten wird. Dies gilt auch für die Darstellung aller äußerlichen Lebensumstände der dargestellten Figuren.

Auf der anderen Seite vermittelt der Film eine Realitätsnähe dadurch, dass er an die historischen Vorgänge im Zusammenhang mit der Schädigung Ungeborener durch Contergan, das Ermittlungsverfahren und das Strafverfahren gegen die Verantwortlichen sowie die Entschädigungszahlung durch die Chemie Grünenthal anknüpft. Bezüglich dieser Fakten erwartet der Zuschauer deshalb, dass es sich im Kern um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe handele. Indessen liegt es auch hier auf der Hand, dass etwa die internen Besprechungen der Mitarbeiter der Chemie Grünenthal und deren Vertragsverhandlungen mit den Geschädigten nicht im Detail dokumentiert und daher im Wesentlichen – um der filmischen Darstellung willen - erfunden sind. Unterstrichen wird dieser Eindruck noch zum einen durch die Anmoderation, zu der sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, zum anderen durch die Abänderung der Namen aller natürlichen Personen.

Inwieweit jeweils der Schutz der Kunstfreiheit im Vordergrund steht, kann davon abhängen, inwieweit Passagen des Films den Eindruck erwecken, reale Vorgänge wiederzugeben. So kann, soweit der Film ein Abbild der Realität zu sein vorgibt, bereits eine unwahre, den Dargestellten verletzende Äußerung einen Unterlassungsanspruch auslösen. Eine wesentlich weitere Freiheit der Darstellung besteht hingegen bezüglich solcher Passagen, die deutlich fiktiver Natur sind, auch wenn sie an die Person des Antragstellers als tatsächlich existierendes Urbild angelehnt sind. Insofern kommt ein Verbot nur dann in Betracht, wenn zu der fehlenden Übereinstimmung eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung des „Urbildes“ hinzutritt (so auch BGH AfP 2005, 464,466)

b) In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass es eine Vielzahl von Zuschauern geben wird, die den Antragsteller als das „Urbild“ der Filmfigur des Paul Wegener sehen, da mehrere sehr markante Merkmale und Umstände bei beiden übereinstimmen. Tatsächlich war der Antragsteller als junger Anwalt seit Beginn der Vorgänge um Contergan auf Seiten der Geschädigten tätig, hat, wenn auch nicht alle, so doch die meisten Nebenkläger vertreten und ist selbst Vater eines contergangeschädigten Kindes. Auch war es der Antragsteller, der eng mit dem Arzt Dr. Lenz zusammengearbeitet hat, der als erster den Verdacht der im Mutterleib schädigenden Wirkung von Contergan geäußert hat. Diese Umstände weisen insbesondere im Zusammenhang mit der Nennung der Firma Chemie Grünenthal und des Arzneimittels Contergan auf den Antragsteller als „Urbild“ des Paul Wegener hin.

Gleichwohl gibt es auch eine Fülle von Umständen, in denen die Filmfigur nicht mit dem Antragsteller übereinstimmt. Hierzu gehört die Tatsache, dass der Antragsteller stets Einzelanwalt war, dass er nicht Vater einer geschädigten Tochter, sondern eines geschädigten Sohnes war, dass er daneben im Unterschied zur Familie Wegener noch weitere Kinder hatte, dass es im Conterganprozess, anders als im Film, mehrere Nebenklägervertreter gab und dass der Vertrag über die Entschädigung der Opfer nicht von ihm, sondern von Rechtsanwalt Dr. Dr. Schreiber unterzeichnet wurde. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Figur des Paul Wegener nicht mit dem Antragsteller übereinstimmt, ist die Tatsache, dass für die Filmfigur, anders als für die Arzneimittelfirma sowie das Medikament, ein anderer Name gewählt wurde.

Zuschauer, denen die Person des Antragstellers in diesem Zusammenhang auch nach Jahrzehnten noch bekannt ist, insbesondere Personen aus dem damaligen persönlichen Umfeld, ist es daher schon anhand dieser Abweichungen möglich, zu erkennen, dass über den Antragsteller nicht detailliert wirklichkeitsgetreu berichtet wird, sondern dass es sich hier um eine Filmfigur handelt, in die lediglich einzelne Merkmale der Person des Antragstellers eingeflossen sind.

Im Hinblick auf die oben genannten Übereinstimmungen zwischen der Filmfigur und dem Antragsteller ist allerdings die Erkennbarkeit des Antragstellers als Vorbild der Filmfigur anzunehmen, und damit seine Betroffenheit.

Mit Rücksicht auf die dargestellten Abweichungen ist jedoch von einer eigenständigen künstlerischen Gestaltung der Figur auszugehen, die es verbietet, bereits bei geringfügig negativem Abweichen von der Wahrheit dem Antragsteller einen Unterlassungsanspruch zuzubilligen. Vielmehr folgt hieraus, dass ein solcher Anspruch nur dort bestehen kann, wo die Abweichung des Films zum Nachteil des Antragstellers zu einer schwerwiegenden Entstellung seines Bildes in der Öffentlichkeit führt.

c) Gemessen an diesen Maßstäben besteht bezüglich keiner der in den Film übernommenen Szenen, deren Verbreitung durch die einstweilige Verfügung verboten worden ist, ein Unterlassungsanspruch.

aa) Bezüglich der unter Nr. I. 1-3 der einstweiligen Verfügung verbotenen Szenen fehlt es an einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Insoweit handelt es um die Darstellung fiktiver Vorgänge, die dem Kern des Geschehens um Contergan nicht zuzuordnen sind, so dass sich die Erwartung des Zuschauers, über Tatsachen wirklichkeitstreu informiert zu werden, schon nicht darauf erstreckt.

Eine schwere Persönlichkeitsverletzung des Antragstellers liegt in der Darstellung dieser Szenen nicht. Sie stellen nämlich Paul Wegener positiv als jungen aufstrebenden Anwalt dar, der sich im Übrigen zu einem späteren Zeitpunkt, nach Bekanntwerden der von der Firma Chemie Grünenthal verursachten Schäden, trotz der (fälschlich) dargestellten guten Geschäftsbeziehungen zu Geschäftspartnern des Unternehmens gegen dieses wendet und somit besondere Charakterstärke zeigt.

bb) Die Passagen Nr. I. 4 und 5 betreffen die Darstellung von Ereignissen, die sich auf die vollständig fiktive Figur des Sozius Wegeners beziehen. Auch die dort dargestellten Ereignisse, die nicht zum Kern des Geschehens um Contergan gehören, stellen sich für den Zuschauer nicht als real dar. Die Beschreibung der Abläufe im Verbotsantrag zu Nr. 5 ist im Übrigen stark vergröbernd und stimmt in dieser Form nicht mit dem Inhalt des Films überein. Nach dem Film sind es nämlich nicht die Recherchen Wegeners, die direkt zu den beiden unter a) und b) genannten Konsequenzen führen, sondern das verständnislose und „schäbige“ Verhalten des Sozius in diesem Zusammenhang. Auch diese Szenen sind nicht geeignet, den Antragsteller in der öffentlichen Wahrnehmung herabzusetzen.

cc) Die Passage Nr. I. 6 stellt Umstände dar, die der Zuschauer ohne weiteres als Fiktion erkennt, weil er nicht annehmen kann, dass die damaligen Wohnverhältnisse des Rechtsanwaltes dargestellt werden. Auch hier fehlt es an einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung.

dd) Die Passagen Nr. I. 7 a) und b) konstruieren einen angeblich aus dem Film herauszulesenden Vorwurf, der tatsächlich darin nicht enthalten ist. Dass Contergan bei Franziskas Kind die Schäden hervorgebracht hatte, war Wegener zur Zeit der Schwangerschaft seiner Ehefrau nicht bekannt, da er bei Franziska verschiedene Medikamente und nicht nur Contergan gesehen hatte, und da derartige Schäden zuvor nie als Nebenfolge eines Medikamentes bekannt geworden waren. Hinzu kommt, dass in der Abfolge des Films die Ehefrau Wegeners die schädigende Tablette bereits genommen hatte, als Wegener in ihrem Nachtkasten das Mittel Contergan fand, so dass eine Warnung ohnehin zu spät gekommen wäre.

ee) Die Passage Nr. I. 8 a) und b) wird als innerfamiliäres Privatgespräch vom Zuschauer nicht als wirklichkeitsgetreu wahrgenommen. Zudem werden in der genannten Filmszene allenfalls Fragen nach den möglichen Ursachen gestellt und keineswegs Vorwürfe erhoben. Die Szene hat keinen herabsetzenden Inhalt, in jedem Fall keinen schwer ehrverletzenden Charakter.

ff) Die mit Nr. I. 10 d) aa) bezeichnete Filmszene, die als einzige der ursprünglich unter Nr. I. 10 bezeichneten Passagen in dem Film enthalten ist, vermittelt nicht den genannten Eindruck, dass Wegener ein gestörtes und von Lieblosigkeit geprägtes Verhältnis zu seinem Kind gehabt habe. Es handelt sich um die – den Protagonisten nicht negativ darstellende – Äußerung der väterlichen Sorgen um die Zukunft, welches das Kind nur deshalb hört, weil es unbemerkt im Hausflur steht. Irgendeine Lieblosigkeit des Vaters ist dem nicht zu entnehmen.

gg) Als angeblicher Beleg des unter Nr. I. 11 beschriebenen angeblichen eigennützigen Interesses befindet sich nur die unter c) genannte Szene im Film. Diese enthält aber keine Aussage in dem beschriebenen Sinne. Vielmehr stellt diese Äußerung einen verzweifelten Lösungsvorschlag dar, um den im Film dargestellten unlauteren Machenschaften des Arzneimittelherstellers zu entgehen.

ff) Der unter Nr. I. 12 genannte Eindruck des „heimlichen“ Verhandelns stellt keine schwere Persönlichkeitsverletzung dar. Der Zuschauer nimmt dieses Vorgehen als sachgerecht im Interesse der Opfer wahr. Das angebliche Verhandeln steht in Zusammenhang damit, dass sich die strafrechtliche Verfolgung weiter hinzuziehen drohte, ohne dass eine Entschädigung der Opfer in Sicht war. Die angegriffenen Szenen zeigen nicht die etwaigen Verhandlungen des Rechtsanwalts mit dem Arzneimittelhersteller, sondern nur die durch sie ausgelösten angeblichen Reaktionen anderer. Dokumentarischen Charakter haben diese offensichtlich nicht. Eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers ist nicht zu erkennen.

gg) Auch die unter Nr. I. 13 a) genannte offensichtlich fiktive Szene wird vom Zuschauer nicht als negativ empfunden, zumal der angeblich geforderte Betrag – unter Einbeziehung einer Rente in unbekannter Höhe – nicht evident niedrig ist.

Die unter Nr. 13 b) genannte Verhaltensweise Wegeners wird gleichfalls vom Zuschauer als positiv bewertet und stellt sich in der Logik des Films (Verjährung drohte) als sinnvoll im Interesse der Opfer dar.

Die unter Nr. I. 13 c) bezeichnete Szene ist im Film so nicht enthalten.

Der Obersatz gem. Ziffer 13 I. d) stimmt nicht mit dem Inhalt des Films überein, in dem Wegener selbst niemals ausdrücklich 100 Millionen DM fordert, sondern nur den von dem Unternehmen rückgestellten Betrag. Die Zahl von 100 Millionen nennt im Film erstmals am Verhandlungstisch ein Mitarbeiter der Firma Grünenthal und sodann deren Chef. Schon deshalb entfällt ein Anspruch bezüglich der in Nr. I. 13 d) beanstandeten Passagen.

ff) Die unter Nr. I. 14 bis 16 benannten Szenen befinden sich nicht im Film. Ein Verhältnis Paul Wegeners mit einer Mandantin wird nicht gezeigt.

Die angedeutete Sympathie für die Figur der Franziska wird – da sie keine Weiterungen nach sich zieht – nicht als negativ bewertet und stellt daher keine erhebliche Persönlichkeitsverletzung dar. Auch hier überwiegt der Spielfilmcharakter, weil es sich um einen Gegenstand außerhalb des eigentlichen Kerngeschehens handelt.

gg) Die in Nr. I. 17 a) bezeichneten Szenen sind im Film nicht enthalten.

Die unter Nr. I. 17 b) beanstandete Aussage der vorübergehenden Trennung der Eheleute wird, da sie für das Kerngeschehen belanglos ist, als ausschmückende Fiktion wahrgenommen. Sie stellt schon wegen des Zeitablaufs von fast 40 Jahren seit Beendigung des Strafverfahrens heute keine erhebliche Verzerrung des Persönlichkeitsbildes des Antragstellers in der Öffentlichkeit dar. Die im Film ohnehin wenig plausible Trennung der Eheleute geht zudem nicht etwa von Paul Wegener aus, der im Gegenteil in der Folge gezeigt wird, als er vergebens versucht, telefonisch wieder Kontakt mit der Ehefrau aufzunehmen. Er ist, wie sich insbesondere auch im Gespräch mit der Sekretärin am Weihnachtsabend zeigt, eher Opfer der Trennung, so dass die Darstellung nicht geeignet ist, eine schwere Verletzung seines Persönlichkeitsbildes zu bewirken.

Nach allem ist der Berufung stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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