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Tendenz: in der Entscheidung zur Weitergabe von „gebrauchter“ Software?

21.03.2011, 15:40 Uhr | Lesezeit: 6 min
Tendenz: in der Entscheidung zur Weitergabe von „gebrauchter“ Software?

Der EuGH befasst sich derzeit mit der Klärung der Frage, ob der Handel mit „gebrauchter“ Software zulässig  ist (Az:I ZR 129/08). Darüber berichteten wir bereits in den News „Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Zulässigkeit des Vertriebs "gebrauchter" Softwarelizenzen vor “ und „Hintergrund zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs von "gebrauchter" Software “.

Wie der EuGH in dieser Sache entscheiden wird, ist noch ungewiss. Allerdings könnte man aus dem Schlussantrag der Generalanwältin Juliane Kokett in einem anderen Verfahren zu Exklusivrechten an Fußballübertragungen eine Tendenz herauslesen, wie der EuGH die Rechtslage bei der Weitergabe von „gebrauchter“ Software sieht.

A. Das Verfahren zu Exklusivrechten an Fußballübertragungen

In einem zurzeit anhängigen Verfahren vor dem EuGH (Vorabentscheidung) geht es um Exklusivrechte an Fußballübertragungen. Im Rahmen ihrer Schlussanträge vertritt die Generalanwältin Juliane Kokett die Auffassung, dass hierbei der Erschöpfungsgrundsatz entsprechend gelte.

I. Welche Fragen sollen vom EuGH geklärt werden?

In dem Verfahren soll geklärt werden, ob die englische Football Association Premier League (abgekürzt FAPL und vergleichbar mit der Deutschen Fußball Liga, kurz DFL) wie bisher Exklusivrechte für die Übertragung von Fußballspielen an Sendeunternehmen vergeben darf. Momentan vergibt sie die Lizenzen wie folgt. Das Sendeunternehmen erhält die Lizenz für ein bestimmtes Sendegebiet, das meist einem Mitgliedsland der EU entspricht. Zum Schutz der Exklusivität müssen die Sendeunternehmen verhindern, dass das Sendesignal außerhalb ihres Sendegebiets gesehen werden kann. Deswegen dürfen die Sendeunternehmen das Sendesignal nur verschlüsselt an Abonnenten in ihrem jeweiligen Sendegebiet übertragen. Das Sendesignal können die Abonnenten mit Hilfe einer Decoderkarte entschlüsseln. Schließlich ist den Sendeunternehmen verboten die Decoderkarten außerhalb ihres Sendegebiets zu vergeben.

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II. Welchen Rechtsstreit gab es auf nationaler Ebene?

Im nationalen Ausgangsfall in England kam es zum Rechtsstreit zwischen der FAPL und einer englischen Gaststättenbetreiberin. Diese kaufte von einem Unternehmen eine Decoderkarte, die das Unternehmen von Griechenland nach England importiert hatte. Damit konnte die Betreiberin in ihrer Gaststätte in England Live-Übertragungen der englischen Premiere League unter Verwendung einer griechischen Decoderkarte zeigen. Der Vorteil daran war, dass die Betreiberin für die griechische Decoderkarte weniger zahlen musste, als wenn sie eine englische Decoderkarte verwendet hätte. Dagegen versuchte die FAPL gerichtlich vorzugehen.

III. Wie sieht die Generalanwältin die Rechtslage?

Nach den Ausführungen der Generalanwältin ist die Rechtslage wie folgt zu bewerten.

1. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit

Laut der Generalanwältin führt diese Vergabe an Exklusivrechten zu einer Unterteilung des Binnenmarktes in voneinander abgetrennte nationale Märkte, was eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. Die Dienstleistungsfreiheit ist ein europarechtliches Grundprinzip, das einfach gesagt die grenzüberschreitende Erbringung und Empfangnahme von Dienstleistungen gewährleisten will. Deshalb verlangt die Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich die Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs.

2. Rechtfertigung der Beschränkung

Die Beschränkung könnte gerechtfertigt sein. Hierfür müssten aber  nach den europarechtlichen Vorgaben engen Voraussetzungen erfüllt sei. Es könnte der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums als Rechtfertigung in Betracht kommen. Allerdings müsste dafür der spezifische Gegenstand „Schutzrechte an Fußballspielen“ eine solche Aufteilung des Binnenmarktes notwendigerweise verlangen.

a. Erschöpfungsgrundsatz im Warenverkehr, vergleich mit Dienstleistungsverkehr

Im Bereich des Warenverkehrs gilt der Erschöpfungsgrundsatz, der aus der Warenverkehrsfreiheit resultiert. Nach Warenverkehrsfreiheit soll die Veräußerung von Waren innerhalb des Binnenmarktes der EU ohne Beschränkungen gewährleistet sein. Um dies zu erreichen, verlangt der Erschöpfungsgrundsatz , dass sich das Ausschließlichkeitsrecht an einem Vervielfältigungsstück eines Werks grundsätzlich erschöpft (aufhebt), wenn das Stück mit Zustimmung des Rechtsinhabers in den Markt eines Mitgliedstaats in der Verkehr gebracht wurde.

Nach Auffassung der FAPL gibt es jedoch keine vergleichbare Erschöpfung im Dienstleistungsverkehr. Die Generalanwältin hingegen vertritt die Auffassung,   die Beschränkungen der Grundfreiheiten müssten aus folgenden Gründen nach den gleichen Prinzipien gerechtfertigt werden.

Einige Dienstleistungen unterschieden sich von Waren, da sie nicht weitergegeben und weiterverwendet werden könnten, wie z.B. die Dienste der Friseure. Bei diesen Dienstleistungen trete laut der Generalanwältin keine Erschöpfung ein. Andere Dienstleistungen unterschieden sich jedoch nicht erheblich. Dies sei bei Software, Musikstücken, elektronischen Büchern und Filmen, die man aus dem Internet lade, der Fall. Denn diese könnten wie Waren problemlos in elektronischer Form weitergegeben werden. In diesen Fällen sei eine Unterscheidung der beiden Grundfreiheiten (Dienst und Ware) willkürlich.

Deshalb müsse sorgfältig geprüft werden, ob der Erschöpfungsgrundsatz entsprechend für die Schutzrechte an Fußballübertragungen gilt.

b. Entsprechende Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes?

Diese Prüfung führt zu folgendem Ergebnis: Die einzelnen Schutzrechte an der Fußballübertragung können zusammengefasst werden als „Rechte an der Sendung“. Diese Rechte werden wirtschaftlich dadurch verwertet, dass die Kunden eine Gebühr für die Decoderkarten bezahlen. Die Verwertung wird durch die Verwendung von „ausländischen“ Decoderkarten nicht ausgeschlossen, weil auch für diese Decoderkarten Gebühren entrichtet wurden. Die Gebühren für „ausländische“ Decoderkarten sind zwar niedrigerer als die Gebühren für Decoderkarten aus England. Allerdings besteht kein spezifisches Recht, in jedem Mitgliedsland andere Preise für eine Leistung zu verlangen. Vielmehr sollen nach dem Sinn und Zweck des Binnenmarktes Preisunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten durch Handel ausgeglichen werden. Dem wiederläuft das Ziel der FAPL Gewinn dadurch zu erzielen, dass mit der Verwendung von Exklusivrechten der Binnenmarkt ausgeschaltet wird.

Insofern muss der Erschöpfungsgrundsatz hier entsprechend angewandt werden.

B. Mögliche Auswirkung auf die Rechtsprechung zur Weitergabe von „gebrauchter“ Software?

Es drängt sich auf, in der Argumentation der Generalanwältin eine Tendenz für die Entscheidung des EuGH in dem Verfahren zur Weitergabe von „gebrauchter“ Software zu sehen. Denn in dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Fall wurde die Software online weitergegeben. Nach den oben dargestellten Ausführungen der Generalanwältin unterscheide sich dies nicht von der Weitergabe von Waren mit der Folge, dass der Erschöpfungsgrundsatz gelte. Somit könnte man durchaus schließen, dass der EuGH den Handel mit gebrauchter Software auch für online heruntergeladene Software also auch für Software, die nicht auf einem Medium gehandelt wird, als zulässig erachtet.

C. Nur am Rande: Was machen die Generalanwälte?

Die Generalanwälte gehören zum EuGH. Sie bereiten die Entscheidungen des EuGH vor und machen dessen Richtern einen Vorschlag, wie ein bestimmtes Urteil ihrer Meinung nach aussehen soll.

Die so genannten Schlussanträge eines Generalanwalts sind dessen konkreter Vorschlag, wie ein Fall seiner Meinung nach zu entscheiden ist. Diese Schlussanträge sind deshalb so wichtig, weil sich die Richter in den allermeisten Fällen den Vorschlägen des Generalanwalts anschließen. Somit sind die Schlussanträge ein starkes Indiz dafür, wie ein Urteil des EuGH aussehen wird.

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