Fernsehen regiert die Welt! Auch über urheberrechtliche Grenzen hinweg?
Urteil vom LG Leipzig
Entscheidungsdatum: 19.05.2005
Aktenzeichen: 05 O 1304/05, 5 O 1304/05
Leitsätze
1. Ein Sendeunternehmen hat nach § 87 I Nr. 1 UrhG das ausschließliche Recht über seine Funksendungen zu disponieren.
2. Wird per Internetplattform eine Dienstleistung angeboten, jederzeit Sendungen aufzeichnen und abrufen zu können, stellt dies einen Eingriff in das dem Sendeunternehmen obliegende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung dar.
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 30.03.2005 wird teilweise aufgehoben und der Antrag auf deren Erlass insoweit zurückgewiesen, als sich die Ziffern I. 5 und 6 der Beschlussverfügung auch auf die in Ziffern I. 1 bis 3 verbotenen Handlungen erstrecken.
Im Übrigen bleibt die einstweilige Verfügung vom 30.03.2005 aufrechterhalten.
II. Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.
III. Es verbleibt bei der Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 30.03.2005.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über urheberrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem neuartigen Internetangebot der Verfügungsbeklagten.
Die Verfügungsklägerin ist ein privates Sendeunternehmen, dass das in ganz Deutschland frei zu empfangende Fernsehprogramm ...ausstrahlt. Die im Jahre 1997 gegründete Verfügungsbeklagte bietet Dienstleistungen im Multimediabereich, insbesondere Breitband-Multimedia-Lösungen, wie etwa "Multimedia Speed Streaming", "Web-TV", "ePaper" und interaktives Fernsehen an.
Seit dem 10.03.2005 bietet sie unter der Internetadresse "www.... " (englisch für: zeitversetztes Fernsehen) Nutzern an, über eine elektronische Programmzeitschrift aus 20 in Deutschland verbreiteten Fernsehprogrammen auch Sendungen auf ".." auszuwählen. Zu diesem Zweck wird das jeweilige Sendesignal abgegriffen. Sodann wird es in einer für die Verbreitung über Internet geeigneten Weise aufbereitet und auf Servern, den sogenannten RAIDS (redundant array of independent discs) gespeichert. Die bei ...eingeschriebenen Nutzer können die auf ihre Auswahl hin erfolgende Aufzeichnung der jeweiligen Sendung zu einem beliebigen Zeitpunkt, beliebig oft und überall auf der Welt mittels Internet aufrufen und ansehen, wenn auch in einer gegenüber dem herkömmlichen Fernsehempfang verminderten Qualität. Ein Kopieren des Programms durch die Nutzer, etwa auf einem privaten Festplattenrekorder oder DVD-Rekorder ist allerdings nicht möglich.
Jeder kann sich über das Internet auf der Webseite www.... als Nutzer registrieren lassen. Nach der Registrierung erhält der Nutzer innerhalb weniger Sekunden einen Benutzernamen und ein Passwort, welches ihm den Zugriff auf das Nutzungsangebot der Verfügungsbeklagten ermöglicht. Der Benutzer mietet bei der Verfügungsbeklagten auf diese Weise Speicherplatz für die von ihm veranlassten Aufzeichnungen. Der Nutzer dieses sogenannten "web-basierten PVR" kann so veranlassen, dass die ausgewählten Sendungen digital mitgeschnitten und in einem speziell für den jeweiligen Benutzer reservierten Speicherplatz auf den Servern der Verfügungsbeklagten (den PVRs auf den RAIDS) abgespeichert werden. Die Übertragung über Internet zum Nutzer nach Hause erfolgt dann mittels der sogenannten Streamingtechnik, wobei die von der Verfügungsbeklagten an die Nutzer via Internet übertragenen Daten zuvor "heruntergerechnet" werden.
Das Angebot der Verfügungsbeklagten ist derzeit zumindest für eine kurze Pilotphase kostenlos; in Zukunft ist beabsichtigt, von den Nutzern Entgelte zu erheben.
Nachdem es zunächst möglich war, dass das Angebot der Verfügungsbeklagten zu jeder Tageszeit auch von Kindern und Jugendlichen uneingeschränkt abgerufen werden konnte, hat die Verfügungsbeklagte ein Altersverifikationssystem eingerichtet. Dieses war aber jedenfalls bis zum 25.04.2005 abends dadurch leicht zu umgehen, dass die auf der Bildschirmseite die dort als Muster erscheinende Personalausweisnummer einfach eingetippt wurde, wodurch eine Freischaltung erfolgte. Auch Minderjährige konnten so ohne Altersnachweis weiterhin auf das Angebot der Verfügungsbeklagten zugreifen.
Die Verfügungsklägerin ist der Rechtsauffassung, dass die Verfügungsbeklagte durch ihr Angebot das Urheberrecht der Klägerin verletze. Darüber hinaus ergebe sich neben dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs.1, Satz 1, 87 Abs. 1 UrhG auch ein wettbewerbsrechtlicher aus §§ 3, 4 UWG insbesondere mit Blick auf die Verletzung des § 5 des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMSTV). Die Verfügungsbeklagte verletze durch ihr Angebot sowohl das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG als auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG. Insbesondere lasse sich die Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten nicht mit derjenigen des Vermietens eines Videorekorders vergleichen, da nicht der Nutzer sondern die Verfügungsbeklagte selbst die Kopien der Sendung erstelle. Deshalb scheide auch eine Privilegierung nach § 53 Abs. 1 UrhG aus. Dies folge auch aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte die Kontrolle und Sachherrschaft über die Auswahl der in ihr Programmangebot eingebundenen 20 Programme, über den Empfang des Fernsehsignals, über die für das Angebot notwendige Software und das erforderliche Rechenzentrum innehabe. Sie entscheide daher in weiten Teilen über das "Was und Wann" des Kopiervorgangs. Würde man allein aus dem Umstand, dass der Kunde die Auswahl der von ihm abgerufenen Sendungen treffe, darauf schließen, dass der Nutzer der Hersteller der Kopie wäre, würde das nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 UrhG dem Sender zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19 a UrhG vollständig ausgehöhlt.
Die Verfügungsklägerin ist ferner der Meinung, dass das Angebot der Verfügungsbeklagten dem Auftreten eines herkömmlichen Kabelnetzbetreibers entspreche. Der einzige, wenn auch nicht maßgebliche Unterschied bestehe darin, dass im Gegensatz zur herkömmlichen Kabelweiterleitung die Verfügungsbeklagte nach Abgreifen des Signals die Kabelweiterleitung bis zu den Speicherplätzen der PVR in ihren eigenen Räumlichkeiten vornehme. Die Verfügungsbeklagte biete deshalb letztlich auch nichts anderes als "Video on Demand" an. Deshalb handle es sich auch um eine - mangels Zustimmung - urheberrechtswidrige Kabelweiterleitung im Sinne des § 20 b UrhG. Mangels Zustimmung der Verfügungsklägerin sei diese Weiterleitung aber rechtswidrig im Sinne der §§ 87 Abs. 1, Ziff. 1, 20 UrhG.
Die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Verfügungsbeklagten ergebe sich aus dem Umstand, dass das Programm der Verfügungsklägerin unverändert in das Dienstleistungsangebot der Verfügungsbeklagten übernommen werde. Es komme zu einem Imagetransfer vom Original auf die Kopie.
Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 15.03.2005 abgemahnt und vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.
Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 30.03.2005 antragsgemäß eine Beschlussverfügung erlassen hat, gegen die die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 12.04.2005 Widerspruch einlegte, beantragt die Verfügungsklägerin nunmehr,
die einstweilige Verfügung vom 30.03.2005 aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf deren Erlass zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, ihr Altersverifikationssystem sei auf Grund eines Hinweises eines ihrer Programmierer seit 25.04.2005 nunmehr so modifiziert worden, dass die zuvor auf dem Bildschirm erscheinende Personalausweisnummer jetzt nicht mehr lesbar und damit auch nicht mehr von Minderjährigen eingegeben werden könne. Zu Freischaltungen für Jugendliche könne es deshalb seither nicht mehr kommen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Rechtsauffassung, dass ihr internetgestütztes System einem virtuellen Festplatten-Videorekorder vergleichbar sei. Dies folge schon aus dem Umstand, dass der Benutzer allein entscheide, ob und welche Sendung aufgezeichnet werde. Es bestehe schließlich auch nicht die Möglichkeit, dass ein Benutzer, der die vorherige Auswahl einer Sendung verpasst habe, auf die gegebenenfalls vorhandene Aufzeichnung eines anderen Benutzers oder des Rechner- / Serversystems der Beklagten zugreife. Die virtuellen Festplatten-Rekorder seien für jeden Benutzer vollständig voneinander getrennt. Es handle sich daher nur um zulässige private Kopiervorgänge im Sinne von § 53 Abs. 1 UrhG. Schon deshalb scheide auch ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Normen oder den JMSTV aus. Der von der Verfügungsbeklagten unterhaltene web-basierte PVR sei rechtlich nicht anders zu beurteilen als der Mitschnitt von Fernsehsendungen durch Privatpersonen mit Hilfe eines digitalen Festplattenvideorekorders. Ebenso wenig wie das Bewerben oder Veräußern eines Festplattenvideorekorders durch entsprechende Handelsketten einen Verstoß gegen den JMSTV darstellen könne, könne dies für die Bewerbung des von der Verfügungsbeklagten betriebenen web-basierten PVR gelten. Beworben würde nämlich einzig und allein die betreffende Technologie, nicht konkrete Inhalte von Sendungen.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin komme es auf dem Weg zwischen dem Abgreifen des Signals mittels einer Satellitenantenne und dem Zur-Verfügung-stellen des Streams für die Abtastköpfe der PVR-Module zu keiner Kabelweiterleitung im Sinne des § 20 b UrhG. Dafür fehle es bereits an dem für den Begriff des Kabelsystems notwendigen räumlich ausgedehnteren Verteilernetz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 26.04.2005 (GA 96-99) verwiesen.
Gründe
Die einstweilige Verfügung war aufrechtzuerhalten (§§ 936, 925 ZPO) .
(I) Das angerufene Landgericht Leipzig ist - zum Teil ausschließlich - sachlich und örtlich zuständig (§§ 937, 943 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, 13 UWG, Anl 1 Nr. 5 zu § 1 Abs. 1 SächsJuZustVO).
(II) Die einstweilige Verfügung erweist sich auch zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch immer als zulässig und begründet.
1. Der Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) ist gegeben. Der Verfügungsklägerin ist das Beschreiten des Klagewegs nicht zuzumuten, weil sich durch eine Fortsetzung des Angebots der Verfügungsbeklagten die Verletzung ihrer Urheberrechte in maßgeblicher Weise weiter vertieft und sich durch eine erst am Ende eines Klageverfahrens ergehende Verurteilung die bis dahin erlittenen Rechtsnachteile nicht effektiv verhindern lassen. Da das Angebot der Verfügungsbeklagten erst seit 12.03.2005 im Internet bereitgehalten wird, ist die besondere Eilbedürftigkeit auch nicht durch längeres Zuwarten überholt. Soweit sich die einstweilige Verfügung auch auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch stützt, wird der Verfügungsgrund ohnehin vermutet (§ 12 Abs. 2 UWG) und wurde von der Beklagten nicht widerlegt.
2. Der Verfügungsklägerin steht gemäß § 97 Abs. 1 im Hinblick auf Ziffer I 1-3 der Beschlussverfügung ein Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 UrhG als Verfügungsanspruch zur Seite.
Die Verfügungsklägerin verletzt durch ihr Internetangebot "..." widerrechtlich das Urheberrecht der Verfügungsklägerin an den Sendungen ihres Programms "..". Die Verfügungsklägerin besitzt als Sendeunternehmen gemäß § 87 Abs.1 Nr. 1 UrhG das ausschließliche Recht, ihre Funksendungen weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen. Sendeunternehmen ist stets dasjenige Unternehmen, welches Funksendungen i.S.v. § 20 UrhG durchführt, die zum Empfang durch die Öffentlichkeit oder doch zumindest eines Teils von dieser bestimmt ist (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 87 Rn 5). Dabei kann dahinstehen, ob die Verfügungsbeklagte eine Weitersendung im Sinne einer zeitgleichen, unveränderten Simultanausstrahlung der ursprünglichen Sendung (vgl. Dreier/Schulze, a.a.O. Rn 13) durchführt (so LG Köln, Urt. v. 27.04.2005 - Az.: 28 O 149/05 - S. 7). Entgegen der Auffassung des Landgerichts Köln ist in der bloßen Abnahme des Sendesignals und Durchleitung durch die sogenannten "RAIDS" oder virtuellen "PVR" keine Weitersendung zu sehen. Dies wäre schon mit dem Wortsinn nur schwer zu vereinbaren. Vielmehr ist auf die Abgabe des Datenstroms aus dem Bereich der Verfügungsbeklagten an ihre Nutzer über das Internet abzustellen, die gerade nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt erfolgt. Unstreitig vergeht zwischen Abgreifen der Sendung und dem frühestmöglichen Zugriff zumindest die Zeitspanne der doppelten Sendezeit (vgl. dazu ASt 2, Bl. 16 a; Bl. 97).
Wird aber eine Sendung zuerst aufgezeichnet - oder wie es hier im Angebot der Beklagten (Bl. 16) heißt - aufbereitet und dann zeitversetzt wieder gesendet oder weitergeleitet, so handelt es sich nicht um eine Weitersendung (Dreier/Schulze, a.a.O. Rn 13; allg. Ansicht).
Ob der Schutz der Klägerin durch §§ 87 Abs. 2 Nr. 2, 96 Abs. 1 UrhG eröffnet ist, kann ebenso dahinstehen.
Jedenfalls wird durch das Dienstleistungsangebot der Verfügungsbeklagten unbefugt in das Recht der Verfügungsklägerin eingegriffen, ihre Sendungen öffentlich zugänglich zu machen.
Gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, 19a UrhG obliegt es allein den Sendeunternehmen darüber zu entscheiden, ob ihre Sendungen in Datenbanken gespeichert und ob sie als Webcasting, Simulcasting oder einer Wiedergabe Near-on-demand ausgesandt werden sollen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 87 Rn 15, § 19a Rn. 6 ff.). Offen bleiben kann deshalb auch, ob die Nutzer der Verfügungsbeklagten zulässige Privatkopien i. S. d. § 53 UrhG in einem "virtuellen Festplattenrekorder" herstellen, soweit man auf das in § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG geschützte Vervielfältigungsrecht abstellt. Sinn und Zweck des § 19a UrhG ist es gerade, daneben eine weitere gesonderte urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung unter Schutz zu stellen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 87 Rn 15).
Die Voraussetzungen des § 19a UrhG liegen vor.
Die Verfügungsbeklagte eröffnet über ihr Angebot "..." den Zugriff Dritter auf das geschützte Werk. Die maßgebliche Verwertungshandlung besteht bereits im Öffnen des Werks für den interaktiven Abruf (Dreier/Schulze, a.a.O. § 19a Rn 6). Dass dieses auf Initiative der Nutzer und nach Maßgabe deren Auswahlentscheidung erfolgt, ist ohne Belang.
Das Werk wird auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Dies steht bei einer Verbreitung über das Internet außer Frage. Eine sukzessive Wahrnehmbarkeit reicht dabei aus.
Schließlich werden den Mitgliedern der Öffentlichkeit die Werke auch von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich gemacht.
Anders als im Falle des § 20 UrhG bestimmen die Nutzer selbst, zu welchen Zeiten ihrer Wahl sie die auf den Rechnern / Servern der Verfügungsbeklagten aufgezeichneten Sendungen wahrnehmen / ab- und / oder aufrufen. Eine völlig simultane Wahrnehmung ist anders als beim Senderecht technisch wegen der Reduzierung der Datenmengen nicht möglich.
Die für § 97 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die eingetretene Urheberrechtsverletzung indiziert, so dass eine tatsächliche Vermutung für ihr Fortbestehen streitet (Dreier/Schulze, a.a.O. § 97 Rn 42; BGH GRUR 1955, 97 - Constanze II).
Soweit sich der Anspruch nach ihrem Vorbringen noch aus §§ 87a ff UrhG ergeben könnte, hat die Klägerin die dafür erforderlichen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine unzulässige Nutzung einer Datenbank in einer der dafür in Betracht kommenden Alternativen nicht schlüssig vorgetragen.
3. Ziffer 4 (und soweit sie sich auf Ziffer 4 beziehen auch Ziffern 5 und 6) der einstweiligen Verfügung beruht (beruhen) auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 UWG. Danach kann derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Hierunter fallen auch die Regelungen des JMStV (Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, GVBl- Bay - 2003, S. 147; vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., UWG, § 4 Rn 11.180; OLG Celle GRUR-RR 2003, 221).
Die Verfügungsbeklagte bietet durch ihr Angebot "..." Telemedien i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV an. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 und 5 TDG (Teledienstegesetz, BGBl I 1997, 1870) fallen hierunter sowohl die Angebote zur Nutzung des Internets wie auch Angebote von Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff.
Die Verfügungsbeklagte ist auch Anbieterin i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 3 JMStV, weil sie Telemedien anbietet.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Sendungen auf VOX verbreitet werden, die in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4 JMStV fallen und deswegen nur zu Zeiten ausgestrahlt werden, in denen diese zulässig ist.
Die Verfügungsbeklagte hat - wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - auch nach Einführung ihres Altersverifikationssystems nicht gemäß § 5 Abs. 1 JMStV ausreichend Sorge dafür getragen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufen die betreffenden Angebote auf ...nicht abrufen können. Unstreitig konnte noch bis zum Abend vor der mündlichen Verhandlung das eingebaute System leicht überwunden werden, wie die Verfügungsklägerin anschaulich demonstriert hat. Dass das Altersverifikationssystem nicht von der Verfügungsklägerin selbst stammt, ist unerheblich. Die mangelnde Arbeitsweise ist ihr selbst als Störerin zuzurechnen, weil sie als Anbieterin die Pflicht trifft, die von ihr ergriffenen Maßnahmen auf hinreichende Effizienz zu kontrollieren.
Offen bleiben kann, ob durch die nur behauptete , nicht aber auch glaubhaft gemachte Fehlerbehebung am Vorabend der mündlichen Verhandlung die Verfügungsbeklagte jetzt den Anforderungen des § 5 Abs. 1 JMStV genügt. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) ist hierdurch nicht entfallen. Die Wiederholungsgefahr ist jedenfalls wegen eines zeitweise bestehenden Störungszustandes, der aufgrund der letztlich eingeräumten Unzulänglichkeit des Verifikationssystems zumindest zeitweise bestanden hat, auch insofern zu vermuten. Der nach der Darstellung des Mitgeschäftsführers Westphal leicht zu beseitigende Störungszustand kann ebenso leicht wieder rückgängig gemacht werden. Die Wiederholungsgefahr ist daher auch nicht widerlegt. Die dafür regelmäßig erforderliche strafbewehrte Unterlassungserklärung ist trotz des Hinweises der Kammer nicht abgegeben worden (vgl. dazu nur Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn 1.34 m.w.N.).
4. Die einstweilige Verfügung war jedoch aufzuheben, soweit der Verfügungsbeklagten damit auch verboten wurde, im Zusammenhang mit den genannten Urheberrechtsverletzungen (Ziffern 1 - 3 der Verfügung) zu werben oder insoweit das Programm ".." zu bewerben. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich dazu nämlich nicht aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG. Die Vorschriften zum Schutze des geistigen Eigentums enthalten keine Marktverhaltensregeln und dienen nicht dem Zweck, den Wettbewerb durch das Aufstellen gleicher Schranken zu regeln und damit zur Chancengleichheit der Mitbewerber beizutragen (Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O. § 4 Rn 11.40 m.w.N.).
Auch § 4 Nr. 9b UWG ist insofern nicht einschlägig.
Allein durch den Hinweis auf das Programmangebot der Verfügungsklägerin kommt es weder zu einer unlauteren Rufausbeutung noch einem Imagetransfer. Es fehlt im Übrigen schon an einer Nachahmung des Angebots der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsbeklagte beschränkt sich nämlich darauf - wie eine herkömmliche Programmzeitschrift auch - das Angebot der Verfügungsklägerin ihren Nutzern darzustellen, damit diese die gewünschten Sendungen auswählen können.
Schließlich scheidet auch ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG aus (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O. § 3 Rn 8).
(III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Teilunterliegen der Verfügungsklägerin ist nur geringfügig, so dass der Verfügungsbeklagten die gesamten Kosten aufzubürden waren.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf §§ 53, 48 GKG, 3 ZPO.
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