Widerruft ein Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbrauchervertrag, so bestimmt die Regelung des § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB, dass der Unternehmer die Ware beim Verbraucher abholen muss, wenn sie für den Postweg zu sperrig ist. Die Vorschrift gilt allerdings ausdrücklich nicht für Fernabsatzgeschäfte und den elektronischen Geschäftsverkehr, sondern ausschließlich für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, etwa im Rahmen von Hausbesuchen eines Vertreters. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Unternehmer die Ware tatsächlich selbst abholen muss oder er dafür ein Transportunternehmen, etwa eine Spedition, beauftragen darf? Die IT-Recht Kanzlei erläutert das Problem und gibt Antworten.
Inhaltsverzeichnis
I. Abholung und Rücksendekosten im Rahmen des Widerrufsrechts
Musste nach der bis zum 12. Juni 2014 gültigen Rechtslage in aller Regel der Unternehmer die Kosten der Rücksendung von Waren im Fernabsatzhandel tragen, ist der gesetzliche Regelfall nun, dass der Verbraucher die Rücksendekosten zu zahlen hat.
Besonderheiten hält das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen bereit, die beispielsweise im Rahmen von Vertreterbesuchen in der Wohnung des Verbrauchers geschlossen werden. Sperrgut bzw. Speditionsware, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden ist, muss der Unternehmer nach der Regelung in § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB stets zwingend auf eigene Kosten abholen.
Doch welche Unternehmer und Vertriebsformen sind von dieser Vorschrift betroffen und müssen die Unternehmer die Waren tatsächlich selbst, also in eigener Person abholen?
II. Kostenlose Abholung von Sperrgut durch Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
Seit 13. Juni 2014 gilt eine Regelung in § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB, die auf Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (kurz: VRRL) zurückgeht. Danach muss bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, der Unternehmer die Waren im Falle des Widerrufs auf eigene Kosten beim Verbraucher abholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie vom Verbraucher nicht per Post an den Unternehmer zurückgesandt werden können.
1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
Die neue Vorschrift betrifft lediglich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, also gemäß § 312b Absatz 1 BGB Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Gemeint sind damit insbesondere Verträge, die im Rahmen der berühmt-berüchtigten Kaffeefahrten, mit fliegenden Händlern oder bei Vertreterbesuchen in der Wohnung des Verbrauchers geschlossen werden. Von der neuen Regelung nicht betroffen sind Verträge im Fernabsatzhandel und im elektronischen Geschäftsverkehr.
Von der Kostenregelung nach § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB ausdrücklich nicht betroffen sind Fernabsatzverträge, also Verträge, bei denen der Verbraucher die Waren im Webshop eines Unternehmers oder via Katalog bestellt.
2. Speditionsware
§ 357 Absatz 6 Satz 3 BGB betrifft ausdrücklich nur solche Waren, die nach dem Widerruf nicht per Post an den Unternehmer zurückgesandt werden können – etwa weil sie zu sperrig oder zu schwer sind. In diesen Fällen ist der Unternehmer nun gesetzlich dazu verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten beim Verbraucher wieder abzuholen.
Dies bedeutet vor allem, dass durch den Rücktransport zum Unternehmer tatsächlich keinerlei Kosten für den Verbraucher entstehen dürfen. Zudem muss der Unternehmer die Sache beim Verbraucher an dessen Wohnsitz abholen. Der Verbraucher ist somit lediglich verpflichtet, bei der Abholung durch den Unternehmer mit diesem zu kooperieren, also diesen bzw. dessen Hilfspersonen zum vereinbarten Zeitpunkt in die Wohnung zu lassen oder die Ware auf eine andere Weise dem Unternehmer zur Abholung bereitzustellen.
3. Keine Abholung durch den Unternehmer selbst erforderlich
Dabei muss der Unternehmer die Ware nicht selbst, d. h. in eigener Person abholen oder durch seine Mitarbeiter abholen lassen. Er kann hierfür ein Speditionsunternehmen mit der Abholung beauftragen, muss dabei aber die Organisations- und Koordinationsarbeit übernehmen. Es gilt die Maxime: minimaler Aufwand und keinerlei Kosten für den Verbraucher.
Zwar spricht sowohl der Wortlaut von § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB als auch des maßgeblichen Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 3 der VRRL scheinbar dafür, dass der Unternehmer die Ware tatsächlich selbst, also in eigener Person und ohne Mithilfe einer Spedition abholen muss („ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen“). Jedoch zeigt ein Vergleich mit dem Wortlaut des Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 1 der VRRL – dort ist die Pflicht des Verbrauchers zur Rücksendung bzw. Übergabe der Waren an den Unternehmer oder eine dazu ermächtigte Person im Allgemeinen geregelt – dass der Unternehmer nicht in eigener Person beim Verbraucher vorstellig werden muss.
Denn dort ist die Rede davon, dass „der Unternehmer (…) angeboten (hat), die Waren selbst abzuholen“; da der Gesetzgeber das Wort „selbst“ somit zwar in Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 1 der VRRL, nicht aber in Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 3 VRRL verwendet hat, ist davon auszugehen, dass der Unternehmer jedenfalls im Falle des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen die (sperrige) Ware nicht in persona abholen muss.
Für den Verbraucher spielt es zudem keine Rolle, ob der Unternehmer die sperrige Ware in eigener Person bzw. im Falle eines großen Unternehmens ein Mitarbeiter des Unternehmers oder aber eine selbstständige Transportperson im Auftrag des Unternehmers (Spedition) in der Wohnung des Verbrauchers abholt. Er ist gleichsam geschützt; Kosten entstehen ihm so oder so nicht.
Vielmehr dürfte es für den Verbraucher sogar vorteilhafter sein, wenn die Abholung der Ware von einem Profi durchgeführt wird, der in der Organisation des Transports professioneller aufgestellt ist, so dass die Abwicklung möglichst reibungslos funktioniert.
Darüber hinaus schließen weder die Erwägungsgründe des EU-Gesetzgebers, die in der Verbraucherrechterichtlinie niedergelegt sind, noch die Gesetzesbegründung des deutschen Gesetzgebers im Regierungsentwurf aus, dass der Unternehmer für die Abholung weitere (auch externe) Hilfspersonen einschaltet.
4. Lieferung zur Wohnung des Verbrauchers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
Die Pflicht des Unternehmers zur Abholung der Waren und Kostentragung nach § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB betrifft nur solche Waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind.
Beispiel: Nach dem Verkauf eines großen und schweren Dampfreinigungsgeräts an einen Verbraucher in dessen Wohnung lässt der Vertreter das Gerät gleich vor Ort. Widerruf nun der Verbraucher den Vertrag, so muss der Unternehmer das Gerät auf eigene Kosten beim Verbraucher abholen oder abholen lassen.
Anders sieht es hingegen aus, wenn der Vertragsschluss mit dem Verbraucher zwar in dessen Wohnung und somit außerhalb von Geschäftsräumen erfolgt, die dabei gekaufte Ware aber erst zu einem späteren Zeitpunkt an den Verbraucher geliefert wird. In diesem Fall bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Verbraucher die Ware an den Unternehmer zurücksenden und die Kosten des Rücktransports zahlen muss – es sei denn der Unternehmer hat diesbezügliche Informationspflichten verletzt oder die Kosten für den Verbraucher im Vorfeld (aus Kulanz) freiwillig übernommen.
III. Abholung und Kostentragung in allen anderen Fällen
In allen anderen Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB kann der Unternehmer – etwa in seinen AGB – frei bestimmen, ob der Verbraucher die Ware zurücksenden muss oder sie vom Unternehmer abgeholt wird und ob der Unternehmer oder der Verbraucher ggf. die Kosten der Rücksendung zu tragen hat.
Geht es somit um Ware,
- die ein Verbraucher im Rahmen des Fernabsatzes bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr bei einem Unternehmer gekauft hat, selbst wenn es sich um Speditionsware – also im sperriges Gut – handelt, oder
- die zwar außerhalb von Geschäftsräumen gekauft worden ist, aber keine Speditionsware ist, also auf dem Postweg versandt werden kann, oder
- die zwar außerhalb von Geschäftsräumen gekauft worden ist und auch Speditionsware ist, aber nicht bei Vertragsschluss, sondern zu einem späteren Zeitpunkt zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden ist,
so ist der Unternehmer von Gesetzes wegen nicht dazu verpflichtet, die Ware auf eigene Kosten abzuholen oder abholen zu lassen.
Beispiele: Schließt ein Vertreter in der Wohnung des Verbrauchers einen Kaufvertrag über ein (sperriges, nicht auf dem Postweg versendbares) Dampfreinigungsgerät, hat er das Gerät aber nicht dabei, sondern wird es erst später geliefert, so ist der Unternehmer nicht nach § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB gesetzlich dazu verpflichtet, das Gerät abzuholen oder abholen zu lassen oder den Rücktransport zu bezahlen. Dasselbe gilt, wenn der Verbraucher das Dampfreinigungsgerät im Internet, also im Fernabsatz gekauft hat. Nicht abholen oder abholen lassen muss der Unternehmer das Gerät auch dann, wenn es (tatsächlich doch) auf dem Postweg versandt werden kann.
IV. Fazit
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen (also typischerweise bei Vertretergeschäften), bei denen der Unternehmer (oder einer seiner Hilfspersonen) die gekaufte Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in die Wohnung des Verbrauchers geliefert, also mitgebracht hat, muss er die Ware nach § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB entweder selbst abholen oder durch Hilfspersonen abholen lassen, wenn sie wegen ihrer Sperrigkeit nicht auf dem Postweg versandt werden kann. Damit hat die Regelung in § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB einen recht engen Anwendungsbereich. Nicht umfasst und somit auch nicht davon betroffen sind somit von vorneherein beispielsweise Verträge im Fernabsatzhandel bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr.
Selbst in eigener Person muss der Unternehmer die Ware nicht abholen, auch wenn dies der Wortlaut der Vorschrift suggeriert. Hierfür spricht neben dem Wortlautvergleich mit der maßgeblichen Verbraucherrechterichtlinie vor allem, dass der Verbraucher aufgrund der Abholung durch Hilfspersonen des Unternehmers wie etwa durch ein beauftragtes Speditionsunternehmen, keine Nachteile hat. Vielmehr ist dies für den Verbraucher sogar vorteilhafter, weil er auf diese Weise einen professionelleren Ansprechpartner bekommt.
Wichtig ist dabei jedoch, dass dem Verbraucher durch den Abtransport der Ware so oder so keine Kosten sowie keinerlei organisatorischer Aufwand entstehen. Der Verbraucher ist lediglich zu einer minimalen Mitwirkung verpflichtet, nämlich den Unternehmer oder seine Hilfsperson in seine Wohnung zu lassen, so dass die Ware abtransportiert werden kann.
Bei Problemen, Rückfragen und weiteren Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne auch persönlich und im Einzelfall weiter.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
info; Bildquelle: Shutterstock
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
5 Kommentare
Wie lange muss man auf eine solche Abholung warten/ ist mav verpflichtet zu warten, wenn der Gegenstand viel Platz wegnimmt, den man eigentlich braucht. Darf man diesen entsorgen, wenn es zu lange dauert?
Derzeit liegt die Ware verpackt seit einem Monat im Flur und die einzige Antwort des Händlers lautet: "Es kommt wann es kommt..."
Und es sind circa 7qm meiner Wohnung blockiert.
MfG
Ist hier etwa der Ex-Monopolist Deutsche Post/DHL gemeint?
Falls ja:
-> Wie geht das zusammen mit der freien Wahl des Versanddienstleisters?
-> Ist das dann nicht eine Bevormundung des Kunden bzw. eine wettbewerbswidrige Bevorzugung eines Dienstleisters?
-> Mit DHL kann man sogar Paletten schicken ...
Falls nicht:
-> wie ist "Post" dann definiert?
-> verschiedene Standard-Paketdienstleister haben verschiedene Bedingungen. Welche gelten?
Generell:
-> Was ist mit Sperrgut-Zuschlägen und Nicht-Bandförderfähigkeits-Zuschlägen? Diese schließen ja einen Paketversand nicht aus. Es kann ja trotzdem "per Post" (was auch immer das beinhaltet) verschickt werden.