Nach drastischen Preisanhebungen seit Oktober 2005 hat das Bundeskartellamt gegen sieben überregionale Gasversorgungsunternehmen Ende Januar 2006 Missbrauchsverfahren wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Gasendkundenpreise eingeleitet.
Dabei handelt es sich um folgende Unternehmen: E.ON Thüringer Energie AG, E.ON Avacon AG (Sachsen Anhalt), RWE Westfalen-Weser-Ems AG, MITGAS Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH, SpreeGas GmbH, ENTEGA Vertrieb GmbH & Co. KG und ein Eigenbetrieb der Thüga AG.
Bundesweite Gaspreiserhebungen bei mehr als 700 Gasversorgungsunternehmen, die das Bundeskartellamt gemeinsam mit den Landeskartellbehörden durchgeführt hatte, hatten Preisdifferenzen in Deutschland von über 40 Prozent zwischen günstigsten und teuersten Unternehmen ergeben. Neben dem Bundeskartellamt, das für 29 Gasversorgungsunternehmen zuständig ist, haben die Landeskartellbehörden über 80 Verfahren gegen in ihre Zuständigkeit fallende Gasversorgungsunternehmen eingeleitet. Seitens der privaten Verbraucher wurden nicht nur die hohen Preise, sondern vor allem die fehlende Wechselmöglichkeit beklagt. Kartellamtspräsident Böge: "Eine freie Konsumentenentscheidung ist ein Grundsatz unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Wir hatten die Möglichkeit, hier im Rahmen unserer Missbrauchsverfahren zu einem schnellen Ergebnis zu gelangen. Denn wirksame Wechselmöglichkeiten beleben den Wettbewerb insgesamt. Sie sind insoweit einer Preismissbrauchsaufsicht, die immer auf einen konkreten Kartellrechtsverstoß bezogen bleiben muss, überlegen."
Die o.g. Unternehmen haben sich gegenüber dem Bundeskartellamt nunmehr schriftlich verpflichtet, den Privatkunden zum 1. April eine solche Wechselmöglichkeit einzuräumen. E.ON hat sich für alle seine Konzernunternehmen dazu verpflichtet. Das Bundeskartellamt hat daraufhin die Verfahren heute eingestellt.
Die Wechselmöglichkeit läuft unter dem Stichwort "Beistellung", eine Marktöffnungsregelung, die schon im Bereich der Telekommunikation und des Strommarktes angewendet wird. Es handelt sich praktisch um ein „Dreiecksverhältnis”. Hierbei schließt der private Endkunde seinen Gasversorgungsvertrag mit dem neuen Gasversorger, der das Gas wiederum vom etablierten örtlichen Netzbetreiber im Rahmen eines Beistellungsvertrags kauft.
Der Bund der der Energieverbraucher befüchtet dagegen, die durch das Bundeskartellamt angekündigte Gasmarktliberalisierung könnte sich noch als Aprilscherz herausstellen:
Zitat:
"Die Gasversorger hätten nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz ihre Netze bereits zum 1. Februar 2006 öffnen müssen. Sie haben diesen Termin nicht eingehalten und damit gegen geltendes Recht verstossen. Bereits seit 1998 hätten die Gasnetze dem Wettbewerb geöffnet werden müssen. Seit acht Jahren verweigern sich die Gasversorger erfolgreich dem Wettbewerb. Wie viel die angekündigte Netzöffnung praktisch bringt, kann erst beurteilt werden, wenn die konkreten Konditionen bekannt werden. Möglicherweise hat das Kartellamt mit heißer Luft gehandelt, wenn die Zugangsbedingungen für freie Gasanbieter nicht akzeptabel sind. Auch im Strommarkt haben die Netzbetreiber viele unliebsame Konkurrenten mit wenig feinen Mitteln vom Markt vertrieben. Die Marktöffnung zum 1. April könnte sich als termingerechter Scherz herausstellen, wenn es keine neuen Anbieter gibt."
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